Laut dem Rentenversicherungsbericht 2024 der Bundesregierung ist der Anteil der gekürzten Witwen- und Witwerrenten in Deutschland erheblich. Am 1. Juli 2023 wurden von insgesamt etwa 4,3 Millionen ausgezahlten Hinterbliebenenrenten mehr als 46 Prozent teilweise gekürzt.
Konkret bedeutete das, dass etwa zwei Millionen dieser Renten von der Anrechnung weiterer Einkünfte des hinterbliebenen Ehepartners betroffen waren. Diese Anrechnungen führten zu sogenannten Ruhensbeträgen, welche die Rentenhöhe entsprechend minderten.
Inhaltsverzeichnis
Anrechnung von Erwerbseinkommen
Die Anrechnung erfolgt aufgrund von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen, also Einkommen, das der Hinterbliebene zusätzlich zur Witwen- oder Witwerrente erzielt. Diese Regelung führt dazu, dass ein erheblicher Anteil der Hinterbliebenen nur eine reduzierte Rentenzahlung erhält, was besonders in finanziell schwierigen Situationen für die Betroffenen belastend sein kann.
Durchschnittliche Rentenhöhe und regionale Unterschiede
Im Jahr 2023 betrug die durchschnittliche Netto-Höhe aller Witwen- und Witwerrenten in Deutschland 728 Euro monatlich. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen Renten, die voll ausgezahlt werden konnten, und jenen, die durch die Anrechnung von Einkommen gekürzt wurden.
Die etwa 2,3 Millionen ungekürzten Hinterbliebenenrenten hatten im Durchschnitt eine Netto-Höhe von 811 Euro. Bei den Renten mit Ruhensbetrag wurden im Schnitt nur 615 Euro pro Monat ausgezahlt, da durchschnittlich 172 Euro aufgrund der Anrechnung ruhten.
Regionale Unterschiede sind ebenfalls erkennbar: Rund 75 Prozent der Rentenzahlungen gingen an Hinterbliebene in den alten Bundesländern, während etwa 25 Prozent nach Ostdeutschland flossen.
Dieser Unterschied spiegelt auch die regionalen Unterschiede in der Erwerbsbiografie und den Rentenansprüchen der Versicherten wider, die auf die Erwerbsvergangenheit und das Verdienstniveau zurückzuführen sind.
Freibeträge für zusätzliche Einkünfte – Regelungen und Auswirkungen
Hinterbliebene, die eine Witwen- oder Witwerrente beziehen, haben die Möglichkeit, zusätzliche Einkünfte zu erzielen, ohne dass diese sofort zu einer Rentenkürzung führen. Hierfür gibt es festgelegte Freibeträge, die seit Mitte 2024 angepasst wurden.
Der allgemeine Freibetrag liegt derzeit bei 1.038,05 Euro monatlich. Dieser Betrag darf von den Witwen und Witwern ohne Auswirkungen auf die Rente hinzuverdient werden. Für jedes waisenberechtigte Kind erhöht sich der Freibetrag um weitere 220,19 Euro.
Einkommen, das den Freibetrag übersteigt, wird jedoch anteilig angerechnet. Dabei gilt eine Regelung, nach der 40 Prozent des über den Freibetrag hinausgehenden Einkommens auf die Hinterbliebenenrente angerechnet werden.
Dies führt in vielen Fällen dazu, dass die Rentenzahlung entsprechend reduziert wird, was die finanzielle Situation von Betroffenen zusätzlich beeinflussen kann.
Besondere Regelungen im Sterbevierteljahr
Eine besondere Regelung gilt in den ersten drei Monaten nach dem Tod des verstorbenen Partners, dem sogenannten Sterbevierteljahr. In dieser Zeit wird kein zusätzliches Einkommen auf die Hinterbliebenenrente angerechnet.
Ziel dieser Regelung ist es, den Hinterbliebenen in der unmittelbaren Phase der Trauer eine finanzielle Entlastung zu bieten, um ihnen Zeit zur Anpassung an die neue Lebenssituation zu geben.
Die volle Rentenzahlung in diesen drei Monaten stellt sicher, dass zumindest kurzfristig keine finanziellen Engpässe aufgrund von Einkommensanrechnungen entstehen.
Wie wirken sich die Einkommensanrechnungen auf Hinterbliebene aus?
Die Anrechnung zusätzlicher Einkünfte auf die Hinterbliebenenrente beeinflusst die finanzielle Lage der Betroffenen erheblich. Während ein fester Freibetrag ohne Kürzungen hinzuverdient werden kann, soll dieser den Hinterbliebenen finanzielle Eigenständigkeit sichern.
Allerdings wird Einkommen, das über diesen Freibetrag hinausgeht, angerechnet, was besonders bei niedrigen Einkommen zu finanziellen Problemen führt.
Betroffen sind häufig Witwen und Witwer, die nach dem Tod des Partners noch berufstätig sind oder andere Einkünfte, wie Rentenzahlungen aus eigener Erwerbstätigkeit, erhalten.
Diese Einkommen werden im Rahmen eines gesetzlich festgelegten Verfahrens auf die Hinterbliebenenrente angerechnet, wodurch es in vielen Fällen zu teils erheblichen Kürzungen kommt.
Kritik an der Anrechnung von Erwerbseinkommen
Die Regelungen zur Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Hinterbliebenenrente stehen immer wieder in der Kritik. Häufig wird bemängelt, dass die Rentenkürzungen die finanzielle Lage von Witwen und Witwern erheblich verschlechtern können.
Gerade in Fällen, in denen der hinterbliebene Partner nur geringe Zusatzeinkünfte hat, kann die Anrechnung dazu führen, dass die finanzielle Situation angespannt bleibt und der Lebensstandard deutlich sinkt.
Gegner der aktuellen Regelung führen an, dass die Hinterbliebenenrente eine Form der sozialen Absicherung darstellt, die in vielen Fällen dringend benötigt wird, um den Verlust des verstorbenen Partners finanziell zu kompensieren.
Die Anrechnung von Einkommen wird dabei als kontraproduktiv betrachtet, da sie das Ziel der Hinterbliebenenversorgung untergraben kann.
Reformansätze und Forderungen
Vor diesem Hintergrund gibt es immer wieder Forderungen nach einer Reform der Anrechnungsregelungen. Es wird gefordert, die Freibeträge anzuheben oder die Anrechnungssätze zu senken, um die finanzielle Situation der Hinterbliebenen zu verbessern.
Auch die komplette Abschaffung der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Hinterbliebenenrente wird in bestimmten politischen Kreisen diskutiert.
Ein solcher Schritt könnte die finanzielle Situation von vielen Witwen und Witwern deutlich verbessern und würde dazu beitragen, dass die Hinterbliebenenversorgung ihrem ursprünglichen Zweck, nämlich der Absicherung des Lebensunterhalts nach dem Verlust des Partners, besser gerecht wird.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.