Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern befasste sich mit einer Kündigung, die gegenüber einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin ausgesprochen wurde. Die Beklagte – eine Stadtverwaltung – hatte das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Rahmen der Probezeit beendet.
Die Klägerin wehrte sich gerichtlich dagegen. Das LAG erklärte die Kündigung für unwirksam, da die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. (Az: 5 Sa 127/22)
Warum ist die Anhörung bei Kündigungen schwerbehinderter Menschen so entscheidend?
Die Einbindung der Schwerbehindertenvertretung besitzt im Kündigungsverfahren von schwerbehinderten Beschäftigten einen hohen Stellenwert. Gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX müssen Arbeitgeber die Interessenvertretung unverzüglich und umfassend informieren und ihr die Gelegenheit geben, die beabsichtigte Entscheidung zu kommentieren. Unterbleibt diese Anhörung oder erfolgt sie nur unzureichend, gilt die Kündigung als unwirksam (§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
Sachverhalt: Wie kam es zur Auseinandersetzung?
Die Klägerin war seit dem 01.09.2021 in der allgemeinen Verwaltung einer Stadt in Vollzeit tätig. Das Versorgungsamt B. hatte ihr zeitlich befristet bis zum 31.10.2022 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt. Da die Klägerin ab dem 01.12.2021 durchgängig arbeitsunfähig war, stellte die Arbeitgeberin am 08.02.2022 beim Personalrat den Antrag auf Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung.
Parallel dazu erhielt die Schwerbehindertenvertretung ein Schreiben, in dem lediglich auf die Bitte um Zustimmung an den Personalrat verwiesen wurde. Weder wurde darin die Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung selbst beantragt, noch ausdrücklich um eine Stellungnahme gebeten.
Nachdem der Personalrat der Kündigung in seiner Sitzung – unter Teilnahme des Schwerbehindertenvertreters – nicht zugestimmt hatte, sprach die Beklagte am 21.02.2022 die ordentliche Kündigung zum 31.03.2022 aus. Das Arbeitsgericht erklärte diese Kündigung zunächst für unwirksam, woran sich die Beklagte mit einer Berufung beim LAG Mecklenburg-Vorpommern wandte. Die Berufung wurde jedoch zurückgewiesen.
Gerichtliche Begründung: Wann ist eine Kündigung unwirksam?
Das LAG stellte klar, dass die Schwerbehindertenvertretung lediglich über das laufende Beteiligungsverfahren beim Personalrat informiert worden war. Eine eigenständige Anhörung fand damit jedoch nicht statt. Die in § 178 Abs. 2 SGB IX geforderte Unterrichtung muss nach Auffassung des Gerichts so erfolgen, dass die Schwerbehindertenvertretung Gelegenheit erhält, ihre Sichtweise zu äußern.
Ein bloßes Weiterleiten der Unterlagen, die für den Personalrat oder Betriebsrat bestimmt sind, reicht nicht aus. Aus Sicht des Gerichts war weder dem Schreiben selbst noch dessen Wortlaut zu entnehmen, dass die Schwerbehindertenvertretung hiermit offiziell beteiligt oder gar um eine Stellungnahme gebeten worden wäre.
Warum reicht eine Kopie an die Schwerbehindertenvertretung nicht aus?
In dem Urteil wurde ausdrücklich betont, dass Anhörung bedeutet, die betroffene Interessenvertretung direkt um Stellungnahme zu bitten. Lediglich die Kenntnisnahme eines Schreibens, das an eine andere Vertretung gerichtet ist, erfüllt diesen Anspruch nicht.
Der Schwerbehindertenvertretung muss eindeutig vermittelt werden, dass sie sich zu der beabsichtigten Kündigung äußern kann und soll. Fehlt dieser Hinweis, greift die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Kündigung nach § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX.
Rechtsgrundlage und Analogie zur Betriebsratsanhörung
Für die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung gelten im Wesentlichen dieselben Anforderungen wie für die Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG. Arbeitgeber müssen ein eigenständiges Verfahren einleiten und dürfen sich nicht allein auf die Beteiligung anderer Gremien berufen.
Auch formale Kleinigkeiten wie Betreffzeilen oder der Hinweis auf die zutreffende Rechtsgrundlage (Sozialgesetzbuch IX statt nur Personalvertretungsgesetz) spielen eine Rolle, wenn es um die Wirksamkeit einer Kündigung geht.