Ein Unfall kann langfristige Folgen für die Rente haben – selbst wenn die körperlichen Verletzungen längst verheilt sind. Wer nach einem Arbeits-, Verkehrs- oder Sportunfall längere Zeit Krankengeld oder Verletztengeld bezieht, zahlt in dieser Phase nur geringe oder gar keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung. Die Folge: Im Rentenverlauf entsteht eine Lücke, die zu finanziellen Einbußen im Alter führen kann.
Doch es gibt eine Lösung: Unter bestimmten Voraussetzungen können Geschädigte die fehlenden Rentenbeiträge nachträglich über sogenannte Ersatzansprüche kompensieren lassen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) kümmert sich dabei um den Forderungsausgleich gegenüber dem Unfallverursacher. Das Verfahren ist kostenfrei und kann bares Geld im Ruhestand sichern.
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Warum entstehen Rentenlücken nach einem Unfall?
Während einer Krankheitsphase, nach einem Unfall, sinkt meist das Einkommen. Das wirkt sich direkt auf die Rentenbeiträge aus. Beim Bezug von Krankengeld übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Zahlung – jedoch auf Basis von maximal 90 Prozent des letzten Nettoverdienstes. Die Höhe der Rentenbeiträge schrumpft entsprechend.
Noch geringer fällt das sogenannte Verletztengeld aus, das durch die gesetzliche Unfallversicherung ausgezahlt wird. Auch hier liegt die Bemessungsgrundlage oft unter dem vollen Arbeitsentgelt. Wer zusätzlich unbezahlte Freistellungen, Erwerbsminderungsrente oder längere Ausfallzeiten erlebt, verliert weitere Rentenpunkte.
Besonders kritisch: Diese Beitragslücken bleiben ohne Gegenmaßnahme dauerhaft bestehen – und wirken sich direkt auf die monatliche Rentenzahlung aus.
Gesetzliche Regelung ermöglicht Nachbesserung
Die rechtliche Grundlage für den Ausgleich solcher Beitragslücken liefert das Sozialgesetzbuch, genauer §§ 116 und 119 SGB X. Diese Paragrafen erlauben es Sozialversicherungsträgern, Schadensersatzforderungen anstelle der Versicherten geltend zu machen.
Vereinfacht gesagt: Wenn ein Unfall durch eine dritte Person verursacht wurde, etwa durch einen unaufmerksamen Autofahrer oder mangelhaften Arbeitsschutz, kann die DRV die Rentenbeiträge zurückfordern, die wegen des Unfalls nicht gezahlt wurden. Die Beiträge fließen nachträglich in das Rentenkonto der Betroffenen ein – ganz ohne eigenes finanzielles Risiko.
Wer kann Rentenersatzansprüche geltend machen?
Ein Anspruch auf nachträgliche Rentenbeiträge besteht nur unter bestimmten Voraussetzungen. Vier Bedingungen müssen erfüllt sein:
- Die betroffene Person war zum Unfallzeitpunkt pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung.
- Der Unfall wurde zumindest teilweise von einem Dritten verschuldet.
- Durch den Unfall entstand ein Verdienstausfall – zum Beispiel durch Krankengeldbezug, Verletztengeld oder Erwerbsminderungsrente.
- Die Geltendmachung erfolgt innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall (Frist nach § 195 BGB).
Erfüllt ein Fall diese Kriterien, prüft die DRV automatisch, ob ein Regress gegenüber dem Schädiger möglich ist – und setzt diesen bei Erfolg auch durch.
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So läuft das Verfahren ab – Schritt für Schritt erklärt
Der Weg zum Ausgleich verlorener Rentenpunkte ist klar geregelt – und meist unkompliziert.
1. Unterlagen zusammentragen:
Wichtige Belege sind der Polizeibericht, ärztliche Atteste, Klinikunterlagen und Schriftwechsel mit Versicherungen.
2. Antrag bei der DRV stellen:
Dazu müssen zwei Formulare ausgefüllt werden:
– Antrag auf Kontenklärung (Formular V0100)
– Fragebogen zu Schadensersatzansprüchen (Formular F0870)
Beide Formulare gibt es online oder per Post bei der DRV.
3. Prüfung durch die Rentenversicherung:
Die DRV ermittelt, ob Beitragslücken bestehen und ob der Unfall auf Fremdverschulden beruht. Sie entscheidet dann, ob ein Ersatzanspruch gegenüber dem Verursacher möglich ist.
4. Einzug der Beiträge:
Besteht ein Anspruch, fordert die DRV die Beiträge direkt bei der Haftpflichtversicherung des Verursachers ein. Die betroffene Person muss sich nicht selbst darum kümmern.
5. Gutschrift im Rentenkonto:
Nach Eingang der Beiträge werden diese dem Rentenkonto gutgeschrieben. Die Versicherten erhalten eine schriftliche Bestätigung über die Erhöhung ihrer Rentenpunkte.
Fallbeispiel: Unfallopfer erhält 700 Euro Rentenbeiträge nachträglich
Ein 42-jähriger Angestellter wurde 2023 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Er konnte zwölf Wochen lang nicht arbeiten und erhielt in dieser Zeit Krankengeld. Sein Bruttoeinkommen sank von 3.200 Euro auf rund 2.240 Euro monatlich. Dadurch fehlten ihm etwa 700 Euro an Rentenbeiträgen.
2024 stellte er mithilfe der DRV die entsprechenden Ersatzansprüche. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlte daraufhin die fehlenden Beiträge. Ein Jahr später erhielt der Betroffene die Bestätigung: Die Rentenpunkte wurden angepasst – seine Altersvorsorge ist wieder vollständig.
Besonders relevant für Bürgergeld-Bezieher
Auch wer aktuell Bürgergeld (ehemals Hartz IV) bezieht, sollte frühere Unfälle auf mögliche Rentenlücken prüfen lassen. Viele Betroffene wissen nicht, dass selbst bei älteren Unfällen noch Ersatzansprüche bestehen können – solange die Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Wer eine Erwerbsminderungsrente bezieht, profitiert besonders: Jede zusätzliche Rentengutschrift erhöht sowohl die laufende EM-Rente als auch die spätere Altersrente.
Was passiert, wenn kein Dritter beteiligt war?
Fehlte ein äußeres Verschulden – etwa bei einem Sturz zu Hause – besteht kein Anspruch auf Ersatz. Denn in solchen Fällen fehlt ein haftbarer Dritter. Auch wenn die Verjährungsfrist von drei Jahren bereits abgelaufen ist, lässt sich kein Regress mehr durchsetzen. Dennoch kann es sich lohnen, bei der DRV eine Kontenklärung zu beantragen – allein, um vorhandene Zeiten korrekt zu erfassen.
Keine Angst vor Formalitäten – Ein Antrag kostet nichts
Viele scheuen sich, rechtliche Schritte einzuleiten. Doch die Geltendmachung des Ersatzanspruchs erfolgt ausschließlich durch die Rentenversicherung. Die Betroffenen müssen keine Klage führen und keine Anwaltskosten fürchten. Das gesamte Verfahren ist für sie kostenfrei.
Nur wenn der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers sich weigert zu zahlen, kann es zu einem Gerichtsverfahren kommen – dieses führt jedoch ausschließlich die DRV.