Schwerbehinderung: Schwerbehindertenausweis läuft ab – Das passiert dann mit der Rente

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Was passiert mit der Rente, wenn der Schwerbehindertenausweis abläuft oder der Grad der Behinderung (GdB) sinkt?

Die gute Nachricht zuerst: Ist die spezielle Altersrente für schwerbehinderte Menschen einmal bewilligt, bleibt sie Ihnen in der Regel erhalten.

Doch eine entscheidende Hürde gibt es: Der Schwerbehindertenstatus muss genau zum Rentenbeginn vorliegen.

Wer hat Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen?

Diese Rentenart soll Menschen unterstützen, deren Gesundheit es oft nicht zulässt, bis zur normalen Altersgrenze zu arbeiten. Sie können diese Rente beantragen, wenn Sie drei Bedingungen erfüllen:

1. Anerkannte Schwerbehinderung (GdB mindestens 50) zum Rentenbeginn:

Als schwerbehindert gilt in Deutschland, wer einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 hat. Diesen stellt das zuständige Landesamt für soziale Dienste (LAsD) oder eine vergleichbare Behörde auf Antrag fest.

Grundlage sind ärztliche Unterlagen und die VersorgungsmedizinVerordnung. Der Schwerbehindertenausweis dient als Nachweis. Wichtig: Der GdB 50 muss exakt am Tag des offiziellen Rentenbeginns vorliegen. Eine Gleichstellung mit einem GdB von 30 oder 40 reicht hierfür nicht aus.

2. Mindestens 35 Jahre Wartezeit:

Sie müssen mindestens 35 Jahre in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt oder entsprechende Zeiten gesammelt haben. Zu diesen 35 Jahren zählen viele rentenrechtliche Zeiten:

  • Beiträge aus Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit.
  • Zeiten der Kindererziehung (Kindererziehungszeiten).
  • Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege von Angehörigen.
  • Zeiten mit Bezug von Krankengeld, Übergangsgeld oder Arbeitslosengeld
  • (ALG I, eingeschränkt auch ALG II in der Vergangenheit).
  • Freiwillige Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen.
  • Monate aus Versorgungsausgleich bei Scheidung oder Rentensplitting.
  • Schul, Fachschul und Hochschulausbildung (Anrechnungszeiten).
  • Berücksichtigungszeiten (z.B. Erziehung eines Kindes unter 10 Jahren).

Diese Vielfalt an anrechenbaren Zeiten macht die Hürde von 35 Jahren für viele Menschen erreichbar, auch wenn sie nicht durchgehend arbeiten konnten.

3. Erreichen der Altersgrenze:

Das Alter für den Renteneintritt hängt von Ihrem Geburtsjahr ab. Die Altersgrenzen werden schrittweise angehoben. Sie können die Rente entweder abschlagsfrei zum regulären Zeitpunkt für Schwerbehinderte oder früher mit Abschlägen beziehen.

Tabelle 1: Altersgrenzen für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen

Geburtsjahr abschlagsfreie Rente ab (Alter) früheste Rente mit Abschlag ab (Alter)
bis 1951 63 Jahre 60 Jahre
1952 63 J. + 6 Mon. 60 J. + 6 Mon.
1953 63 J. + 7 Mon. 60 J. + 7 Mon.
1954 63 J. + 8 Mon. 60 J. + 8 Mon.
1955 63 J. + 9 Mon. 60 J. + 9 Mon.
1956 63 J. + 10 Mon. 60 J. + 10 Mon.
1957 63 J. + 11 Mon. 60 J. + 11 Mon.
1958 64 Jahre 61 Jahre
1959 64 J. + 2 Mon. 61 J. + 2 Mon.
1960 64 J. + 4 Mon. 61 J. + 4 Mon.
1961 64 J. + 6 Mon. 61 J. + 6 Mon.
1962 64 J. + 8 Mon. 61 J. + 8 Mon.
1963 64 J. + 10 Mon. 61 J. + 10 Mon.
ab 1964 65 Jahre 62 Jahre

Quelle: Angelehnt an Angaben der Deutschen Rentenversicherung und § 236a SGB VI / § 37 SGB VI

Jeder Monat, den Sie die Rente früher in Anspruch nehmen, kostet Sie 0,3 Prozent Ihrer Bruttorente – und das lebenslang. Der maximale Abschlag beträgt 10,8 Prozent.

Der Stichtag zählt: GdB 50 muss zum Rentenbeginn vorliegen

Es ist entscheidend: Der Status als schwerbehinderter Mensch (GdB 50 oder höher) muss genau an dem Tag vorliegen, an dem Ihre Rente offiziell beginnt. Dies ist gesetzlich in § 37 SGB VI (für ab 1964 Geborene) und § 236a SGB VI (für vor 1964 Geborene) festgelegt.

Das bedeutet konkret:
Hatten Sie früher GdB 50, aber zum Rentenstart nicht mehr? Dann haben Sie keinen Anspruch auf diese spezielle Rentenart.
Erhalten Sie den GdB 50 erst, nachdem Ihre Rente (z. B. eine Regelaltersrente) bereits begonnen hat? Dann wird Ihre bestehende Rente dadurch nicht automatisch in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen umgewandelt.

Diese strikte Regelung macht eine sorgfältige Planung notwendig. Besonders kritisch wird es, wenn Ihr GdB-Status kurz vor dem geplanten Renteneintritt überprüft wird oder ausläuft.

Einmal Rente, immer Rente: Der Bestandsschutz greift

Hier kommt die wichtige Entwarnung: Sobald die Altersrente für schwerbehinderte Menschen einmal bewilligt wurde, ist sie sicher. Auch wenn Ihr Grad der Behinderung später unter 50 sinkt oder der Schwerbehindertenausweis ungültig wird, behalten Sie Ihre Rente.

Ihre Rente wird dann nicht gekürzt. Sie werden auch nicht gezwungen, in eine andere Rentenart zu wechseln. Ein Wechsel von einer einmal bewilligten Altersrente in eine andere Altersrente ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 34 Abs. 2 SGB VI). Dieser sogenannte Bestandsschutz bietet Ihnen finanzielle Sicherheit für die Zukunft.

Risiko Heilungsbewährung: Wenn die Schwerbehinderung befristet ist

Ein häufiger Fall betrifft die “Heilungsbewährung”. Nach schweren Erkrankungen, insbesondere Krebs, aber auch nach Transplantationen oder bei bestimmten psychischen Erkrankungen, wird oft für eine bestimmte Zeit (meist 2 bis 5 Jahre) pauschal ein GdB von 50 oder höher anerkannt. Diese Zeit soll die Genesungsphase und das Risiko eines Rückfalls berücksichtigen.

Das Problem: Läuft die Heilungsbewährung ab, prüft das Amt den Gesundheitszustand neu. Wird der GdB dann unter 50 herabgesetzt, bevor die Rente beginnt, entfällt der Anspruch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die gute gesundheitliche Entwicklung ist erfreulich, kann aber die Rentenpläne durchkreuzen. Hier zählt wieder der Stichtag des Rentenbeginns.

Rettungsanker Schonfrist: Drei Monate extra Zeit

Was passiert, wenn der Bescheid über die Herabsetzung des GdB kurz vor dem Rentenstart kommt? Hier hilft § 199 SGB IX mit einer wichtigen Schutzfrist, der sogenannten “Schonfrist”.

Diese Regelung besagt: Selbst wenn der Bescheid, der Ihren GdB unter 50 senkt, rechtskräftig wird (also unanfechtbar ist), gelten Sie noch bis zum Ende des dritten vollen Kalendermonats nach Eintritt der Rechtskraft weiterhin als schwerbehindert.

Ein Beispiel:
Der Bescheid über die GdB-Senkung wird im März unanfechtbar.
Die Schonfrist läuft dann bis zum 30. Juni.
Eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen kann in diesem Fall noch bis zum 1. Juli beginnen.

Wichtig ist dabei: Sie können die Rechtskraft des Bescheids hinauszögern. Legen Sie fristgerecht Widerspruch gegen die Herabsetzung ein, bleibt Ihr alter GdB-Status zunächst bestehen. Wird der Widerspruch abgelehnt, können Sie Klage beim Sozialgericht einreichen.

Erst wenn das Verfahren endgültig abgeschlossen ist (z.B. durch rechtskräftiges Urteil oder Rücknahme der Klage), wird der Bescheid unanfechtbar und die dreimonatige Schonfrist beginnt zu laufen. Dieses Zusammenspiel aus Widerspruch, Klage und Schonfrist kann Ihnen wertvolle Zeit verschaffen, um den Rentenbeginn mit dem nötigen GdB 50 zu erreichen.

Was Sie jetzt unternehmen können: Praktische Tipps

Wenn Sie planen, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch zu nehmen, sollten Sie aktiv werden:

  • Prüfen Sie Ihre Unterlagen: Kontrollieren Sie die Gültigkeit Ihres Schwerbehindertenausweises und des Feststellungsbescheids über den GdB. Achten Sie auf eventuell vermerkte Nachprüfungstermine (oft bei Heilungsbewährung).
  • Ermitteln Sie Ihren Rentenbeginn: Klären Sie Ihr frühestmögliches Renteneintrittsalter – sowohl ohne als auch mit Abschlägen. Nutzen Sie die Rechner der Deutschen Rentenversicherung oder lassen Sie sich beraten.
  • Stellen Sie den Rentenantrag rechtzeitig: Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt, den Antrag etwa drei Monate vor dem gewünschten Rentenbeginn zu stellen.
  • Suchen Sie bei GdB-Überprüfung Rat: Erhalten Sie kurz vor Rentenbeginn Post vom Versorgungsamt wegen einer Nachprüfung oder Herabsetzung des GdB? Holen Sie umgehend Rat bei Sozialverbänden wie VdK oder SoVD oder bei spezialisierten Anwälten ein.
  • Nutzen Sie Rechtsmittel: Erwägen Sie Widerspruch und gegebenenfalls Klage gegen einen Herabsetzungsbescheid, um Ihren Status bis zum Rentenbeginn zu sichern.
  • Hinzuverdienst beachten: Seit 2023 können Sie zur Altersrente für schwerbehinderte Menschen unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass Ihre Rente gekürzt wird.
  • Gleichstellung verstehen: Mit einem GdB von 30 oder 40 können Sie unter Umständen Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz erhalten (“Gleichstellung”). Dies berechtigt aber nicht zur Altersrente für schwerbehinderte Menschen.