Drei Millionen Menschen in Deutschland sind erwerbsfรคhig und haben eine anerkannte Schwerbehinderung. Weniger als jeder und jede zweite von ihnen geht einer Erwerbsarbeit nach. Am Arbeitsplatz gibt es fรผr diese Menschen Nachteilsausgleiche, um ihnen eine faire Behandlung zukommen zu lassen.
Behinderung ist ein Funktionsdefizit
Inhaltsverzeichnis
Bei der Feststellung einer Behinderung und ihres Grades entscheidet nicht die jeweilige Erkrankung, sondern die Einschrรคnkungen, die der oder die Betroffene dadurch hat. Es geht also um ein Funktionsdefizit, das lรคnger als sechs Monate anhรคlt und darum, wie sich dieses auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auswirkt.
Wann gilt jemand als schwerbehindert?
Die jeweiligen Versorgungsรคmter stellen die Schwere der Behinderung fest und notieren diese anhand einer Zehnerskala. Liegt der Grad der Behinderung bei 50 oder darรผber, dann ist eine Schwerbehinderung anerkannt, und dafรผr schreibt das Bundesversorgungsgesetz den Nachteilsausgleich vor.
Nachteilsausgleich bei der Arbeit
Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung werden juristisch vor Diskriminierung geschรผtzt und dรผrfen bei der Arbeit keine Nachteile aufgrund ihrer Behinderung erfahren. Deshalb gelten fรผr sie besondere Rechte.
Sie haben einen auรergewรถhnlichen Kรผndigungsschutz, einen steuerlichen Pauschbetrag, einen zusรคtzlichen Urlaub von fรผnf Tagen, und sie sind berechtigt, finanzielle Unterstรผtzung zu erhalten, um ihren Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten.
Der besondere Kรผndigungsschutz
Fรผr Menschen mit Schwerbehinderung gilt ein besonderer Kรผndigungsschutz. Bevor Arbeitgeber kรผndigen, mรผssen Sie erst einen Antrag beim Integrationsamt stellen. Der Grund: Aus Schutz vor Diskriminierung dรผrfen Arbeitnehmer nicht wegen ihrer Behinderung gekรผndigt werden, und das Integrationsamt prรผft, ob der / die Beschรคftigte wegen der Behinderung gekรผndigt werden soll. Ist dies der Fall, dann kann das Integrationsamt die Kรผndigung ablehnen.
Gibt es im Betrieb eine Schwerbehinderten-Vertretung, dann darf es keine Kรผndigung von Schwerbehinderten geben, ohne diese Vertretung darรผber zu informieren. Eine Kรผndigung ohne Beteiliggung der Vertretung ist unwirksam.
Dieser besondere Kรผndigungsschutz gilt ausdrรผcklich auch, wenn Arbeitgeber nichts von der Schwerbehinderung wussten. Sie kann auch bereits ab einem Grad der Behinderung von 30 gelten. Dann mรผssen diese aber mit einem Menschen mit Schwerbehinderung gleichgestellt sein.
Zusรคtzlicher Urlaub
Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung haben regulรคr einen zusรคtzlichen Anspruch auf fรผnf Tage mehr bezahlten Urlaub im Jahr bei einer Fรผnf-Tage-Woche.
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Der Pauschbetrag
Menschen mit Behinderungen kรถnnen einen Freibetrag als Lohnsteuerabzugsmerkmal beim Finanzamt melden. Dieses teilt ihn elektronisch dem Arbeitgeber mit, und der bezieht ihn in die Lohnabrechnung ein. Oder aber der Freibetrag wird rรผckwirkend angerechnet.
1. Der jeweilige Freibetrag richtet sich nach dem Grad der Behinderung. Bei einer Schwerbehinderung bedeutet das: Bei einem GdB 50 sind es 1.140 Euro.
2. Bei einem GdB von 60 steigt der Freibetrag auf 1.440, und bei GdB 70 auf 1.780 Euro.
3. Mit einem GdB von 80 werden 2.120 Euro als Freibetrag berechnet, bei einem GdB von 90 bereits 2.460 Euro. Bei GdB 100 betrรคgt der Freibetrag 2.840 Euro.
Bei Behinderungen mit Merkzeichen H, BI oder TBl gibt es sogar einen Freibetrag von 7.400 Euro, unabhรคngig vom Grad der Behinderung.
Vorzeitige Rente
Rentenversicherte mit Schwerbehinderung kรถnnen zwei Jahre frรผher in Rente gegen als Versicherte ohne Schwerbehinderung. Dazu mรผssen sie allerdings die Wartezeit von 35 Jahren erfรผllen – so wie andere Rentenberechtigte auch.
Welche Krankheiten gelten als Schwerbehinderungen?
Zu den Erkrankungen, bei denen eine Schwerbehinderung vorliegt, also ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr, zรคhlen zum Beispiel chronische Darmerkankungen wie Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn. Auch eine chronische stark entzรผndliche Hepatitis fรผhrt zu einem Grad der Behinderung von mindestens 50.
Weitere Beispiele: Menschen, die von schwerer Migrรคne geplagt werden, mit kurzen Intervallen der Anfรคlle รถnnen einen Grad der Behinderung von 50 bis 60 bekommen. Rheumatische Erkrankungen und Krebs fรผhrt zur Feststellung von Schwerbehinderung.
Multiple Sklerose wird schon im Frรผhstadium als Schwerbehinderung mit Grad 50 bis 70 eingestuft, ein amputierter Arm mit 50-80. Auch fรผr eine hochgradige Schwerhรถrigkeit auf beiden Ohren gilt ein Grad der Behinderung von 50-80.
Wie sieht der Einzelfall aus?
Bei vielen Erkrankungen kommt es auf die konkrete Untersuchung und den Einzelfall an, ob eine Schwerbehinderung mit einem Grad von mindestens 50 festgestellt wird. So kann ein amuptiertes Bein mit 40 bewertet werden (Behinderung, aber keine Schwerbehinderung), oder auch mit 60 (Schwerbehinderung).
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universitรคt Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen fรผr ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.