Menschen mit einer Behinderung oder Schwerbehinderung stehen im Alltag hรคufig vor organisatorischen und finanziellen Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, in der Steuererklรคrung alle vorhandenen Entlastungen konsequent zu nutzen.
Die Regeln sind nicht immer selbsterklรคrend, doch mit einem klaren รberblick lassen sich die wesentlichen Vorteile zuverlรคssig ausschรถpfen.
Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt erklรคrt die Pauschalen, Alternativen mit tatsรคchlichen Kosten, die speziellen Regelungen zu Fahrtkosten sowie die Entlastungen fรผr pflegende Angehรถrige โ Schritt fรผr Schritt und ohne rechtliche Verklausulierungen.
Tabelle: Alle Steuervorteile bei Behinderung in 2025
Hier eine รbersicht mit den wichtigsten steuerlichen Vergรผnstigungen fรผr schwerbehinderte Menschen im Jahr 2025:
Steuervergรผnstigung | Inhalt / Hรถhe (Stand 2025) |
Behinderten-Pauschbetrag | Ab GdB 20 mรถglich; gestaffelt vonย 384 โฌย (GdB 20) bisย 2.840 โฌ (GdB 100). Fรผr Blinde, Taubblinde oder Hilflose pauschal 7.400 โฌ. |
Tatsรคchliche Kosten als auรergewรถhnliche Belastungen | Statt Pauschbetrag: Abziehbar sind nachgewiesene Kosten (z. B. Arztbehandlungen, Hilfsmittel, Medikamente, Fahrtkosten). Abzรผglich zumutbarer Eigenanteil, abhรคngig von Einkommen, Familienstand, Kinderzahl. |
Fahrtkostenpauschale | Bei GdBย โฅ 80ย oderย GdB 70 mit Merkzeichen G: pauschalย 900 โฌย jรคhrlich, ohne Einzelnachweise. |
Kilometerpauschale | Fรผr behinderungsbedingte Privatfahrten gilt seit 2021 ausschlieรlich die Pauschale (900 โฌ/4.500 โฌ). Krankheitsbedingte Fahrten kรถnnen weiterhin mit 0,30 โฌ/km als auรergewรถhnliche Belastungen geltend gemacht werden (mit Nachweisen) |
Erhรถhte Fahrtkostenpauschale | Bei Merkzeichenย aG (auรergewรถhnlich gehbehindert),ย Bl (blind)ย oderย H (hilflos): pauschalย 4.500 โฌย jรคhrlich, ohne Nachweise. |
Pflegepauschbetrag | Fรผr pflegende Angehรถrige, wenn Pflege unentgeltlich erfolgt:ย 600 โฌย (Pflegegrad 2),ย 1.100 โฌ(Pflegegrad 3),ย 1.800 โฌย (Pflegegrad 4 und 5). |
Tatsรคchliche Pflegekosten | Statt Pauschbetrag: Nachgewiesene, selbstgetragene Pflegekosten (z. B. Heimkosten), abzรผglich Erstattungen und zumutbarem Eigenanteil. |
Behinderten-Pauschbetrag nutzen
Der Behinderten-Pauschbetrag ist fรผr viele Betroffene die zentrale Stellschraube. Er gewรคhrt einen pauschalen Betrag, der ohne Einzelnachweise die typischen Mehraufwendungen aufgrund einer Behinderung abdeckt. Anspruch besteht bereits ab einem anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 20.
Die Hรถhe des Pauschbetrags steigt mit dem GdB an: Bei GdB 20 sind es 384 Euro pro Jahr, bei GdB 50 zum Beispiel 1.140 Euro und bei GdB 100 2.840 Euro. Fรผr blinde oder gehรถrlose Menschen sowie fรผr als hilflos eingestufte Personen gibt es darรผber hinaus einen besonderen Hรถchstbetrag von 7.400 Euro.
Die Pauschale ist bewusst unkompliziert gestaltet. Sie wird fรผr den allgemeinen Lebensunterhalt gewรคhrt und verlangt keine Belegsammlung. In der Praxis genรผgt es, den anerkannten GdB und gegebenenfalls Merkzeichen anhand des Feststellungsbescheids oder Schwerbehindertenausweises in der Steuererklรคrung anzugeben.
Wenn die Pauschale nicht reicht: auรergewรถhnliche Belastungen mit Belegen
Nicht immer bildet die Pauschale die tatsรคchlichen, individuellen Aufwendungen realistisch ab. Wer hรถhere nachweisbare Kosten hatte, kann statt der Pauschale die tatsรคchlichen Aufwendungen als sogenannte auรergewรถhnliche Belastungen geltend machen.
Dazu gehรถren unter anderem Ausgaben fรผr รคrztliche Behandlungen, Sehhilfen und Brillen, Hรถrgerรคte, Gehhilfen, Physiotherapie, Medikamente sowie krankheits- oder behinderungsbedingte Fahrten.
Anders als bei der Pauschale verlangt das Finanzamt hier Belege und prรผft, ob es Erstattungen gab. Nur selbstgetragene Kosten sind abzugsfรคhig; Zahlungen der Krankenkasse, der Pflegeversicherung oder anderer Trรคger mindern den absetzbaren Betrag.
Auรerdem berรผcksichtigt das Finanzamt einen โzumutbaren Eigenanteilโ, der sich nach Familienstand, Kinderzahl und Einkommenssituation richtet. Erst Aufwendungen oberhalb dieser persรถnlichen Grenze wirken sich steuermindernd aus.
In Beispielrechnungen kann dieser Eigenanteil durchaus einige hundert Euro betragen โ exemplarisch sind etwa 792 Euro denkbar โ, die konkrete Hรถhe ist aber stets individuell.
Wichtig ist das Wahlrecht: Entweder Pauschbetrag oder tatsรคchliche Kosten โ eine gleichzeitige Geltendmachung fรผr denselben Lebenssachverhalt ist ausgeschlossen. Wer regelmรครig hohe, belegbare Aufwendungen trรคgt, sollte die Summe mit der einschlรคgigen Pauschale vergleichen und die gรผnstigere Variante wรคhlen.
Fahrtkosten: von der Pauschale bis zum Kilometernachweis
Fahrten hรคngen eng mit der Lebensrealitรคt vieler Betroffener zusammen, etwa zu รrzten, Therapien oder Behรถrden. Seit dem Steuerjahr 2021 gibt es hierfรผr eine behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale von 900 Euro jรคhrlich. Voraussetzung ist ein GdB von mindestens 80 oder ein GdB von 70 in Verbindung mit dem Merkzeichen โGโ.
Diese Pauschale deckt behinderungsbedingte Fahrten bis ungefรคhr 3.000 Kilometer im Jahr ab, ohne dass Einzelnachweise vorzulegen sind.
Wer deutlich mehr unterwegs ist oder abweichende Konstellationen hat, kann alternativ die tatsรคchlichen Fahrten mit 30 Cent je gefahrenem Kilometer geltend machen. In diesem Fall sind Nachweise erforderlich โ etwa in Form eines einfachen Fahrtenprotokolls, Terminzetteln oder รคhnlichen Unterlagen, die Anlass und Strecke plausibel belegen.
Fรผr Menschen mit den Merkzeichen โaGโ (auรergewรถhnlich gehbehindert), โBlโ (blind) oder โHโ (hilflos) gilt eine weitergehende Vereinfachung: Sie kรถnnen pauschal 4.500 Euro pro Jahr fรผr Fahrten ansetzen, ebenfalls ohne Einzelnachweise.
Damit entfรคllt in der Regel die Notwendigkeit, einzelne Wege zu dokumentieren; die Pauschale soll den deutlich erhรถhten Mobilitรคtsbedarf pauschal abbilden.
Pflegekosten und Pflegepauschbetrag: Entlastung fรผr Angehรถrige
Nicht jede Behinderung geht mit Pflegebedรผrftigkeit einher. Wo dies aber der Fall ist, spielen zusรคtzlich die Regeln zur Pflege steuerlich eine Rolle.
Pflegende nahe Angehรถrige kรถnnen einen Pflegepauschbetrag erhalten, sofern zwei Bedingungen erfรผllt sind: Die Pflege erfolgt hรคuslich โ entweder im Haushalt der pflegenden Person oder der gepflegten Person โ und die Pflege wird unentgeltlich geleistet. Eine Vergรผtung wรผrde den Anspruch ausschlieรen; das an Eltern gezahlte Pflegegeld fรผr ein pflegebedรผrftiges Kind gilt dabei nicht als schรคdliche Gegenleistung.
Die Hรถhe des Pflegepauschbetrags richtet sich nach dem Pflegegrad der gepflegten Person. Ab Pflegegrad 2 betrรคgt der Pauschbetrag 600 Euro im Jahr, bei hรถherer Einstufung 1.100 Euro und bei den Pflegegraden 4 und 5 1.800 Euro.
Der Pflegepauschbetrag wirkt ohne Anrechnung eines zumutbaren Eigenanteils und ohne Belegpflicht; er dient der typisierenden Abgeltung รผblicher Pflege-Mehrbelastungen in der hรคuslichen Umgebung.
Wer auรergewรถhnlich hohe Pflegekosten trรคgt โ etwa durch eine teure Heimunterbringung mit erheblichem Eigenanteil โ kann statt der Pauschale die tatsรคchlichen Aufwendungen als auรergewรถhnliche Belastungen absetzen.
Wie bei allen tatsรคchlichen Kosten gilt: Erstattungen, etwa aus Pflegekasse oder privaten Versicherungen, sind im Vorfeld abzuziehen. Und anders als beim Pflegepauschbetrag greift bei tatsรคchlichen Pflegekosten wieder der zumutbare Eigenanteil.
Nachweise, Dokumentation und praktische Hinweise
Die Erfahrung zeigt: Je klarer die Unterlagen, desto reibungsloser die Veranlagung. Wer mit Pauschalen arbeitet, braucht in der Regel nur die amtliche Anerkennung der Behinderung beziehungsweise der Merkzeichen.
Fรผr tatsรคchliche Kosten empfiehlt sich eine geordnete Belegsammlung โ Rechnungen, Zahlungsnachweise, รคrztliche Verordnungen โ sowie eine รผbersichtliche Aufstellung fรผr das Finanzamt.
Bei Fahrten mit Kilometernachweis erleichtert ein schlichtes Protokoll die Anerkennung. Erstattungen sollten von Anfang an den jeweiligen Ausgaben zugeordnet werden, damit Doppelansprรผche vermieden und Rรผckfragen entbehrlich werden.
Ebenfalls sinnvoll ist der jรคhrliche Vergleich: Wie hoch sind die real entstandenen Kosten im Verhรคltnis zu den einschlรคgigen Pauschalen? Wer diese Frage bewusst beantwortet, verschenkt keine Entlastung. Moderne Steuersoftware fragt die relevanten Angaben zu GdB, Merkzeichen, Fahrt- und Pflegepauschalen frรผh ab und hilft, das gรผnstigere Verfahren zu identifizieren. Am Ende entscheidet aber stets die individuelle Situation.
Bewusst wรคhlen, sorgfรคltig dokumentieren
Das deutsche Steuerrecht hรคlt fรผr Menschen mit Behinderung und ihre Familien mehrere wirksame Entlastungsinstrumente bereit. Der Behinderten-Pauschbetrag schafft schnelle und unbรผrokratische Abhilfe. Wo die Realitรคt teurer ist, bieten auรergewรถhnliche Belastungen mit Belegen eine passgenauere Alternative โ unter Anrechnung des zumutbaren Eigenanteils.
Die Fahrtkostenpauschalen und die Mรถglichkeit des Kilometernachweises berรผcksichtigen den erhรถhten Mobilitรคtsbedarf, wรคhrend der Pflegepauschbetrag hรคusliche, unentgeltliche Pflege anerkennt.
Wer die eigenen Verhรคltnisse nรผchtern betrachtet, Belege ordentlich sammelt und zwischen Pauschale und Einzelnachweis bewusst wรคhlt, nutzt die Spielrรคume des Gesetzes effektiv aus โ und reduziert die Steuerlast dort, wo Mehraufwendungen tatsรคchlich anfallen.