Rente: Wie viele Rentenbescheide sind wirklich fehlerhaft?

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Seit Jahren tauchen in Medienberichten und Internetforen immer wieder alarmierende Behauptungen auf: Bis zu 40 Prozent aller Rentenbescheide seien fehlerhaft, heiรŸt es dort. Als Kronzeugen dienen hรคufig selbstรคndige Rentenberater und Rentenanwรคlte, die aus ihrer Praxis berichten. Auch wir waren darauf hereingefallen.

Doch was ist dran an dieser hohen Fehlerquote? Ein genauer Blick auf die aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zeigt ein deutlich anderes Bild.

Was die Statistik verrรคt

Im Jahr 2024 verschickte die DRV bundesweit gut zwei Millionen Rentenbescheide. In lediglich rund 159 000 Fรคllen legten Versicherte Widerspruch ein, das entspricht nicht einmal 8 Prozent aller Bescheide.

Noch geringer ist der Anteil jener Widersprรผche, bei denen sich tatsรคchlich ein Fehler im Sinne einer unzutreffenden Berechnung oder falschen Rechtsanwendung bestรคtigte: Gerade einmal etwa 1 200 Fรคlle oder 0,8 Prozent der Widersprรผche.

Hรคufiger kommt es dagegen vor, dass die DRV den Bescheid im sogenannten Abhilfeverfahren von sich aus anpasst โ€“ meist, weil nachtrรคglich Unterlagen eingehen.

Diese internen Korrekturen erreichten 2024 rund 27 Prozent der Widerspruchsverfahren. Die vielzitierte Fehlerquote von 40 Prozent entbehrt damit jeder statistischen Grundlage.

Wo Fehler tatsรคchlich entstehen

Die DRV verweist darauf, dass die Mehrzahl der Abweichungen nicht auf Rechenfehler oder falsche Rechtsanwendung zurรผckgeht, sondern auf fehlende Informationen.

Werden Schul- oder Studienzeiten, Zeiten der Kindererziehung oder Beschรคftigungslรผcken nicht gemeldet, kรถnnen sie in der Rentenberechnung auch nicht berรผcksichtigt werden.

Gleiches gilt fรผr spรคtere ร„nderungen im persรถnlichen Lebenslauf, etwa den Bezug zusรคtzlicher Sozialleistungen oder einen Umzug ins Ausland.

Kurz: Eine exakte Berechnung ist nur so gut wie die Daten, die ihr zugrunde liegen.

Selbst aktiv werden: Versicherungsverlauf prรผfen

Versicherte erhalten ihren Versicherungsverlauf bereits ab dem 27. Lebensjahr regelmรครŸig zusammen mit der jรคhrlichen Renteninformation. Gerade dieser Zeitpunkt bietet die Chance, Lรผcken frรผhzeitig zu schlieรŸen โ€“ etwa durch Schul- oder Ausbildungsnachweise, Geburtsurkunden der Kinder oder Bescheinigungen รผber Arbeitslosigkeit.

Wer sich erst kurz vor Rentenbeginn um fehlende Unterlagen bemรผht, stรถรŸt hรคufig auf geschlossene Archive oder ehemalige Arbeitgeber, die nicht mehr existieren. Eine Kontenklรคrung weit vor dem Antrag auf Altersrente reduziert das Risiko spรคterer Korrekturen erheblich.

Rechtsmittel: Widerspruch und รœberprรผfungsantrag

Trotz aller Vorsicht kann es vorkommen, dass ein Bescheid Fragen aufwirft. Dann gilt eine Frist von einem Monat ab Bekanntgabe, um schriftlich Widerspruch einzulegen.

Kommen neue Belege hinzu, prรผft die DRV den Fall erneut โ€“ kostenfrei und ohne Gerichtsgebรผhren. Ist diese Frist verstrichen, bleibt immer noch der รœberprรผfungsantrag.

Auch Jahre nach Bescheiderlass kรถnnen Betroffene damit eine Neubewertung veranlassen, sofern sie stichhaltige Argumente aufzeigen oder neue Dokumente vorlegen.

Kritik von Rentenberatern und Experten

Unabhรคngige Rentenberater entgegnen allerdings, dass viele Rentner und Antragsteller ihre Bescheide nicht zur รœberprรผfung einreichen, weshalb eine niedrige Widerspruchsquote bestรผnde.

So sagte auch der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt: โ€œEtliche Fehler fallen nie auf, weil Bescheide unkontrolliert im Ordner landenโ€. Er fordert daher “mehr Transparenz bei der jรคhrlichen Verรถffentlichung von Fehlerโ€‘ und Korrekturquoten, damit Versicherte die Qualitรคt der Bescheide besser einschรคtzen kรถnnen.”

Rentenversicherung bietet selbst kostenfreie Beratung an

Bei Unsicherheit mรผssen Versicherte nicht allein auf ihre Unterlagen schauen. Bundesweit unterhรคlt die DRV mehr als 100 Auskunfts- und Beratungsstellen, die persรถnliche Termine anbieten.

Ergรคnzend sind rund 2 600 ehrenamtliche Versichertenberaterinnen und -berater im Einsatz, hรคufig in Rathaus, Bรผrgerbรผro oder sogar vor Ort in Betrieben.

Alle Kontakte sind online abrufbar oder รผber das gebรผhrenfreie Servicetelefon 0800 1000 4800 zu erfragen. Die Beratung durch diese Fachleute ist โ€“ anders als bei privat tรคtigen Rentenberatern und Rechtsanwรคlten โ€“ grundsรคtzlich kostenlos.

Qualitรคtssicherung bei der DRV

Hinter den 26 Millionen laufenden Renten stecken komplexe Rechenยญverfahren und ein mehrstufiges Kontrollsystem. Jede Berechnung durchlรคuft heute automatisierte Prรผfroutinen, bevor sie elektronisch signiert und versendet wird.

Treten Unstimmigkeiten auf, greifen interne Stich- und Vollkontrollen. Kommt es dennoch zu einer nachtrรคglichen Korrektur โ€“ etwa weil sich neue Tatsachen ergeben โ€“, erfolgt die Anpassung von Amts wegen. Ein separater Antrag ist in diesen Fรคllen nicht notwendig, und Nachzahlungen werden verzinst.

Fazit: Weniger Rentenbescheide sind falsch, als Schlagzeilen vermuten lassen

Die Sorge, ein GroรŸteil der Rentenbescheide sei fehlerhaft, hรคlt einer Faktenprรผfung nicht stand. Fehler entstehen meist dort, wo Informationen fehlen, nicht dort, wo falsch gerechnet wird. Wer seinen Versicherungsverlauf regelmรครŸig prรผft, Unterlagen vollstรคndig einreicht und bei Unklarheiten die Beratungsangebote der DRV nutzt, kann dem Rentenbescheid gelassen entgegensehen.

Der Mythos einer 40-prozentigen Fehlerquote gehรถrt damit ins Reich der Legenden โ€“ belegbar sind allenfalls Promillewerte. Damit bleibt festzuhalten: Rentenbescheide sind in Deutschland deutlich verlรคsslicher, als manche Schlagzeile vermuten lรคsst.