Können mehrere Teil-GdB-Werte von jeweils 20 zu einer Schwerbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 50 führen? Hierzu hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem Urteil klargestellt, dass eine solche Kombination grundsätzlich nicht ausreicht, um einen Gesamt-GdB von 50 zu begründen.
Inhaltsverzeichnis
Mehrere Teil-GdB von 20 sind keine ausreichende Grundlage für eine Schwerbehinderung
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg befasste sich in der Entscheidung (Az.: L 8 SB 211/13) mit der Frage, ob aus mehreren Teil-GdB-Werten von jeweils 20 ein Gesamt-GdB von 50 gebildet werden könne.
Das Gericht stellte klar, dass diese Vorgehensweise in der Regel nicht gerechtfertigt ist. Eine Wertigkeit, die die Schwelle zur Schwerbehinderung erreicht, wird bei einzelnen Funktionseinschränkungen dieser Art in der Regel nicht angenommen.
Der Verordnungsgeber stuft Behinderungen mit einem Teil-GdB von 20 als leichte Einschränkungen ein, die oftmals keine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung darstellen.
Daher ist es nicht angemessen, bei Vorliegen mehrerer solcher Behinderungen automatisch auf eine Schwerbehinderung zu schließen.
Fallbeispiel: Antrag auf Neufeststellung des GdB
Im zugrunde liegenden Fall beantragte der Kläger, geboren 1947, die Neufeststellung seines GdB aufgrund einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands. Das zuständige Versorgungsamt hatte für verschiedene Erkrankungen einen Gesamt-GdB von 40 festgestellt.
In seinem Antrag forderte der Kläger eine Erhöhung des GdB aufgrund weiterer Beschwerden wie Kopfschmerzen, stark schwankendem Blutdruck und einer zunehmenden depressiven Symptomatik. Das Landratsamt folgte dem Antrag jedoch nicht, und der Gesamt-GdB wurde weiterhin mit 40 festgesetzt.
Gutachten und Beurteilungen durch Ärzte
Im Verlauf des Verfahrens wurden verschiedene Gutachten eingeholt, unter anderem von Fachärzten für Innere Medizin, Psychiatrie und HNO-Heilkunde. Die Ergebnisse dieser Gutachten waren jedoch nicht eindeutig zugunsten des Klägers.
Der behandelnde Kardiologe berichtete, dass die Belastbarkeit des Klägers lediglich leicht eingeschränkt sei. Auch die psychiatrische Beurteilung ergab lediglich eine leichte psychische Beeinträchtigung, welche mit einem Teil-GdB von 20 bewertet wurde.
Der HNO-Arzt schätzte den Grad der Schwerhörigkeit ebenfalls nicht als ausreichend für eine Höherbewertung ein.
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Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht
Nach der Ablehnung des Antrags legte der Kläger Widerspruch ein und argumentierte, dass insbesondere die Beeinträchtigungen durch seine Herz- und Wirbelsäulenerkrankungen sowie seine Schwerhörigkeit nicht angemessen bewertet worden seien.
Im Widerspruchsverfahren wurde festgestellt, dass sich keine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustands nachweisen ließ, die eine Erhöhung des GdB rechtfertigen würde.
In der folgenden Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn argumentierte der Kläger, dass die Bewertung der Herzkrankheit und der Bluthochdruckerkrankung mit einem Teil-GdB von 30 sowie die Teil-GdB von jeweils 20 für die anderen Beeinträchtigungen in der Summe einen Gesamt-GdB von 50 rechtfertigen müssten.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht und bestätigte die Einschätzung des Gesamt-GdB von 40.
Gesetzliche Grundlagen zur Bildung des Gesamt-GdB
Die Bildung des Gesamt-GdB richtet sich nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG). Diese sehen vor, dass der Gesamt-GdB nicht einfach durch Addition der einzelnen Teil-GdB-Werte gebildet wird.
Vielmehr müssen die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen auf die Lebensführung insgesamt bewertet werden. Leichte Einschränkungen mit einem Teil-GdB von 20 führen nur in seltenen Ausnahmefällen zur Feststellung einer Schwerbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 50.
Ein Gesamt-GdB von 50 kann dann gebildet werden, wenn die einzelnen Beeinträchtigungen in ihrem Zusammenwirken eine erhebliche Einschränkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zur Folge haben. Bei mehreren leichten Einschränkungen, die jeweils mit einem Teil-GdB von 20 bewertet werden, ist dies jedoch in der Regel nicht der Fall.
Auswirkungen des Urteils auf die Praxis der GdB-Feststellung
Das Urteil des Landessozialgerichts verdeutlicht, dass mehrere leichte Funktionseinschränkungen nicht automatisch zu einer Schwerbehinderung führen. Insbesondere bei Teil-GdB-Werten von 20 ist eine Prüfung erforderlich, ob die einzelnen Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit eine erhebliche Einschränkung darstellen.
In der Praxis bedeutet dies für Betroffene, dass sie bei der Beantragung einer Erhöhung des GdB nicht allein auf die Anzahl der einzelnen Beeinträchtigungen verweisen können.
Keine Bindungswirkung der Teil-GdB-Bewertungen
Eine weitere Feststellung im Urteil kam zu dem Schluss, dass den für die einzelnen Funktionseinschränkungen festgesetzten Teil-GdB-Werten keine Bindungswirkung zukommt.
Das bedeutet, dass die Bewertung der einzelnen Beeinträchtigungen im Verlauf des Verfahrens geändert werden kann, sofern neue medizinische Erkenntnisse vorliegen. Im vorliegenden Fall wurde der Teil-GdB für die Herz- und Bluthochdruckerkrankung im Verlauf des Verfahrens von 30 auf 20 herabgesetzt, was letztlich zur Bestätigung des Gesamt-GdB von 40 führte.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.