Seit einigen Tagen kursieren in sozialen Netzwerken und auf Youtube Meldungen, die vor angeblich drastischen Renten‑Neuregelungen zum 1. August 2025 warnen. Es sind vor allem mit KI produzierte Videos, die auf Klicks aus sind.
Der Rentenanwalt Peter Knöppel warnt nun eindringlich vor diesen Videos und Meldungen. Denn diese sind nicht nur Unfug sondern schaffen Unsicherheit und schüren Ängste unter Rentnerinnen und Rentnern.
Faktencheck: Was das Gesetz wirklich vorsieht
Die Liste liest sich wie ein dystopisches Drehbuch: Rentenanpassungen ausgesetzt, Eintrittsalter 68, hundertprozentige Besteuerung, Streichung der Auslandsrente und ein Pflichtbeitrag zu einer staatlichen Zusatzvorsorge für alle unter 55‑Jährigen. Millionen Menschen reagieren mit Sorge – dabei ist kein einziger dieser Punkte faktenbasiert.
Die Rentenerhöhung wird nicht ausgesetzt. Im Gegenteil: Zum 1. Juli 2025 stiegen die gesetzlichen Renten erneut um 3,74 Prozent. Grundlage ist wie jedes Jahr die Lohnentwicklung des Vorjahres, geregelt über die gesetzliche Rentenanpassungsformel. Eine Stopp‑Klausel existiert nicht und wurde politisch auch nie diskutiert.
Das Renteneintrittsalter bleibt bei maximal 67 Jahren. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf freiwillige Anreize für längeres Arbeiten. Mehr ist derzeit nicht geplant, auch wenn einzelne Stimmen aus der Wirtschaftsforschung einen Erhöhung auf 70 fordern.
Die Mindestversicherungszeit für die Regelaltersrente beträgt weiterhin fünf Jahre. Für andere Altersrenten gelten längere Wartezeiten – 35 bzw. 45 Jahre – doch eine pauschale Hürde von zehn Jahren stand nie im Gesetz.
Die Rentenbesteuerung steigt nur stufenweise. Seit der Reform 2023 erhöht sich der zu versteuernde Anteil für neue Rentenjahrgänge um jeweils 0,5 Prozentpunkte; erst bei Rentenbeginn im Jahr 2058 greift die volle Besteuerung. Eine abrupte Umstellung 2025 wäre ein klarer Bruch mit geltendem Recht.
Eine Pflicht zur zusätzlichen staatlichen Vorsorge existiert nicht. Zwar taucht die Idee einer Altersvorsorgepflicht für neue Selbstständige seit Jahren in Koalitionspapieren auf, doch sie wurde bis zum Ende der laufenden Legislatur nicht umgesetzt. Das Vorhaben ist mit dem vorzeitigen Wahltermin vertagt.
Rentenzahlungen ins EU‑Ausland bleiben exportierbar. Der Grundsatz der Leistungsexportierbarkeit ist unionsrechtlich verankert; Deutschland kann ihn nicht einseitig aushebeln.
Die Erwerbsminderungsrente wird nicht beschnitten – im Gegenteil: Ein zweistufiger Zuschlag erhöht bestehende EM‑Rentenzahlungen seit Juli 2024, ab Dezember 2025 wird er dauerhaft in die Berechnungsformel integriert.
Deutscher Bundestag
Warum solche Gerüchte funktionieren
Desinformationen arbeiten mit dem Prinzip des „False framing“: Ein seriös wirkendes Video, ein konkretes Datum, Fachbegriffe, dazu der Verweis auf ein angeblich gelöschtes Video.
Solche Elemente erzeugen Dringlichkeit und verleiten Empfängerinnen und Empfänger, die Botschaft weiterzuleiten, bevor sie sie prüfen. Die Motive reichen von politischer Stimmungsmache bis zu kommerziellen Klick‑Modellen.
Wie sich Fakten verifizieren lassen
Die sichersten Quellen sind amtliche Stellen: die Deutsche Rentenversicherung, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder der Bundestag. Alle Gesetzesänderungen müssen dort veröffentlicht werden. Wer auf Social‑Media‑Plattformen oder in Messaging‑Diensten eine brisante Behauptung liest, sollte deshalb zuerst in den offiziellen Portalen nachsehen – oder telefonische Auskunftsstellen nutzen.
Auch Faktencheck‑Redaktionen, etwa Correctiv, Rentenbescheid24, Gegen-Hartz oder die dpa‑Faktenchecker, entlarven immer wieder virale Falschmeldungen.
Folgen falscher Entscheidungen
Handlungen aus Angst – etwa das vorzeitige Kündigen von Versicherungen oder der vorschnelle Verzicht auf Anträge – können reale Schäden auslösen. Wer an der Schwelle zum Altersrentenbezug steht, sollte Entscheidungen zwingend erst nach Beratung durch die Rentenversicherung oder einen zugelassenen Rentenberater treffen.
Ausblick: Reformdebatte statt Tabubruch
Ob Rentenniveau, Beitragssatz oder die Rolle privater Vorsorge: Die Finanzierung der Alterssicherung bleibt ein offenes politisches Feld.
Doch selbst ambitionierte Reformpakete greifen nur nach ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren und unterliegen breiter parlamentarischer Kontrolle.
Ein heimlicher Schnellschuss in Gestalt einer plötzlichen Rentenkürzung ist ausgeschlossen. Wer sich informiert, kann gelassen bleiben – und muss nichts auf Falschaussagen von KI Videos bei YouTube geben.