Barrierereduzierung in den eigenen vier Wänden ist einer der wichtigsten Hebel, um schwerbehinderte und pflegebedürftige Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen – und ihre Angehörigen zu entlasten.
Der Gesetzgeber stellt dafür seit Jahren einen Zuschuss bereit, der 2025 von 4 000 € auf 4 180 € pro Maßnahme angehoben wurde. Doch obwohl die Mittel bundesweit verfügbar sind, bleiben sie laut Pflegestatistiken und Rückmeldungen aus Beratungsstellen vielfach ungenutzt.
Dieser Beitrag beleuchtet fundiert, was „wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“ rechtlich bedeuten, wer sie beantragen kann, welche Fallstricke zu beachten sind und weshalb eine kluge Argumentationsstrategie über den reinen Umbau hinaus entscheidend sein kann.
Inhaltsverzeichnis
Was hinter dem Begriff steckt
Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen sind bauliche oder technische Veränderungen in oder an einer Wohnung, die die häusliche Pflege überhaupt erst möglich machen, sie erheblich erleichtern oder eine möglichst eigenständige Lebensführung wiederherstellen.
Im Gegensatz zu transportablen Hilfsmitteln – etwa Rollatoren oder Duschhockern – sind sie fest mit der Immobilie verbunden; denkbar sind Rampen, Türverbreiterungen oder ein abgesenkter Küchenschrank. Rechtlich verankert ist der Zuschuss im § 40 Abs. 4 SGB XI.
Rechtsgrundlage und aktuelle Beträge
Der Paragraf legt nicht nur die Förderkriterien fest, sondern seit 1. Januar 2025 auch den neuen Höchstbetrag von 4 180 € je Maßnahme.
Leben mehrere Anspruchsberechtigte in einem Haushalt oder einer Pflege-WG, darf die Summe pro Person addiert werden, bis zu einem Gesamtdeckel von 16 720 €. Die Anpassung um 4,5 Prozent folgt der ersten Inflationsanpassung der Pflegeleistungen seit 2017.
Voraussetzungen
Ein gültiger Pflegegrad 1 bis 5 ist die erste Eintrittskarte. Darüber hinaus muss eines von drei Kriterien vorliegen: Entweder wird durch den Umbau die häusliche Pflege überhaupt erst ermöglicht, sie wird substanziell erleichtert, oder die Maßnahme stellt die Selbstständigkeit des Betroffenen zu einem wesentlichen Teil wieder her.
Ob diese Bedingungen erfüllt sind, prüft die Pflegekasse; bei komplexeren Umbauten schaltet sie den Medizinischen Dienst (MDK) oder eine Pflegefachkraft ein.
Wie viel Geld – und wie oft?
Der Zuschuss ist kein einmaliger „Lebensbonus“. Jede in sich abgeschlossene Umbaumaßnahme kann separat gefördert werden, sofern sich die Pflegesituation verändert.
Wer zunächst nur eine Rampe beantragt, kann später – etwa nach dem Übergang vom Gehstock zum Rollstuhl – eine breitere Küchentür oder einen barrierefreien Badumbau als neue, eigenständige Maßnahme durchsetzen. Entscheidend ist, dass die Antragsteller den veränderten Bedarf plausibel begründen und den zeitlichen Abstand dokumentieren.
Grenzen und Abgrenzungen
Nicht alles, was den Alltag angenehmer macht, ist förderfähig. Reine Schönheitsreparaturen wie frische Tapeten, Heizungsmodernisierungen oder der Austausch eines Kühlschranks gelten als allgemeine Instandhaltung oder Gebrauchsgegenstände.
Auch Maßnahmen, die zwar komfortabel, aber pflegerisch irrelevant sind – etwa eine Markise mit Elektroantrieb – fallen durch den Rost. Die Grauzone beginnt dort, wo ein Gerät fest verbaut wird und gleichzeitig Pflegefunktionen unterstützt; dann kann es als wohnumfeldverbessernde Maßnahme gelten, obwohl es normalerweise ein Einrichtungsgegenstand wäre.
Der Weg zum Zuschuss
Formell genügt ein formloses Schreiben an die eigene Pflegekasse. Darin sollten Name, Versichertennummer und Kontoverbindung stehen, eine präzise Beschreibung des Projekts sowie mindestens ein Kostenvoranschlag.
Ratsam ist, die Begründung knapp, aber schlüssig zu halten: je weniger Interpretationsspielraum für eine Ablehnung, desto besser. Liegen bereits frühere Maßnahmen vor, gehört eine klare Abgrenzung dazu, warum es sich diesmal um einen neuen Bedarf handelt.
Vielen Kassen reicht ein Kostenvoranschlag; ein ärztliches Attest ist nicht zwingend, kann die Plausibilität aber erhöhen.
Strategische Überlegungen bei mehreren Maßnahmen
Ob eine Pflegekasse zwei Umbauten als „eine große“ oder als „zwei getrennte“ Maßnahmen wertet, hängt weniger von der Bauphase als von der Argumentation ab.
Wer absehen kann, dass ein komplexer Krankheitsverlauf stufenweise Anpassungen verlangt, sollte die Meilensteine bewusst staffeln: Zuerst die Rampe, später der Badumbau. So bleibt das individuelle Förderbudget flexibel nutzbar, ohne dass unnötig Eigenmittel gebunden werden.
Tabelle: Was wird per Zuschuss gefördert?
Mögliche Maßnahme | Zweck / typischer Nutzen |
Einbau eines Treppenlifts | Überwindung mehrerer Etagen für Rollstuhlnutzende oder Menschen mit eingeschränkter Gehfähigkeit |
Installation einer fest betonierten Rampe am Hauseingang | Stufenloser Zugang zur Wohnung, Erleichterung für Rollstuhl, Rollator oder Gehhilfen |
Türverbreiterung und Abbau von Türschwellen | Freie Passage mit Rollstuhl oder Pflegebett, Vermeidung von Sturzgefahren |
Bodengleiche (barrierefreie) Dusche inklusive rutschhemmender Bodenfliesen | Gefahrloses Duschen ohne Einstiegskante, auch mit Duschstuhl oder Pflegeperson |
Austausch Teppichboden gegen glatten, rollstuhlgeeigneten Belag (z. B. Vinyl, Laminat) | Leichtes Vorankommen mit Rollstuhl, geringerer Kraftaufwand, weniger Stolperrisiko |
Montage von Haltegriffen und Stützklappgriffen im Bad | Sicheres Aufstehen, Hinsetzen und Umsetzen auf WC oder in Dusche |
Absenkbare oder unterfahrbare Küchenarbeitsplatte samt Hängeschränken | Selbstständiges Arbeiten im Sitzen oder Rollstuhl, Ergonomie in der Küche |
Automatischer Türöffner / Türschließer (Bluetooth / Funk) | Selbstständiges Betreten und Verlassen der Wohnung trotz Kraft- oder Feinmotorikeinschränkungen |
Umrüstung auf elektrisch bedienbare Rollläden | Eigenständige Licht- und Sichtregulierung ohne körperliche Belastung |
Einbau eines höhenverstellbaren WCs | Angepasste Sitzhöhe bei Muskel- und Gelenkproblemen, erleichtertes Umsetzen |
Anbringen von beidseitigen Handläufen im Treppenhaus | Sichere Fortbewegung bei eingeschränktem Gleichgewicht oder Kraftverlust |
Errichtung eines Plattform- oder Senkrechtlifts außen am Gebäude | Barrierefreier Zugang bei mehrstöckigen Altbauten ohne Innenraumlösung |
Installation von Bewegungs- und Orientierungsleuchten (Flur / Bad) | Vermeidung von nächtlichen Stürzen, bessere Orientierung bei Demenz |
Umbau der Badewanne zur begehbaren Dusche oder Einbau eines Badewannenlifts | Erhalt der Körperpflege bei eingeschränkter Beweglichkeit |
Entfernen von Schwellen, Türanschlägen oder Stolperkanten in Wohnräumen | Durchgängige Barrierefreiheit, geringeres Sturzrisiko für alle Mobilitätshilfen |
Montage eines Gegensprech- und Videosystems an der Haustür | Erhöhte Sicherheit und Selbstständigkeit beim Einlass von Besuch oder Pflegekräften |
Umzugskosten in eine rollstuhlgerechte Wohnung (inkl. Anpassungen vor Ort) | Sicherstellung der pflegegerechten Wohnsituation, Nähe zu Angehörigen oder Pflegeperson |
Einbau eines unterfahrbaren Waschbeckens mit Einhebelmischer | Waschplatznutzung im Rollstuhl, kraftsparende Armbewegungen |
Anpassung der Arbeitshöhe von Kleiderschränken oder Regalen | Erreichbarkeit alltäglicher Gegenstände ohne Leiter oder Überstrecken |
Vergrößerung und Verstärkung von Parkflächen (z. B. Absenken Bordstein) | Barrierefreier Zugang vom Fahrzeug zur Wohnung für Rollstuhl oder Gehhilfen |
Was nicht gefördert wird
Modernisierungen ohne direkten Pflegebezug, Beseitigung von Feuchteschäden, allgemeine energetische Sanierungen oder rein dekorative Maßnahmen stellen keinen Anspruch dar.
Auch der Austausch funktionsfähiger Heizungen oder herkömmlicher Haushaltsgeräte fällt aus dem Raster – es sei denn, sie sind untrennbarer Bestandteil eines Gesamtumbaus und pflegerelevant, was in Einzelfällen durch einen „Paketpreis“ verdeckt sein kann.
Die Pflegekasse prüft solche Grenzfälle streng und verlangt im Zweifel eine detaillierte Leistungsaufstellung.
Praxisbeispiele aus dem Alltag
Die Bandbreite an genehmigten Projekten reicht von bodengleichen Duschen über automatisch öffnende Haustüren bis zu höhenverstellbaren Küchenelementen. Bei fortschreitender Muskelschwäche kann ein Teppich durch einen glatten Rollstuhlboden ersetzt werden; bei neurologischen Erkrankungen hilft ein beleuchteter Sturzweg zur Toilette.
Eine Pflege-WG hat kürzlich einen Plattformlift für insgesamt 16 720 € gefördert bekommen, weil alle vier Bewohner Pflegegrade aufwiesen und ohne den Lift ihr Zimmer nicht mehr erreichen konnten. In anderen Fällen genügte ein Akku-Türöffner, ausgelöst per Smartphone, um die Selbstständigkeit zu sichern und das Pflegepersonal zu entlasten.
Ausblick und Fazit
Die leichte Erhöhung des Höchstbetrags 2025 ist ein Schritt nach vorn, kann jedoch die inflationsbedingten Mehrkosten größerer Umbauten kaum vollständig kompensieren. Umso wichtiger ist eine frühzeitige, bedarfsgerechte Planung, die alle Beteiligten – Pflegekasse, Vermieter, Handwerker und gegebenenfalls den MDK – einbindet.
Wer den Antrag präzise stellt, Veränderungen im Krankheitsverlauf dokumentiert und realistische Kostenvoranschläge beilegt, hat gute Chancen mehrere Zuschüsse im Lebenslauf zu erhalten. So wird das Zuhause zur tragenden Säule einer menschenwürdigen Pflege – finanziell unterstützt, aber nur dann wirksam, wenn Betroffene und Angehörige die Möglichkeiten konsequent ausschöpfen.