Der häufigste Leistungsmissbrauch beim Bürgergeld (früher Hartz IV) geschieht “aus Versehen”. Das bestätigt auch die Bundesagentur für Arbeit.
Betroffene melden einen Nebenjob nicht an, beziehen noch eine kleine Betriebsrente oder haben aus guten Zeiten noch ein Festgeldkonto. Neben den Sozialfahndern, die auch Hausbesuche machen, haben die Behörden Möglichkeiten, Leistungsmissbrauch schnell aufzudecken. Es ist daher jedem zu empfehlen, vergessene Angaben nachzuholen. Denn die Folgen können Leistungskürzungen, Nachzahlungen und Strafanzeigen sein. In schweren Fällen drohen sogar Haftstrafen.
Bundesagentur hält sich bedeckt
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hüllt sich auf Anfrage lieber in Schweigen. Man wolle nicht verraten, wie man Leistungsmissbrauch beim Bürgergeld aufdeckt. “Wir geben dazu keine Auskunft, weil wir keine Handlungsanweisungen zum unentdeckten Leistungsmissbrauch geben wollen”, so eine Sozialfanderin gegenüber “gegen-hartz.de”.
Automatisierter Datenabgleich
Die häufigste Methode zur Aufdeckung von Leistungsbetrug ist der automatisierte Datenabgleich. Dieser ist im Sozialgesetzbuch II § 52 geregelt. Bei diesem Abgleich werden die Daten verschiedener Behörden zusammengeführt und abgeglichen. Die Software prüft, ob Leistungsempfänger weitere Einkünfte haben, die sie bisher verschwiegen haben. Allein durch dieses Abfragesystem wurden 88.000 Fälle aufgedeckt. Nach Angaben der BA wurden 56,9 Millionen Euro zu viel gezahlt, pro Fall rund 650 Euro.
Die meisten “Betrüger” gaben ihren Nebenjob nicht an (94,3 Prozent). In 4,2 Prozent der Fälle stellte sich heraus, dass die Hartz-IV-Empfänger noch andere Leistungen wie Rente, Arbeitsförderung oder Berufsausbildungsbeihilfe bezogen. Nur in 1,5 Prozent der Fälle wurde festgestellt, dass die Antragsteller über Geldanlagen verfügten und regelmäßige Zinseinkünfte erzielten.
Die Daten der verschiedenen Behörden (Finanzamt, Agentur für Arbeit, Familienkasse, Bafög, …) werden viermal im Jahr abgeglichen. Jeweils zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober – zentral durch den Rentenversicherungsträger in Würzburg. Werden Auffälligkeiten festgestellt, werden diese an das zuständige Jobcenter weitergeleitet.
Diese Stellen geben die Daten weiter und lassen sie durch ein Computerprogramm abgleichen: Deutsche Post AG (Renten Service), Deutsche Rentenversicherung, Knappschaft-Bahn-See, Datenstelle der Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Bundeszentralamt für Steuern, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen.
Welche Strafen können beim Sozialbetrug drohen?
Für Sozialbetrug sieht der Grundtatbestand des § 263 StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. In der Praxis wird bei Ersttätern häufig eine Geldstrafe verhängt, sofern keine einschlägigen Vorstrafen oder offene Bewährung vorliegen.
In besonders schweren Fällen, z.B. bei gewerbsmäßigem Handeln, Bandenmitgliedschaft, großem Vermögensschaden oder Amtsträgertätigkeit, kann die Strafe gemäß § 263 Abs. 3 StGB bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe betragen.
Die Rechtsprechung in Strafsachen ist regional sehr unterschiedlich. Generell ist im Norden Deutschlands häufig mit geringeren Strafen zu rechnen als im Süden.
Automatisierter Datenabgleich
Beispielsweise verurteilte das Amtsgericht Starnberg einen Rentner zu zehn Monaten auf Bewährung, weil er über 46.000 Euro zu Unrecht kassiert hatte. Dagegen wurde ein Hartz-IV-Empfänger vom Amtsgericht Bersenbrück zu 22 Monaten Haft verurteilt, weil er über 6.000 Euro Sozialleistungen zu Unrecht bezogen und seine Tätigkeit nicht gemeldet hatte. Überführt wurde er durch den automatisierten Datenabgleich (DaLEB), bei dem die Daten der Bundesagentur für Arbeit mit denen der kommunalen Träger abgeglichen werden.
Wann verjähren die Vorwürfe?
Die Verjährungsfrist für Betrug beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre und beginnt mit der Beendigung der Tat, d.h. mit dem Empfang der Leistung durch den Betroffenen.
Mittäter allein machen sich nicht wegen Sozialbetrugs strafbar. Eine strafbare Teilnahme kann in Form der Anstiftung oder der Beihilfe erfolgen. Die Anstiftung (§ 26 StGB) betrifft die vorsätzliche Aufforderung zum Sozialleistungsbetrug, während die Beihilfe (§ 27 StGB) die Hilfeleistung zum Betrug umfasst.
Versuchter Sozialleistungsbetrug und Rückforderung der Leistung
Wurde die falsche Angabe gemacht, die Leistung aber nicht bezogen, liegt ein versuchter Sozialbetrug nach § 263 Abs. 2 StGB vor. Die Strafe für den Versuch kann milder sein als für die vollendete Tat, in der Regel höchstens drei Viertel des Strafrahmens.
Die Rückzahlung der Leistung befreit nicht von der Strafbarkeit, sagt der Anwalt. Der Sozialbetrug ist bereits mit dem Erhalt der Leistung vollendet, unabhängig davon, ob das Geld zurückgezahlt wird oder nicht. Die Rückzahlung kann jedoch bei der Strafzumessung berücksichtigt werden und zu einer Strafmilderung führen.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.