Die Bundesregierung plant mehrere rentenpolitische Maßnahmen, um ältere Arbeitnehmer zu längerer Erwerbstätigkeit zu motivieren. Hintergrund dieser Überlegungen ist der aktuelle Fachkräftemangel in vielen Branchen sowie die demografische Entwicklung, die durch den Eintritt der Babyboomer-Generation ins Rentenalter für zusätzliche Belastungen der Rentenkasse sorgt.
Diese Entwicklungen sollen durch die Einführung von Anreizen für ältere Beschäftigte zur Weiterarbeit über die Regelaltersgrenze hinaus abgefedert werden. Doch Experten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) äußern Zweifel, ob diese Vorhaben in der geplanten Form sinnvoll umsetzbar sind.
Mangel an Fachkräften könnte sich weiter verschärfen
Die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt zeigt deutlich, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen. Dieser Mangel an Fachkräften könnte sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen, da die große Gruppe der Babyboomer zunehmend aus dem Arbeitsleben ausscheidet.
Angesichts dieser Entwicklungen hat die Bundesregierung unter dem Dach der “Wachstumsinitiative” beschlossen, ältere Arbeitnehmer gezielt zu motivieren, länger im Arbeitsmarkt zu verbleiben. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat in diesem Zusammenhang das “Freiwillig länger arbeiten”-Programm vorgestellt.
Die Ausgestaltung des Programms: Rentenaufschubprämie und Alternativen
Eine der geplanten Maßnahmen ist die Rentenaufschubprämie. Dabei handelt es sich um eine einmalige Zahlung, die Arbeitnehmer erhalten sollen, wenn sie mindestens ein Jahr und höchstens drei Jahre über die reguläre Altersgrenze hinaus weiter arbeiten. Diese Prämie soll als Anreiz dienen, den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu verzögern. Als Alternative dazu gibt es bereits eine Regelung, die eine Steigerung des Rentenanspruchs um 0,5 Prozent pro Monat oder 6 Prozent pro Jahr für diejenigen vorsieht, die über das reguläre Rentenalter hinaus arbeiten.
Kritik kommt von der Deutschen Rentenversicherung
Die Rentenaufschubprämie stößt jedoch auf Kritik seitens der Deutschen Rentenversicherung. Die DRV sieht das Prinzip einer einmaligen Zahlung als nicht mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Rentenversicherung vereinbar an, die auf lebenslange und dynamische Alterssicherung abzielt. Durch die Wahl der Rentenaufschubprämie würden zudem Ansprüche auf einen dauerhaften Rentenzuschlag entfallen, was aus Sicht der Rentenversicherung einen Nachteil für die Betroffenen darstellen könnte.
Starke Bedenken zu den Auswirkungen auf die Rentenkasse
Eine weitere Alternative, die von der Bundesregierung ins Spiel gebracht wurde, ist die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für jene älteren Arbeitnehmer, die über die Altersgrenze hinaus erwerbstätig bleiben. Dies würde bedeuten, dass Seniorinnen und Senioren neben ihrem Arbeitsentgelt auch die Sozialversicherungsbeiträge ihres Arbeitgebers erhalten könnten. Doch auch hier gibt es Bedenken seitens der DRV, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die Finanzierung der Rentenkasse.
DRV-Kritik zusammengefasst: Aufwand, Kosten und geringe Inanspruchnahme
Die Deutsche Rentenversicherung weist darauf hin, dass die geplanten Maßnahmen mit einem erheblichen organisatorischen Aufwand verbunden wären. Besonders die Einführung der Rentenaufschubprämie könnte hohe IT- und Verwaltungskosten verursachen, die in keinem Verhältnis zur erwarteten, eher geringen Nutzung dieser Option stehen würden. Eine interne Analyse der DRV zeigt, dass die Zielgruppe der älteren Arbeitnehmer vermutlich eher eine erhöhte Rente bevorzugt als eine einmalige Zahlung. Zudem könnte die Rentenaufschubprämie die bestehende Rentenstruktur unnötig verkomplizieren, ohne einen nennenswerten Nutzen für die Mehrheit der potenziellen Empfänger zu bieten.
Finanzielle Auswirkungen auf die Rentenkasse
Auch die finanzielle Auswirkungen der geplanten Reform wird von der Deutschen Rentenversicherung kritisch gesehen. Sollten die Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an die älteren Arbeitnehmer ausgezahlt werden, würde dies Einnahmeausfälle für die Rentenkasse in Höhe von schätzungsweise 0,5 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Zudem würde ein solcher Wegfall der Beitragspflicht das durchschnittliche beitragspflichtige Entgelt einmalig erhöhen, was wiederum Auswirkungen auf die Rentenanpassung hätte.
Nach Einschätzung der DRV würde dieser Effekt zu einer Erhöhung der Rentenanpassung um etwa 0,2 Prozentpunkte führen. Dies hätte im ersten Jahr Mehrausgaben von rund 0,4 Milliarden Euro zur Folge, in den darauffolgenden Jahren würden die Mehrkosten sogar auf jeweils etwa 0,8 Milliarden Euro ansteigen. Diese finanziellen Mehrbelastungen müssten langfristig kompensiert werden, was die Stabilität des Rentensystems zusätzlich belasten könnte.
Auch der Nationale Normenkontrollrat hat sich mit den rentenpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung auseinandergesetzt. In seiner Prüfung der Nutzen-Kosten-Relation der geplanten Modelle kommt der Rat zu dem Ergebnis, dass die Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung die favorisierte Option für künftige Senior-Arbeiter sein dürfte. Diese Lösung scheint die interessanteste Alternative für jene zu sein, die auch im Rentenalter weiterbeschäftigt bleiben möchten.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.