Enttäuschung und Jubel: Weitreichende Änderungen bei der Rente

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Die nun doch unerwartet zügige Einigung zwischen Union und SPD zum Koalitionsvertrag hat viele überrascht. Die Überschrift des Koalitionsvertrages „Verantwortung für Deutschland“ lässt bereits erahnen, dass weitreichende Entscheidungen anstehen und insbesondere die Rentenpolitik einen wichtigen Stellenwert einnimmt.

Nach vielen Debatten stehen nun konkrete Pläne im Koalitionsvertrag, die sowohl aktuelle als auch künftige Rentenbezieherinnen und -bezieher betreffen.

Wie stabil bleibt das Rentenniveau?

Im Koalitionsvertrag wird deutlich, dass Union und SPD das derzeitige Rentenniveau bis 2031 beibehalten möchten. Die Parteien versprechen, so die Belastungen für künftige Generationen in einem kalkulierbaren Rahmen zu halten.

Die Finanzierung soll über Steuergelder erfolgen, wodurch zumindest offiziell keine zusätzlichen Abzüge bei den Versicherten zu erwarten sind.

Diese Entscheidung ist eine Fortsetzung der Politik, das Rentensystem auf mehreren Säulen abzustützen und die Alterssicherung langfristig zu garantieren.

Dennoch stellt sich die Frage, wie realistisch eine solche Herangehensweise auf Dauer ist, zumal das demografische Ungleichgewicht – der Renteneintritt der Babyboomer – in den kommenden Jahren noch stärker zu Buche schlagen wird.

Was bringt die neue Frühstartrente für Familien?

Die Einführung einer sogenannten Frühstartrente wurde per Koalitionsvertrag als Vorhaben beschlossen.

Ab Januar 2026 soll für jedes Kind im Alter von sechs bis 18 Jahren, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, monatlich ein fester Betrag in Höhe von zehn Euro in ein individuelles, privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot eingezahlt werden.

Diese Einzahlungen erfolgen steuerfinanziert und sind vor staatlichem Zugriff geschützt. Ab dem 18. Lebensjahr können die Versicherten den angesparten Betrag selbst weiter ausbauen, bis das reguläre Rentenalter erreicht ist.

Die Erträge aus diesem Depot bleiben bis zur Rente steuerfrei. Diese Maßnahme spiegelt das politische Ziel wider, mehr Eigenverantwortung in der Vorsorge zu fördern, gleichzeitig wird aber auf eine obligatorische, staatlich überwachte Anlage verwiesen.

Welche Änderungen sind für die betriebliche Altersversorgung geplant?

Die Koalitionsparteien möchten die betriebliche Altersversorgung insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen attraktiver machen. Geringverdienende sollen zusätzlich motiviert werden, an diesem System teilzuhaben.

Noch liegen nicht alle Details offen, aber es zeichnet sich ab, dass steuerliche Anreize und möglicherweise vereinfachte Rahmenbedingungen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein zentraler Bestandteil der Reform sein könnten.

Diese Ankündigungen dürften auf Zustimmung bei jenen stoßen, die eine breitere Beteiligung an der zweiten Säule der Alterssicherung fordern.

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Kommt es zu Veränderungen beim Renteneintrittsalter?

Die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit 45 Beitragsjahren bleibt erhalten.

Dies entspricht einer Fortführung des bisherigen Modells und verhindert größere Einschnitte für diejenigen, die bereits viele Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben.

Bei der Rente mit 63, die aktuell mit Abschlägen und einer Mindestwartezeit von 35 Beitragsjahren einhergeht, hatten einige erwartet, dass diese im Koalitionsvertrag verschärft oder angehoben werden würde.

Doch die Befürchtungen haben sich nicht bestätigt: Ein schrittweiser Anstieg auf 65 Jahre ist nicht geplant. Ebenso sind keine Erhöhungen von Abschlägen vorgesehen, was für Betroffene eine gewisse Planungssicherheit bedeutet.

Was genau steckt hinter der Aktivrente?

Ein weiteres neues Element ist die Aktivrente. Für Menschen, die über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus freiwillig weiterarbeiten möchten, sollen klare Anreize geschaffen werden.

Vorgesehen ist eine steuerfreie Einkommensgrenze von 2000 Euro pro Monat für Erwerbstätige, die bereits im gesetzlichen Rentenalter sind.

Auch das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot soll aufgehoben werden, was eine direkte Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze erleichtert.

Dadurch sollen erfahrene Fachkräfte länger im Arbeitsmarkt gehalten werden, was angesichts des Fachkräftemangels ein wichtiger Schritt sein könnte.

Mütterrente 3 kommt

Mit der Mütterrente 3 planen Union und SPD eine Angleichung der Ansprüche für alle Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden.

Der Koalitionsvertrag sieht nun drei Entgeltpunkte vor, was als eine Frage der Gerechtigkeit und Wertschätzung kommuniziert wird. Die Finanzierung dieser Maßnahme soll vollständig aus Steuermitteln erfolgen.

Damit folgt die neue große Koalition einem Ansatz, der die Leistungen für die Erziehungsjahre stärker honoriert, ohne den Beitragszahler unmittelbar zusätzlich zu belasten.

Was ändert sich bezüglich der Rente für Selbstständige?
Die Einbeziehung neuer Selbstständiger in die gesetzliche Rentenversicherung ist ein weiterer Schritt, um Altersarmut und Versorgungslücken zu vermeiden.

Wer keiner bereits bestehenden Pflichtversicherung wie einer berufsständischen Versorgung unterliegt, soll automatisch in das System integriert werden.

Wer hingegen anderweitig abgesichert ist, muss nicht zwangsweise wechseln. Der Gesetzgeber will auf diese Weise das Risiko senken, dass es durch fehlende oder unzureichende Vorsorge später zu staatlichen Sozialleistungen kommt.

Dennoch bleibt offen, inwieweit Selbstständige mit höheren Einkünften bereit sind, sich einem System anzuschließen, das aktuell sehr stark auf dem Umlageprinzip fußt.

Enttäuschung: Grundlegendes wird nicht reformiert

Trotz der beschriebenen Neuerungen wird eine Reformfrage erneut nicht beantwortet: Das Schließen der Rentenlücke durch eine einheitliche Erwerbstätigenversicherung für alle, einschließlich Beamtinnen und Beamten sowie Politikerinnen und Politiker.

Zwar wird seit Jahren darüber diskutiert, wie sich die Belastungen des demografischen Wandels gerechter verteilen lassen. Doch erneut verzichtet die Koalition auf eine grundlegende Systemveränderung.

Diese Zurückhaltung mag im Hinblick auf die schnelle Einigung und den großen politischen Widerhall verständlich sein, dennoch bleibt die Kritik bestehen, dass hier eine wichtige Chance vertan wurde, eine langfristig tragfähige Rentenarchitektur zu schaffen.

Zwar finden sich einige Verbesserungen im Koalitionsvertrag, doch die drängendsten strukturellen Probleme werden erneut aufgeschoben. Mit Blick auf die anstehende Pensionierungswelle der Babyboomer stehen die Verantwortlichen vor enormen Herausforderungen.

Ohne eine breite Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung könnte sich das Defizit im Umlagesystem weiter vergrößern.

Der Koalitionsvertrag bietet somit Licht und Schatten: Einigen Fortschritten in Detailfragen steht die Vertagung der großen, grundlegenden Reformen gegenüber.

Wie geht es jetzt weiter?

Viele Menschen, die in den kommenden Jahren in Rente gehen, werden genau beobachten, ob die geplanten Maßnahmen im Alltag tatsächlich greifen. Gleichzeitig sind künftige Generationen gefragt, ihren Beitrag zur eigenen Vorsorge zu leisten.

Der Koalitionsvertrag gibt einige erste Richtungen vor, lässt jedoch viele Fragen unbeantwortet. Ob das Konzept „Verantwortung für Deutschland“ die gewünschten Ergebnisse bringt, wird sich erst zeigen, wenn sich das neue Rentensystem den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft stellen muss.