Hungerstreik wegen Hartz IV ausgesetzt, sozialversicherungspflichtige Tätigkeit erstritten, Heizkostenerstattung offen.
Berlin, Osterode, Göttingen. Rüdiger Steinbeck aus Wieda/Harz hat seinen seit Dezember andauernden Hungerstreik ausgesetzt. In Verhandlungen mit der Arbeitsagentur, dem Landkreis und durch Vermittlung des Aktionsbündnisses Sozialproteste (Edgar Schu, Prof. Grottian) konnte Rüdiger Steinbeck sogar eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit an einer Schule erstreiten. Er fällt damit aus der diskriminierenden Hartz IV-Logik heraus und betreut in Zukunft infrastrukturelle Leistungen einer Schule (Hausmeisterei, PC-Betreuung). "Damit hat Rüdiger Steinbeck erfolgreich abgewehrt, sich an dem katastrophalen Lohndumping durch 1-Euro-Jobs beteiligen zu müssen. Er hat sich solidarisch mit anderen Erwerbslosen und Erwerbstätigen gezeigt und so einen Bruttolohn von 10 Euro erstritten. Was für ihn gilt, sollte auch für alle anderen gelten. Dies ist auch unsere Forderung für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn", kommentiert der Vermittler des Aktionsbündnis Sozialproteste, Edgar Schu, diesen ersten Verhandlungserfolg. Das Erwerbslosen Forum Deutschland wird ein altes Auto mitfinanzieren, um den Weg zur neuen Arbeitsstätte zu erleichtern.
Nach wie vor sind die Erstattung der aufgelaufenen Heizkosten und die damit unzumutbaren Wohnbedingungen in einem kleinen Bad strittig. Der Rechtsanwalt von Rüdiger Steinbeck wird dazu in der nächsten Woche einen Vermittlungsvorschlag vorlegen.
Das Aktionsbündnis Sozialproteste wertet das Ergebnis als Erfolg eines beharrlichen Einzelkämpfers und seiner Unterstützer, aber nimmt auch das Bemühen der Verwaltungen zur Kenntnis, denen der Fall öffentlich zu heiß geworden war. "Wir versprechen uns weitere Wirkungen von kollektiven Aktionen", so Prof. Grottian. "Deshalb wird ab 02. April ein kollektiver befristeter Hungerstreik gegen Hartz IV von 20-25 Personen in Berlin beginnen."
Rüdiger Steinbeck zeigt sich nach wie vor sehr skeptisch, ob der Konflikt wirklich beigelegt sein wird. Er wird erneut in einen Hungerstreik treten, wenn die Heizkosten- und Arbeitsplatzfrage sich doch nicht als befriedigend gelöst herausstellen sollte.
Zur Vorgeschichte Rüdiger Steinbeck
Rüdiger S. kaufte sich im Jahre 1988 ein 150 Jahre altes Fachwerkhaus im Landkreis Osterode (Harz), um für sich eine adäquate Altersabsicherung zu erschaffen. Das Haus war schnell abgezahlt, doch dann folgte die nichtgewollte Arbeitslosigkeit. Nachdem war Rüdiger S. so arm, dass er noch nicht einmal seine Heizung anstellen konnte. Nun muss sich Rüdiger S. jeden Tag aufs neue entscheiden, ob er die Heizung anmacht, den Hund füttert oder für sich selbst etwas zu essen kauft. Laut LZ ist Rüdiger S. kein Einzellfall; ca. 100.000 Menschen befinden sich in der gleichen Situation und bangen um ihr abgezahltes Wohneigentum.
Haustiere für die ARGE "Luxus"
Die ARGE in Osterode zahlt pauschal 77 Euro für die Heizkosten. Es liegt auf der Hand, dass dieser Betrag bei weitem nicht ausreicht, um ein 150 Jahre altes Fachwerkhaus zu beheizen. Doch die ARGE Osterode unterbreitet "kostruktive" Vorschläge, anstatt den Pauschalbetrag für die Heizkosten zu erhöhen- und das, obwohl das abbezahlte Haus keine weiteren Kosten für die ARGE Osterode verursacht. Der Vorschlag der ARGE: Rüdiger S. soll seinen Hund abschaffen, um Tierarztrechnungen und Hundefutter einzusparen. Nach Meinung der Arge ist der Hund ein "Luxus" und deshalb einsparbar. Im Winter ist die Situation kaum auszuhalten. Der Winter ist im allgemeinen im Harz viel härter, als in tiefer gelegenen Regionen. Um Heizkosten zu sparen, verbrachte Rüdiger S. die meiste Zeit in seinem 5 m2 großen Badezimmer.
Ein Euro Job statt bedarfgerechter Heizkosten
Anstatt Rüdiger S. nun tatsächlich Hilfe von der Arge bekommt, droht diese nun, ihm 30 Prozent vom Regelsatz zu kürzen. Der Grund: Rüdiger S. soll seinen Gebrauchtwagen verkaufen und einen Ein Euro Job antreten- als diziplinäre Maßnahme versteht sich. Im Klartext bedeutet dies: Rüdiger S. soll seinen Hund abschaffen, kein Auto mehr fahren und täglich zu Fuss eine längere Strecke auf sich nehmen, um einen Ein Euro Job anzutreten.
Rüdiger S. befindet sich seit unzähligen Wochen im Hungerstreik
Rüdiger S. reicht es; er hat der Arge mitgeteilt, dass er nicht für einen Euro arbeiten wird, um dann in sein kaltes Haus zurück zu kehren, um zu frieren. Rüdiger S. besteht auf eine Vermittlung sozialversicherungspflichtiger Arbeit oder der Zahlung einer bedarfsgerechten Sozialleistung. Die ARGE Region Osterode hat daraufhin die Regelleistung um 30 Prozent gekürzt. Seit dem befindet sich Rüdiger S. im Hungerstreik! (07.02.07)
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