Immer mehr Senioren entscheiden sich, auch nach dem regulären Renteneintritt weiterzuarbeiten. Laut der Bundesagentur für Arbeit waren im Dezember 2023 knapp 373.000 Menschen über der Regelaltersgrenze sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Rentner, die weiterhin arbeiten, können, durch den Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit neue Rentenansprüche erwerben.
Dadurch lassen sich die Altersbezüge nachhaltig steigern. Voraussetzung dafür ist eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber, auf Basis derer Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden.
Inhaltsverzeichnis
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts: Die rechtliche Grundlage
Im April 2024 entschied das Hessische Landessozialgericht einen Fall, der die rechtliche Grundlage für Rentner, die weiterhin arbeiten, verdeutlichte. Ein Rentner, geboren 1949, arbeitete nach Erreichen seines regulären Rentenalters weiterhin in Teilzeit und verdiente monatlich etwa 1.050 Euro. Nach den gesetzlichen Regelungen (§ 5 Abs. 4 SGB VI) war er von der Rentenversicherungspflicht befreit.
Das bedeutet, dass er selbst keine Rentenbeiträge zahlte, sein Arbeitgeber jedoch weiterhin den Arbeitgeberanteil von rund 99 Euro monatlich in die Rentenkasse abführte. Über die Dauer der Teilzeitbeschäftigung zahlte der Arbeitgeber insgesamt 6.747,64 Euro in die Rentenkasse ein.
Der Rentner klagte darauf, dass diese Beiträge entweder seine Rente erhöhen sollten oder ihm alternativ ausgezahlt werden müssten. Das Gericht entschied jedoch gegen ihn. Die Begründung: Arbeitnehmer, die das reguläre Rentenalter überschritten haben, sind versicherungsfrei, sofern sie nicht aktiv auf diese Versicherungsfreiheit verzichten.
Vom Arbeitgeber gezahlte Beiträge fließen in die allgemeine Rentenkasse und erhöhen nicht die individuelle Rente des Rentners. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist § 172 SGB VI, der festlegt, dass Arbeitgeber für versicherungsfreie Senioren den vollen Beitrag zur Rentenversicherung entrichten müssen – dieser jedoch nicht dem Rentenkonto des Arbeitnehmers zugutekommt.
Was bedeutet das Urteil für andere Rentner?
Das Urteil zeigt klar, dass Rentner, die nach dem regulären Rentenalter weiterarbeiten, keine zusätzlichen Rentenansprüche erwerben, wenn sie nicht aktiv auf die Rentenversicherungsfreiheit verzichten. Wer also seine Rente durch Arbeit im Alter steigern möchte, muss schriftlich seinem Arbeitgeber gegenüber erklären, dass er wieder rentenversicherungspflichtig sein möchte.
Wie funktioniert der Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit?
Der Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit erfolgt durch eine einfache schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber. Dieser Verzicht bedeutet, dass der Rentner wieder den vollen Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung zahlt, und zwar genau wie ein jüngerer Arbeitnehmer.
Der Arbeitgeber führt dann sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberanteil in die Rentenkasse ab. Dies hat zur Folge, dass der Rentner für die gezahlten Beiträge neue Rentenansprüche erwirbt, die ab Juli des Folgejahres in Form einer höheren Rente ausgezahlt werden.
Was bringt der Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit?
Neben der Möglichkeit, neue Rentenansprüche zu erwerben, profitieren Rentner nach dem Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit von einer sogenannten Hochwertung der neu erworbenen Rentenpunkte. Für jeden Monat, den die Rente nach Erreichen des regulären Rentenalters hinausgezögert wird, gibt es einen Zuschlag von 0,5 % auf die neu erworbenen Rentenpunkte. Dies führt zu einer spürbaren Rentensteigerung.
Beispiel: Rentensteigerung durch Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit
Heinz B. erreichte im Dezember 2019 das reguläre Rentenalter und arbeitete danach noch zwei Jahre in Teilzeit weiter. Er verzichtete auf die Rentenversicherungsfreiheit und zahlte von seinem Bruttogehalt von insgesamt 48.000 Euro 4.464 Euro in die Rentenkasse ein. Im Jahr 2020 lag das Durchschnittsentgelt aller Rentenversicherten bei 40.551 Euro.
Heinz B. verdiente in diesem Jahr 24.000 Euro, was ihm 0,5918 Entgeltpunkte einbrachte. Aufgrund der Hochwertung seiner Rentenansprüche erhielt er für das Jahr 2020 einen Zuschlag von 9 %, wodurch seine Rentenpunkte auf 0,6451 anstiegen.
Auch im Jahr 2021 arbeitete er weiter und verdiente ebenfalls 24.000 Euro. Aufgrund eines späteren Rentenbeginns wurde seine Rente für dieses Jahr um 15 % aufgewertet, was ihm ein Rentenplus von 0,6644 Rentenpunkten einbrachte. Insgesamt erzielte Heinz B. durch seine zwei Jahre Arbeit nach dem Rentenbeginn eine Rentensteigerung um 1,3095 Rentenpunkte. Ab Juli 2024 bedeutet dies für ihn eine monatliche Rentenerhöhung um 51,49 Euro.
Jahr | Verdienst | Entgeltpunkte | Hochwertung (%) | Rentenpunkte nach Hochwertung |
2020 | 24.000 € | 0,5918 | 9 % | 0,6451 |
2021 | 24.000 € | 0,5918 | 15 % | 0,6644 |
Summe | 1,1836 | 1,3095 |
Immer mehr Senioren arbeiten nach dem Renteneintritt
Die Beschäftigung im Rentenalter hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Nach den aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren im Dezember 2023 knapp 373.000 Senioren, die das reguläre Rentenalter überschritten haben, sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 lag die Zahl noch bei knapp 86.000.
Besonders deutlich ist dieser Anstieg in den vergangenen Jahren. Während im März 2018 noch rund 237.000 Senioren sozialversicherungspflichtig arbeiteten, waren es fünf Jahre später bereits fast 358.000.
Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Senioren
Jahr |
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte über Regelaltersgrenze
|
2000 | 86.281 |
2003 | 92.793 |
2006 | 100.520 |
2009 | 126.857 |
2012 | 158.489 |
März 2018 | 237.702 |
März 2019 | 259.535 |
März 2020 | 275.332 |
März 2021 | 275.511 |
März 2022 | 302.816 |
März 2023 | 331.768 |
September 2023 | 357.856 |
Dieser Trend lässt sich nicht nur bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung beobachten, sondern auch bei den Minijobs. Im Dezember 2023 zählte die Bundesagentur für Arbeit rund 1,09 Millionen Rentner, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze in einem Minijob arbeiteten.
Der Minijob ist bis zu einer Verdienstgrenze von 520 Euro im Monat steuer- und sozialversicherungsfrei und deswegen für viele Rentner, die keine Steuern zahlen wollen, interessant.
Rentner mit Minijobs
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2004 | 583.227 |
2006 | 713.455 |
2008 | 756.740 |
2010 | 762.644 |
2012 | 813.895 |
2014 | 886.509 |
2016 | 937.815 |
2018 | 1.017.618 |
2020 | 998.253 |
2022 | 1.045.269 |
2023 | 1.091.298 |
Teilzeit und Vollzeit: Wie arbeiten Senioren nach dem Renteneintritt?
Während die Zahl der Vollzeitbeschäftigten im Rentenalter zunimmt, bleibt die Teilzeitbeschäftigung unter Senioren dominierend. Im Dezember 2023 waren von den 372.564 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Rentnern 143.315 in Vollzeit tätig, während 229.249 in Teilzeit arbeiteten.
Arbeitszeit der sozialversicherungspflichtigen Senioren
Zeitraum | Vollzeit | Teilzeit |
Gesamtzahl sozialversicherungspflichtiger Senioren
|
März 2021 | 104.602 | 170.909 | 275.511 |
Dezember 2021 | 113.245 | 186.218 | 299.463 |
Dezember 2022 | 124.788 | 204.094 | 328.882 |
Dezember 2023 | 143.315 | 229.249 | 372.564 |
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.