Ein Arbeitsvermittler aus Hamburg gibt interne Einblicke
23.10.2012
Auf der Plattform โJobcenterleaksโ berichtet ein Arbeitsvermittler, der zuletzt zweieinhalb Jahre in einem Jobcenter in Hamburg tรคtig war, dass auf einen Vermittler rund 350 Personen kommen, um die sich in der Regel ein Sachbearbeiter kรผmmern muss. Um โpassive Ausgaben zu sparenโ seien Sanktionen gegenรผber Hartz IV-Beziehern das einfachste Mittel. Der Druck der Geschรคftsfรผhrung wird an die Teamleiter und dann an die Sachbearbeiter weitergegeben.
Augenscheinlich rumort es in den Hartz IV-Behรถrden. Erst in der vergangenen Woche verรถffentlichte eine Jobcenter-Mitarbeiterin einen selbst verfassten Artikel, um die Zustรคnde in den Behรถrden offenzulegen und um mit dem System “Hartz IV” persรถnlich abzurechnen. Nun hat sich ein weiterer Arbeitsvermittler auf der Enthรผllungsplattform โJobcenterleaksโ zu Wort gemeldet.
350 โKundenโ von einem Arbeitsvermittler betreut
โJeder Vermittler hatte sich dort um circa 350 Personen zu kรผmmern, und dies sei noch wenig, wie man mir berichteteโ, so der Insider, der nicht seinen Namen in der รffentlichkeit preis geben will. Im Grundsatz gehe es bei der tรคglichen Arbeit nur sekundรคr um die Arbeitssuchenden. โDas Fรผhrungspersonal steht unter groรem Druck, gewรผnschte Zahlen zu produzieren; diesem Ziel wird dort radikal alles untergeordnet.โ Wรคhrend der Dienstbesprechungen werden immer wieder Vergleichszahlen und Ranking von anderen Jobcentern auf Schautafeln prรคsentiert. Um das Ranking zu verbessern, wurde mit โaberwitzigen Aktionenโ von den Teamleitern versucht, die Zahlen zu verbessern. Dabei wurden weder regionale Besonderheiten noch oder andere Faktoren berรผcksichtigt, so der Behรถrdenmitarbeiter.
Um Kosten zu sparen Sanktionen aussprechen
โUm das Budget fรผr das nรคchste Jahr zu sichern, mรผssen in Hamburg in den kommenden zwei Wochen 3000 Personen einer Arbeitsgelegenheit zugewiesen werden: Eine mรผndliche Dienstanweisung an alle Vermittler.โ Oder: โBei den Sanktionen sind wir im vorderen Drittel, weiter so!โ Als wichtigstes Mittel der gesellschaftspolitischen Ziele gehรถrt die Senkung der Ausgaben. Das einfachste Mittel dies zu erreichen, seien Sanktionen gegenรผber Hartz IV-Beziehern.
Umschulungen werden nicht finanziert
Gesetzliche Vorgaben und Formulare รคndern sich stรคndig. Oft wurde zum Beispiel mitgeteilt, dass bis auf weiteres keine Umschulungen zu finanzieren seien. Im Kontakt mit dem Kunden solle aber nicht kommuniziert werden, dass der Bund keine Gelder zur Verfรผgung stellt. Stattdessen sollen die Sachbearbeiter nach Mรถglichkeit relevante Dinge im Lebenslauf des Erwerbslosen finden, die zu einer Ablehnung fรผhren kรถnnen. โDies alles ist politisch gewollt und wird auch so gesteuertโ, so der Hamburger Arbeitsvermittler.
Die Angestellten des Jobcenters setzen sich grรถรtenteils aus Mitarbeitern unterschiedlichster beruflicher Herkunft zusammen. Viele kommen aus der ehemaligen Krankenhausverwaltung, der Telekom, die nach Privatisierung in die Jobcenter geschickt wurden, und Akademiker, die nichts anderes bekommen haben. Die wenigsten kรถnnen eine pรคdagogische Ausbildung vorweisen. โUnd die wenigsten wรผrden diese Tรคtigkeit tatsรคchlich ausรผben, wenn sie eine Wahl hรคttenโ. (wm)