Fรผr Menschen mit Schwerbehinderung plant die zukรผnftige Bundesregierung eine Anzahl Verbesserungen. CDU/CSU und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. In der SPD mรผssen noch die Mitglieder entscheiden, ob sie diesen akzeptieren, und die Union stimmt in einem Parteitag darรผber ab.
Dieser Entwurf enthรคlt ungewรถhnlich viele Punkte zur Inklusion von Menschen mit Schwerbehinderung. Manche davon sind konkret, andere wirken wie allgemeine Absichtserklรคrungen. Wir haben einige wichtige Ziele herausgestellt.
Inhaltsverzeichnis
Bekenntnis zur UN-Behindertenrechtskonvention
Wรถrtlich heiรt es โWir setzen uns fรผr eine inklusive Gesellschaft im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ein.โ Diese ist seit 2009 in Deutschland in Kraft und konkretisiert die allgemeinen und unverรคuรerlichen Menschenrechte fรผr die Situation der Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen.
Volle Teilhabe
Laut dem Entwurf sollen Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe verwirklichen kรถnnen. Dafรผr soll die Barrierefreiheit im รถffentlichen und privaten Raum verbessert werden.
Hier wird es konkret, denn das Behindertengleichstellungsgesetz soll ermรถglichen, dass โalle รถffentlich zugรคnglichen Bauten des Bundes bis 2035 barrierefrei gestaltet werden.โ Auch in der Privatwirtschaft soll auf Barrierefreiheit gedrรคngt werden.
Leichte Sprache und Gebรคrdensprache sollen ein eigenes โBundeskompetenzzentrumโ bekommen, das die Vermittlung und Entwicklung in besserer Form als bisher ermรถglicht und Fachwissen konzentriert.
Bessere Arbeitsmรถglichkeiten fรผr Menschen mit Behinderungen
Die Parteien haben sich darauf geeinigt, dass die Arbeit fรผr Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gestรคrkt und gefรถrdert wird. Dafรผr soll die Vernetzung zwischen den einzelnen Bereichen verbessert werden.
Dazu zรคhlen die einheitlichen Ansprechstellen fรผr Arbeitgeber mit Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und der Vermittlungstรคtigkeit der Bundesagentur fรผr Arbeit. Auรerdem sollen die Schwerbehindertenvertretungen gestรคrkt werden.
Die Bereiche berufliche Rehabilitation, Werkstรคtten fรผr behinderte Menschen, Inklusionsbetriebe und allgemeiner Arbeitsmarkt sollen verbessert werden. (Anmerkung: Heute kommen nur extrem wenige Menschen aus Werkstรคtten mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt, und dies kritisieren Sozialverbรคnde seit vielen Jahren).
Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Werkstรคtten fรผr behinderte Menschen zu reformieren und dafรผr zu sorgen, โdass mehr Menschen aus einer Werkstatt auf den Arbeitsmarkt wechseln kรถnnen.” Auรerdem soll das Werkstattentgelt erhรถht werden. Die โnachrangige Fรถrderung von Werkstรคtten und Wohnheimen fรผr Werkstattbeschรคftigte aus der Ausgleichsabgabe wird gesetzlich ermรถglicht.”
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Bessere Berufsbildung
Die berufliche Bildung von Menschen mit Behinderungen soll sich stรคrker auf den Arbeitsmarkt ausrichten, und auch bei รbergรคngen soll der Nachteilsausgleich erhalten bleiben. Hier gilt, laut Koalitionsvertrag: โWir werden die Teilhabechancen von Menschen mit komplexen Behinderungen verbessern.”
Digitale Barrierefreiheit
Bei der Entwicklung von KI-Systemen sollen die Belange von Menschen mit Behinderungen berรผcksichtigt werden. Zur digitalen Teilhabe steht im Entwurf: โWir unterstรผtzen den Erwerb digitaler Kompetenzen und eine barrierefreie digitale Infrastruktur am Arbeitsmarkt sowie in auรerbetrieblichen Bildungseinrichtungen.”
Versorgungslรผcken schlieรen
Zu Versorgungslรผcken heiรt es: โWir werden das Verhรคltnis von Eingliederungshilfe und Pflege zur Schlieรung von Versorgungslรผcken klรคren.โ Dabei sollen Leistungen stรคrker โaus einer Handโ erfolgen. Besonderes Augenmerk soll auf die โspezifischen Bedarfe von Menschen mit psychischen Beeintrรคchtigungen” gelegt werden.
Zur Beratung steht: โAuf der Basis der Evaluation werden wir die ergรคnzenden unabhรคngigen Teilhabeberatungsstellen weiterentwickeln und ihre Finanzierung sicherstellen.โ
Verbesserter Gewaltschutz
Bei den Aussagen zum Gewaltschutz bezieht der Koalitionsvertrag explizit Menschen mit Behinderungen als besonders verletzliche Gruppe ein. Geplant ist bei โKindern, gebrechlichen Menschen und Menschen mit Behinderung (…) ein neues Qualifikationsmerkmal bei den Tatbestรคnden von Mord und prรผfen dies bei gefรคhrlicher Kรถrperverletzung und schwerem Raub.”
Fazit
Im Vorfeld hatten viele Menschen mit Behinderung die Sorge, dass ihre Belange bei der Bildung einer neuen Bundesregierung unter den Tisch fallen. Der Koalitionsvertrag zeigt aber, dass CDU/CSU viele Punkte aufgreifen, auf die Verbรคnde von Menschen mit Behinderungen immer wieder hinweisen.
Dazu zรคhlen die digitale Barrierefreiheit, die Reform der Werkstรคtten fรผr Menschen mit Behinderung, ein verbesserter Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt, Nachteilsausgleiche fรผr Menschen mit psychischen Behinderungen sowie Durchlรคssigkeit und Vernetzung der zustรคndigen Instanzen. Auch Gewaltverbrechen gegen Menschen mit Behinderungen rechtlich zu fassen, fordern Betroffene seit Langem, und der Vertrag hat dies aufgenommen.
Wie die Koalition die einzelnen Absichten umsetzen wird, werden Gesetze festlegen, die der Bundestag beschlieรt. Auch eine Zustimmung der Mitglieder der SPD und des Parteitags der CDU/CSU bleibt abzuwarten.
Klar ist indessen: Der Wille, die Rechte und die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu verbessern, ist bei den Koalitionspartnern vorhanden. In den nรคchsten Monaten geht es darum, Druck auf die Beteiligten auszuรผben, die von ihnen formulierten Ziele auch praktisch anzugehen.