Hartz IV-Skandal: Jobcenter verstoßen gegen das gesetzliche Arztgeheimnis

Lesedauer 2 Minuten

Wie der Sozialhilfeverein Tacheles e.V. kürzlich aufdeckte, versorgt ein Privatunternehmen das Jobcenter Wuppertal seit Jahren mit medizinischen Diagnosen von Hartz IV-Beziehern.

Diagnosen von Hartz IV-Beziehern nicht geschützt

Es geht um die Zusammenarbeit mit der Firma „bit gGmbH“. Nach eigenen Angaben begleitet die Firma Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in ihrem alten Beruf arbeiten können, zurück in das Arbeitsleben. Im Rahmen dieses Prozesses, finden allerdings auch arbeits- und sozialmedizinische Begutachtungen statt. Genau diese Diagnosen werden seit Jahren an das Jobcenter Wuppertal vermittelt. Die Firma bit gGmbH selbst bestätigt, dass es seit mehreren Jahren eine Zusammenarbeit mit der Behörde gebe. Ferner habe die Firma nach Angaben von Tacheles auch vermehrt amtsanmaßende Meldeaufforderungen versandt und Wuppertale Leistungsbeziehern mit Sanktionen gedroht. Dieser Verwaltungsprozess war ebenfalls mit dem Jobcenter abgestimmt.

Krankheiten unter Hartz IV-Beziehern weit verbreitet

Nachforschungen belegen, dass ein Großteil der Hartz IV-Bezieher an einer psychischen oder physischen Krankheit leidet. Die Auswertung mehrerer Studien im Jahr 2017, durch wissenschaftliche Dienste des Bundestages ergaben, dass Betroffene besonders häufig sanktioniert werden. Das verschlechtert den gesundheitlichen Zustand zusätzlich. Für gewöhnlich sind Gutachter und Ärzte an die ärztliche Schweigepflicht und Datenschutz gebunden. Dagegen hat das Wuppertaler Jobcenter seit Jahren in vermutlich tausenden Fällen verstoßen. Die Ergebnisse sozialmedizinsicher Untersuchungen wurden demnach an die Sachbearbeiter weitergeleitet.

Weitergabe von Diagnose widerspricht Datenschutz

Erlaubt ist die Weitergabe von Daten, die für die Leistungen relevant sind. Das heißt zum Beispiel, dass das Leistungsbild mit der Beurteilung „nicht über drei Stunden arbeitsfähig“ oder „vollschichtig arbeitsfähig“ weitergegeben darf. Das Unternehmen gab allerdings auch die genaue Diagnose, wie beispielsweise „aufgrund von Depressionen“, an das Jobcenter weiter. Das widerspricht dem Datenschutz. Eine genau Zahl der Verstöße gibt es nicht. Allerdings wurde die Firma „bit“ in den Jahren von 2014 bis 2017 rund 12.000 mal eingeschaltet. Im Jahr 2018 in knapp 3.500 Fällen. Jeder einzelne Fall könnte einen gravierenden Datenschutzverstoß bedeuten.

Tacheles will gesamtes Ausmaß aufdecken

Tacheles wandte sich mit seiner Vermutung an das Ministerium für Arbeit und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAIS) und bat um eine Überprüfung. Das Ministerium antwortete in einem Schreiben vom Februar 2019, dass die sozialmedizinische Stellungnahme für den Auftraggeber nur die vermittlungs- und beratungsrelevanten Funktionseinschränkungen und sozialmedizinische Beurteilung enthalten darf, welche für die Aufgabenerfüllung der Jobcenter Wuppertal AöR notwendig ist. Also das, was tatsächliche Auswirkungen auf den Leistungsbezug habe. Das bedeutet, dass die Weitergabe von Informationen in dem Ausmaß nicht hätte stattfinden dürfen.

Das Unternehmen erklärte bereits, dass fortan ein externer Datenschutzbeauftragter sicherstelle, dass keine entsprechenden Verstöße vorkommen. Für Tacheles ist der Fall damit nicht beendet. Der Verein möchte das gesamte Ausmaß feststellen. Schließlich ergaben die Untersuchungen, dass das Jobcenter rund 2,4 Millionen Euro an die besagte Firma gezahlt habe.

 

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...