Rentner sollen ab 60 zum „Idiotentest“

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Die Europäische Union bereitet derzeit eine weitreichende Reform des Führerscheinrechts vor, die für viel Diskussion und Verunsicherung sorgt. Neben einem digitalen Führerschein soll es deutliche Verschärfungen für Fahranfänger, Rentner sowie SUV-Fahrer geben.

Der entsprechende Entwurf umfasst rund 200 Seiten und wird aktuell im Europäischen Parlament – genauer im Ausschuss für Verkehr und Tourismus – diskutiert. Welche Änderungen sind geplant? Und wann könnten sie in Kraft treten? Ein umfassender Überblick.

Warum plant die EU neue Regeln für den Führerschein?

Die Straßenverkehrssicherheit sowie eine möglichst einheitliche Handhabung innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten sind die zentralen Argumente für die Reform.

Bereits Anfang des Jahres war bekannt geworden, dass ein digitaler Führerschein eingeführt werden soll.

Doch nun zeigt ein aktueller Entwurf, dass Brüssel weitergehende Änderungen anstrebt.

Eine französische Grünen-Politikerin im EU-Parlament befürwortet die deutlich strengeren Vorschriften, insbesondere um Unfälle zu reduzieren und spezielle Risikogruppen genauer zu kontrollieren.

Der Fahrplan der EU sieht vor, dass nach einer Abstimmung im Europäischen Parlament eine Richtlinie entsteht, die von den einzelnen Mitgliedsländern in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Für diese Umsetzung steht den Ländern eine Frist von zwei Jahren zur Verfügung. Sollte das Parlament noch 2023 grünes Licht geben, könnten die neuen Regeln also frühestens 2025 oder 2026 verbindlich werden.

Welche Änderungen drohen Fahranfängern?

Neulinge nur noch 90 km/h
Eine der umstrittensten Neuerungen betrifft die Höchstgeschwindigkeit in der Probezeit. Nach den Plänen der EU sollen Fahranfängerinnen und Fahranfänger über die gesamte Dauer ihrer Probezeit auf maximal 90 km/h beschränkt werden.

Dies würde faktisch bedeuten, dass sie sich auf Autobahnen nur mit Mühe aus dem LKW-Strom befreien oder überholen könnten.

Kein SUV in der Probezeit
Zudem wird diskutiert, Fahranfängerinnen und Fahranfängern das Führen von SUV-Fahrzeugen zu untersagen. Die Argumentation: SUVs seien aufgrund ihrer Größe, ihres Gewichts und ihrer Leistung besonders schwer zu handhaben und stellten im Straßenverkehr ein erhöhtes Gefahrenpotenzial dar. Wer also in der Probezeit steckt, dürfte laut diesem Entwurf kein SUV steuern.

Zweite Führerscheinprüfung nach der Probezeit
Neu ist auch die Idee, dass nach Ablauf der Probezeit eine zusätzliche Fahrprüfung gefordert werden könnte, um sämtliche Fahrzeugklassen uneingeschränkt führen zu dürfen.

Die Kosten dafür müssten Betroffene selbst tragen. Inwiefern dies wirklich alle Fahrschulen betreffen würde, ist noch offen, da viele Detailfragen (z. B. Länge und Umfang des zweiten Tests) bislang ungeklärt sind.

Was ändert sich für Rentnerinnen und Rentner?

Ab 60 Jahren zum „Idiotentest“ oder Arztbesuch
Besonders einschneidend sind die Pläne für ältere Verkehrsteilnehmende. Wer das 60. Lebensjahr vollendet, soll sich künftig einer ärztlichen Untersuchung oder einer Art Eignungstest (oft „Idiotentest“ genannt) unterziehen müssen.

Alternativ könnte ein verkürzter Auffrischungskurs in der Fahrschule infrage kommen. Bereits einige Nachbarländer haben ähnliche Regeln, allerdings oft erst ab dem 70. Lebensjahr.

Teure Angelegenheit – übernehmen Krankenkassen die Kosten?
Ob und in welchem Umfang Krankenkassen die Kosten für diese verpflichtenden Untersuchungen oder Testfahrten übernehmen würden, ist unklar. Laut einem Bericht des „Focus“ bestehe die Hoffnung, dass Krankenkassen zumindest einen Teil davon tragen könnten.

Allerdings schätzen viele Expertinnen und Experten dies als eher unrealistisch ein, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Krankenkassen bereits in der Nach-Corona-Phase finanziell stark belastet sind.

Verkürzte Gültigkeit des Führerscheins
Besonders drastisch ist die geplante Verkürzung der Führerscheingültigkeit. Momentan gilt jeder neu ausgestellte Führerschein in Deutschland 15 Jahre. Nach den EU-Reformideen könnte diese Frist für Rentnerinnen und Rentner ab 60 deutlich sinken:

  • Ab 60: Gültigkeit nur noch 7 Jahre
  • Ab 70: Gültigkeit nur noch 5 Jahre
  • Ab 80: Gültigkeit nur noch 2 Jahre

Nach Ablauf der jeweils verkürzten Frist wäre eine neue Prüfung, Auffrischungsfahrt oder ein weiterer Arztbesuch Pflicht. Ebenso müsste jede oder jeder Betroffene dafür selbst aufkommen.

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Verschärfungen für SUV-Fahrerinnen und SUV-Fahrer?

Ebenfalls neu in der Debatte ist die Forderung nach einem speziellen Führerschein für SUVs mit einem Gewicht ab 1.800 Kilogramm. Dies soll laut EU-Plan den Namen „Führerschein B Plus“ tragen.

Ähnlich wie bereits beim Motorradführerschein könnten Fahrende für leistungsstärkere und schwerere Fahrzeuge eine zusätzliche Ausbildung samt Prüfung benötigen.

Damit solle das erhöhte Gefahrenpotenzial schwerer Fahrzeuge eingedämmt werden. Unklar ist derzeit, ob diese Regelung auch für Elektrofahrzeuge gilt, die durch ihre Batterien oft ein höheres Leergewicht haben.

Welche Unklarheiten bestehen?

Bei der Lektüre der über 200 Seiten des EU-Entwurfs stößt man auf einige vage Formulierungen. So ist beispielsweise unklar, was genau als „Erneuerung des Führerscheins“ gilt.

Bedeutet eine Erneuerung erst das tatsächliche Erreichen des aufgedruckten Ablaufdatums (derzeit 15 Jahre)? Oder wird bei jeder Namensänderung, jedem Verlust des Dokuments oder jeder Erreichung eines bestimmten Alters eine neue Ausstellung fällig? Hier fehlen nähere Definitionen, etwa auf Seite 59 des Dokuments, wo nur das Wort „Erneuerung“ steht – ohne weitergehende Erläuterung.

Wann könnten die neuen Regeln in Kraft treten?

Momentan handelt es sich um einen Bericht des Ausschusses für Verkehr und Tourismus im Europäischen Parlament. Die eigentlichen Gesetzgebungsprozesse in Brüssel und Straßburg sind mehrstufig. Bei einer Zustimmung des Parlaments müsste anschließend der Rat der Europäischen Union entscheiden.

Erst dann entsteht eine Richtlinie, die alle Mitgliedsstaaten verpflichtend umsetzen müssen. Für diese Umsetzung in deutsches Recht hat der Bundestag anschließend zwei Jahre Zeit. Es ist daher realistisch, dass die Reform frühestens 2025 oder 2026 endgültig greift.

Aktueller Entwurf zur EU-Führerscheinreform hat es in sich

Der aktuelle Entwurf zur EU-Führerscheinreform hat es in sich. Fahranfängerinnen und Fahranfänger müssten sich während der gesamten Probezeit mit 90 km/h begnügen und eine zusätzliche Prüfung ablegen. Seniorinnen und Senioren sollen bereits ab 60 entweder zum Arzt, in eine Fahrschule oder zum „Idiotentest“ geschickt werden und ihren Führerschein deutlich häufiger erneuern.

Ganz neu ist zudem die Idee, dass für SUV- und andere schwere Fahrzeuge ein gesonderter Führerschein B Plus erforderlich wird.

Zwar sind die Pläne noch nicht abschließend beschlossen und müssen einen teils mehrjährigen Gesetzgebungsprozess durchlaufen. Doch es deutet sich bereits an, dass die Reform, wie vonseiten der EU-Kommission und der französischen Grünen-Politikerin gefordert, tatsächlich in eine sehr strenge Richtung gehen könnte.

Ob einzelne Punkte noch abgemildert werden, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Fest steht: Wer aktuell einen Führerschein hat, sollte sich spätestens in zwei bis drei Jahren darauf einstellen, dass weitere Tests, Auffrischungen und Gebühren möglich sind – je nach Alter und Fahrzeugtyp.

Hinweis:
Die genauen Bedingungen und Fristen werden sich im Verlauf der Beratungen noch konkretisieren. Die hier genannten Pläne basieren auf öffentlich zugänglichen Dokumenten des Europäischen Parlaments und vorläufigen Medienberichten. Änderungen und Anpassungen sind durchaus wahrscheinlich. Wer genauer nachlesen möchte, findet weitere Informationen in den Dokumenten des Ausschusses für Verkehr und Tourismus – dort sind die relevanten Vorschläge auf mehreren Seiten verteilt, unter anderem auf den Seiten 22 und 59.