Für die Jahrgänge um 1963 rückt die Rente rasch näher – und mit ihm die Frage, ob ein früher Ausstieg aus dem Berufsleben persönlich vorteilhaft ist. Die Altersrente für langjährig Versicherte nach § 236 SGB VI erlaubt einen Rentenbeginn bereits mit 63 Jahren, verlangt dafür aber lebenslange Abschläge.
Zugleich bietet sie jenen, die warten können, eine abschlagsfreie Rente fast vier Jahre später. Diese beiden Optionen zeigen allerdings den Kern eines Dilemmas, das Hunderttausende künftige Rentnerinnen und Rentner erwarten werden.
Inhaltsverzeichnis
§ 236 SGB VI und die stufenweise Altersanhebung
Die Altersrente für langjährig Versicherte richtet sich an Personen mit mindestens 35 Jahren Wartezeit.
Für den Geburtsjahrgang 1963 sieht das Gesetz eine abschlagsfreie Rente erst mit 66 Jahren und 10 Monaten vor. Wer schon am 63. Geburtstag aufhört zu arbeiten, nimmt eine dauerhafte Kürzung von 0,3 Prozent für jeden vorgezogenen Monat in Kauf – insgesamt also 13,8 Prozent (46 Monate × 0,3 Prozent).
35 Jahre Wartezeit: Welche Zeiten wirklich zählen
Damit der Weg in die vorgezogene oder reguläre Rente offensteht, müssen 420 Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten belegt sein. Anerkannt werden Pflichtbeiträge aus Beschäftigung oder Selbstständigkeit, freiwillige Beiträge, Kindererziehungs- und Pflegezeiten, Zeiten des Arbeitslosengeld- oder Krankengeldbezugs sowie weitere Anrechnungs- und Ersatzzeiten.
Das Gesetz rechnet diese Monate gleichwertig an; eine Mindestzahl tatsächlicher Beitragsjahre ist seit 1992 nicht mehr erforderlich.
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Abschlagsfrei oder mit Abschlag: Die Altersgrenzen im Detail
Wer am 1. Januar 1963 geboren ist, erreicht die reguläre Altersgrenze am 1. November 2029. Ein Rentenbeginn zum 1. Januar 2026 wäre zwar zulässig, bedeutete aber eine Rentenminderung um 13,8 Prozent – ein Faktor, der sich Monat für Monat und Jahr für Jahr auswirkt.
Das Gesetz begrenzt den Abschlag zwar auf maximal 14,4 Prozent, doch bereits der Wert des Jahrgangs 1963 liegt in unmittelbarer Nähe dieser Obergrenze.
Beispielrechnung: Der Fall des Schichtarbeiters Klaus
Angenommen, Klaus Clausen, geboren am 1. Januar 1963, hätte bei regulärem Rentenbeginn einen prognostizierten Bruttobetrag von 1.600 Euro. Zieht er den Ruhestand auf das 63. Lebensjahr vor, sinkt seine monatliche Bruttorente auf gut 1.379 Euro. In den 46 zusätzlichen Rentenmonaten erhält er rund 63.400 Euro, bevor jemand, der wartet, auch nur einen Cent Rente sieht.
Erst wenn Klaus über das 87. Lebensjahr hinaus lebt, beginnt sich das Warten finanziell auszuzahlen. Das Rechenbeispiel zeigt, wie stark die individuelle Lebenserwartung den „Break-Even-Punkt“ verschiebt.
Arbeitsmarkt und Lebensqualität als Entscheidungsfaktoren
Finanzmathematik allein beantwortet die Rentenfrage nicht. Eine angeschlagene Gesundheit, ein belastender Schicht- oder Pflegejob oder drohende Arbeitslosigkeit können den früheren Ausstieg sinnvoll machen. Dagegen kann ein erfüllender Beruf, der Spielraum für Teilzeitmodelle lässt, oder die Aussicht auf ein höheres Erwerbseinkommen für das Weiterarbeiten sprechen.
Seit dem 1. Januar 2023 darf ohnehin jeder, der eine vorgezogene Altersrente bezieht, unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass die laufende Rente gekürzt wird.
Flexibilität durch Teilrente und „Flexirente“
Die Reformen der vergangenen Jahre erlauben es, die Altersrente in nahezu jedem Prozentsatz zwischen 10 und 99,99 Prozent zu beziehen. Wer eine hohe Teilrente wählt, sichert sich fast das volle Alterseinkommen, behält aber den sozialversicherungsrechtlichen Schutz einer Beschäftigung und kann weitere Entgeltpunkte erwerben.
Diese Flexirenten-Instrumente eröffnen Gestaltungsspielräume, die zwischen dem Pol der vollen Frühverrentung und dem Pol des kompletten Weiterarbeitens liegen.
Steuern und Krankenversicherung: Mitdenken, bevor der Antrag rausgeht
Auch die laufende Steuerlast und die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ändern sich mit dem Rentenbeginn. Frühstarter zahlen über eine längere Bezugsdauer anteilige Beiträge aus einer reduzierten Bemessungsgrundlage, während Spätstarter zwar höhere Monatsbeträge, aber über weniger Jahre versteuern.
Wer nebenbei arbeitet, muss den steuerlichen Progressionseffekt ebenfalls einrechnen. Eine detaillierte Berechnung im Rahmen einer Steuer- und Sozialversicherungsberatung verhindert unangenehme Überraschungen.
Rentenkonto klären und Beratungsangebote nutzen
Ob digital in der „Rentenübersicht“ oder beim persönlichen Besuch der Deutschen Rentenversicherung: Ein aktueller Versicherungsverlauf ist die Voraussetzung jeder seriösen Planung.
Lücken lassen sich meist noch durch freiwillige Beiträge schließen oder – ab 50 Jahren – durch Sonderzahlungen, die Abschläge mindern oder ganz ausgleichen.
Gerade bei unterschiedlich verlaufenden Lebensläufen mit Auslands- oder Pflegezeiten lohnt sich die Expertise eines zugelassenen Rentenberaters oder Fachanwalts, um teure Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Fazit: Keine Entscheidung ohne genauer Prüfung
Die Altersrente für langjährig Versicherte bietet dem Jahrgang 1963 ein weites Spektrum an Möglichkeiten – vom sofortigen Ruhestand mit 63 Jahren bis zur abschlagsfreien Rente mit knapp 67. Weder die eine noch die andere Route ist per se überlegen.
Entscheidungsreif wird das Thema erst, wenn Rentenhöhe, Gesundheitszustand, familiäre Verpflichtungen, steuerliche Effekte und persönliche Lebenspläne gemeinsam auf dem Tisch liegen. Wer diese Variablen ehrlich bewertet und sich fachkundig begleiten lässt, trifft die Wahl, die zu seinem Leben passt – und nicht nur zu seiner Rentenakte.