Bürgergeld: Jobcenter muss bei sittenwidriger Mieterhöhung kein Kostensenkungsverfahren betreiben

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Grundsätzlich muss das Jobcenter, wenn es eine Mietzinsvereinbarung für unwirksam hält, ein Kostensenkungsverfahren betreiben. Durch eine qualifizierte Kostensenkungsaufforderung muss der Leistungsberechtigte in die Lage versetzt werden, seine Rechte gegenüber dem Vermieter durchzusetzen.

Anderes könne aber in Fällen gelten, wie in dem vorliegendem in denen die Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Grundlage offen auf der Hand liege.

Das Gibt aktuell das Hessische Landessozialgericht mit Urteil vom 15. Mai 2024 – L 6 AS 43/23 (verbunden mit L 6 AS 44/23) bekannt. Das Bundessozialgericht hat die Beschwerde des Hilfebedürftigen abgewiesen und die Gewährung von Prozesskostenhilfe verneint ( BSG, Beschluss vom 01.04.2025 – B 7 AS 49/25 BH – ).

Begründung der Richter

Eine sittenwidrige Mieterhöhung beim Bürgergeld ist eine Mieterhöhung, die gegen die guten Sitten verstößt und daher unzulässig ist.

Bürgergeldempfänger haben einen Anspruch darauf, dass das Jobcenter die Kosten der Unterkunft, inklusive der Miete, übernimmt, solange diese angemessen sind.

Eine sittenwidrige Mieterhöhung kann vorliegen, wenn die Miete stark über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt oder wenn der Vermieter die Notlage des Mieters ausnutzt.

Wenn die Mieterhöhung die vom Jobcenter als angemessen erachteten Unterkunftskosten (KdU) übersteigt, wird ein Kostensenkungsverfahren eingeleitet. Der Leistungsberechtigte hat dann in der Regel sechs Monate Zeit, um die Kosten zu senken, beispielsweise durch Umzug in eine günstigere Wohnung oder Untervermietung.

Antragsteller/ Leistungsempfänger hat keinen Anspruch auf Anerkennung höherer Bedarfe für Unterkunft und Heizung

Tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft seien vom Jobcenter bis zur Angemessenheitsgrenze zu übernehmen, wenn sie aufgrund einer wirksamen rechtlichen Verpflichtung vom Leistungsberechtigten zu tragen seien. Erforderlich sei, dass der Leistungsberechtigte einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten, ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sei, bei deren Nichtzahlung die Wohnungslosigkeit drohe.

Auf einer zivilrechtlich unwirksamen Grundlage beruhende Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft könnten und dürften nicht dauerhaft aus öffentlichen Mitteln bestritten werden (Verweis auf BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 8/09 R – ).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt: Grundätzlich muss das Jobcenter eine Kostensenkungsaufforderung erlassen, wenn es die Mieterhöhung für unwirksam hält.

Grundsätzlich müsse das Jobcenter, wenn es eine Mietzinsvereinbarung für unwirksam halte, ein Kostensenkungsverfahren betreiben. Durch eine qualifizierte Kostensenkungsaufforderung müsse der Leistungsberechtigte in die Lage versetzt werden, seine Rechte gegenüber dem Vermieter durchzusetzen (Verweis auf BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 8/09 R -).

Liegt die Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Grundlage auf der Hand – muss das Jobcenter “keine Kostensenkungsaufforderung erlassen ”

Anderes könne aber in Fällen gelten, in denen die Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Grundlage offen auf der Hand liege (Verweis auf Luik, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 22 Rn. 57).

Das Gericht verkennt nicht, dass gerechtfertigte Mieterhöhungsverlangen aufgrund von Preissteigerungen grundsätzlich möglich seien und dass ein wirksames Mieterhöhungsverlangen auch eine höhere Leistungsverpflichtung des Leistungsträgers nach dem SGB 2 begründen könne

Aber vorliegend habe die Vermieterin des Klägers nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs allerdings keine Zustimmung des Klägers zur Mieterhöhung verlangen können. Gemäß § 558 Abs. 1 Sätze 1-2 BGB könne der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten solle, seit 15 Monaten unverändert sei.

Das Mieterhöhungsverlangen könne frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. Vorliegend sei die Miete zuletzt im Juni 2020, also vier Monate vor der im Nachtrag zum Mietvertrag vom 25. September 2020 vereinbarten erneuten Erhöhung ab Oktober 2020, erhöht worden. Aus diesem Grund hätte die Vermieterin des Klägers dessen Zustimmung zu einer weiteren Mieterhöhung in so kurzer Zeit nicht verlangen können.

Das Jobcenter hat den Hilfebedürftigen beraten und unterstützt

Bereits auf das Schreiben des Klägers vom 11. Mai 2020 habe das Jobcenter ihn auf die Anforderungen an ein Mieterhöhungsverlangen gemäß §§ 558 ff. BGB hingewiesen und darauf, dass das vorgelegte Mieterhöhungsverlangen diesen Anforderungen nicht gerecht werde.

Die Sittenwidrigkeit des Nachtrags zum Mietvertrag erstrecke sich auch auf die Erhöhung der Nebenkostenpauschale

Auch diesbezüglich gelte, dass die Erhöhung der Betriebskosten, wäre sie einseitig durch die Vermieterin des Klägers erfolgt, unwirksam gewesen wäre. Gemäß § 560 Abs. 1 Satz 1 BGB sei der Vermieter bei einer Betriebskostenpauschale berechtigt, Erhöhungen der Betriebskosten durch Erklärung in Textform anteilig auf den Mieter umzulegen, soweit dies im Mietvertrag vereinbart sei. Die Erklärung sei nur wirksam, wenn in ihr der Grund für die Umlage bezeichnet und erläutert werde. Eine derartige Erläuterung der Erhöhung der Betriebskosten durch die Vermieterin liege nicht vor.

Fazit: Liegt die Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Grundlage offen auf der Hand für das Jobcenter, muss es bei sittenwidriger Mieterhöhung kein Kostensenkungsverfahren betreiben.

Damit hat der Leistungsempfänger keine Möglichkeit mehr, die tatsächlichen Mietkosten erstattet zu bekommen, denn dafür gibt es dann keine Anspruchsgrundlage mehr.

Anmerkung Detlef Brock

Seit fast 20 Jahren arbeite ich nun als Sozialrechtsexperte, doch so eine Auslegung des Gerichts ist mir neu. Ob sich diese neue Rechtsauffassung durchsetzen wird, muss man abwarten, ich hoffe nicht.

Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt, dass das Jobcenter ein Kostensenkungsverfahren bei Unwirksamkeit der Miet- bzw. Nebenkostenerhöhung betreiben muss.