Stellen Sie sich vor: Sie öffnen den Briefkasten, die nächste Mahnung der Krankenkasse liegt drin. Die Summe ist längst vierstellig, dazu ein Hinweis: „Ihr Leistungsanspruch ruht.“ Sie fragen sich, wie Sie ärztliche Behandlung, Rezepte oder Zahnersatz bezahlen sollen, während die Rückstände weiter wachsen.
Genau an diesem Punkt setzt der folgende Beitrag an: Er zeigt, warum das Mahnschreiben kein Schicksal ist und welche gesetzlich verankerten Hebel Sie sofort nutzen können.
Ihr erster Schritt: Überblick schaffen
Nehmen Sie die Forderungsaufstellung genau unter die Lupe. Verlangen Sie von der Kasse eine schriftliche Liste, die Hauptforderung, Säumniszuschläge und Mahnkosten getrennt ausweist. Das hat zwei Vorteile: Erstens erkennen Sie, welcher Teil der Summe verhandelbar ist. Zweitens liegt damit ein Dokument auf dem Tisch, auf das Sie sich in jedem weiteren Schreiben beziehen können.
Schon diese Nachfrage stoppt häufig die automatische Inkasso-Schleife, denn nun landet der Fall auf dem Schreibtisch einer Sachbearbeitung, die entscheiden muss – und nicht im Computer, der einfach den nächsten Mahnlauf startet.
Ratenplan statt Leistungsstopp – Ihr Rechtsanspruch
Der Leistungsstopp endet, sobald eine wirksame Ratenzahlungsvereinbarung unterschrieben ist (§ 16 Abs. 3a SGB V). Anders gesagt: Sie müssen nicht erst den gesamten Rückstand bezahlen, um wieder vollen Versicherungsschutz zu erhalten. Damit das klappt, sollte die Rate realistisch sein. Das Gesetz verlangt keine „großzügige“ oder „schnelle“ Tilgung, sondern eine tragfähige – notfalls 30 Euro im Monat.
Verweigert die Kasse eine angemessene Rate, bitten Sie schriftlich um einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Mit diesem Dokument können Sie Widerspruch einlegen. Die Erfahrung zeigt: Spätestens bei der Androhung des formellen Rechtswegs lenken viele Kassen ein und akzeptieren eine machbare Zahlung.
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Wenn nichts mehr geht: Stundung und Erlass
Wer nachweislich nicht zahlen kann, hat weitere Optionen:
- Stundung oder niedere Raten (§ 256 SGB V). Die Kasse muss eine Lösung anbieten, wenn “Unbilligkeit” droht – also die Existenz auf dem Spiel steht.
- Teil oder Vollerlasse (§ 256a SGB V). Dauerhaft Hilfebedürftige (Bürgergeld, Grundsicherung) können verlangen, dass Säumniszuschläge vollständig und Beiträge teilweise oder ganz erlassen werden. Die Vorschrift ist als intendiertes Ermessen formuliert: In der Regel soll erlassen werden.
Nutzen Sie diese Spielräume – gerade, wenn Jobcenter oder Sozialamt Ihren Alltag ohnehin bestimmen. Ein formloses Schreiben mit aktuellem Leistungsbescheid genügt als Startsignal.
Säumniszuschläge: Keine Strafzinsen mehr
Seit 2013 liegt der Säumniszuschlag bei 1 Prozent pro Monat (§ 24 SGB IV). Ältere Forderungen, die noch mit fünf Prozent pro Monat kalkuliert wurden, müssen auf das heutige Niveau gekürzt werden. Fragen Sie ausdrücklich nach einer Berechnung auf Basis der aktuellen Regelung; so verschwinden oft hunderte Euro aus der Kontoübersicht.
Warum so viele Betroffene sind – das Problem in Zahlen
Aktuell summieren sich die offenen Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung auf 12,93 Milliarden Euro. Mehr als 3,31 Millionen Versicherte führen Beitragskonten im Minus (KB9Statistik, 2. Quartal 2024). Die größte Gruppe sind Kleinselbstständige, gefolgt von Personen, die nach einem Auslandsaufenthalt nachversichert wurden (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V). In vielen Fällen sind die Schulden erst entstanden, weil die Betroffenen ihre Einkommensunterlagen nicht rechtzeitig eingereicht haben und deshalb automatisch im teuren Höchstbeitrag gelandet sind.
Inkasso, Pfändung, Schufa – was realistisch droht
Krankenkassen besitzen hoheitliche Befugnisse: Ihre Beitragsbescheide sind vollstreckbar, ohne dass sie vor Gericht ziehen müssen. Wer auch nach einem Vollstreckungsbescheid nicht reagiert, riskiert Kontopfändungen und negative Schufa-Einträge.
Ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) schafft hier kurzfristig Luft, weil es das Existenzminimum absichert, doch es löst nicht das Grundproblem. Nur ein vertraglich gesicherter Tilgungsweg verhindert, dass Sanktionen immer wieder aufflammen.