Pflegeleistungen: Das fragt der Gutachter – So bereitest Du Dich vor

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Wer einen Antrag auf Pflegeleistungen stellt, steht oft rasch vor dem nรคchsten Schritt: dem Termin mit dem Medizinischen Dienst (MD).

Bei dieser Begutachtung entscheidet sich, welchen Pflegegrad man am Ende erhรคlt und damit auch, in welchem Umfang Leistungen gewรคhrt werden. Eine gute Vorbereitung kann hier entscheidend sein. Nachfolgend zeigen wir, welche Fragen gestellt werden und wie die Begutachtung im Detail ablรคuft.

Sorgfรคltige Vorbereitung ist sehr wichtig

Oft unterschรคtzen Antragstellende die Bedeutung einer strukturierten Vorbereitung auf die Begutachtung. In der Praxis kann es vorkommen, dass Menschen ihre Einschrรคnkungen verharmlosen oder bestimmte Details unter den Tisch fallen, weil sie im Alltag lรคngst zur Gewohnheit geworden sind.

Das Ergebnis: Ein zu niedriger Pflegegrad, der weder den tatsรคchlichen Bedรผrfnissen noch der tรคglichen Pflegearbeit gerecht wird.

Wichtiger Hinweis: Als Pflegebedรผrftige oder Angehรถrige sollten Sie immer ehrlich sein und nichts beschรถnigen. รœbertriebene Schilderungen sind jedoch ebenso wenig ratsam. Eine gute Hilfestellung ist das Fรผhren eines Pflegetagebuchs, in dem alle pflegerischen Handgriffe und Hilfestellungen festgehalten werden. So geraten im Begutachtungsgesprรคch keine wichtigen Aspekte in Vergessenheit.

Wie wird der Pflegegrad berechnet?

Die rein medizinische Diagnose steht bei der Bemessung des Pflegegrads gar nicht im Vordergrund. Entscheidend ist, welche Tรคtigkeiten die pflegebedรผrftige Person im Alltag noch selbststรคndig ausfรผhren kann und wo Unterstรผtzung in welcher Form notwendig ist. Darum arbeitet der Gutachter oder die Gutachterin mit einem Modulsystem, das verschiedene Lebensbereiche berรผcksichtigt.

Welche Module gibt es?

Es existieren insgesamt acht Module. Wichtig fรผr die Vergabe des Pflegegrads sind jedoch nur sechs davon (Module 1 bis 6).

Die Module 7 und 8 werden zwar erfragt, gehen jedoch nicht in die eigentliche Pflegegrad-Berechnung ein. Stattdessen dienen sie der Ermittlung mรถglicher VorsorgemaรŸnahmen (Prรคvention) und Rehabilitationsmรถglichkeiten.

Die 6 relevanten Module im รœberblick:

  1. Mobilitรคt
  2. Kognitive und kommunikative Fรคhigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Anhand der in jedem Modul vergebenen Punkte und einer bestimmten Gewichtung (bzw. Umrechnungstabelle) ergibt sich eine Gesamtpunktzahl. Diese Gesamtpunktzahl fรผhrt schlieรŸlich zum entsprechenden Pflegegrad (1 bis 5). Welche Fragen stellt der Medizinische Dienst konkret?

Modul 1: Mobilitรคt โ€“ โ€žWie selbstรคndig ist die Fortbewegung?โ€œ

In diesem ersten Bereich geht es um die Fรคhigkeit, sich zu bewegen und grundlegende kรถrperliche Positionen zu verรคndern. Die Gutachterin oder der Gutachter fragt beispielsweise:

  • Kann sich die Person alleine umdrehen und aufsetzen, etwa im Bett?
  • Kann sie Treppen steigen oder selbstรคndig von einem Zimmer ins andere gelangen (ggf. mit Hilfsmitteln wie Rollator oder Rollstuhl)?

Das AusmaรŸ der Hilfe, die benรถtigt wird, um diese Tรคtigkeiten zu erledigen, entscheidet letztlich รผber die Punktvergabe.

Modul 2: Kognitive und kommunikative Fรคhigkeiten โ€“ โ€žWas wird verstanden, was kann ausgedrรผckt werden?โ€œ

Hier prรผft der Gutachter, ob die pflegebedรผrftige Person sich zeitlich und rรคumlich orientieren kann, ob sie vertraute Menschen erkennt und ob sie in der Lage ist, Informationen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Typische Fragen sind:

  • Erkennt die Person nahestehende Familienmitglieder auf Fotos?
  • Kann sie Gesprรคchen folgen oder selbst รคuรŸern, was sie braucht?

Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen โ€“ โ€žWie wirkt sich das Verhalten auf den Pflegebedarf aus?โ€œ

In diesem Modul geht es um mรถgliche Verhaltensauffรคlligkeiten oder psychische Probleme. Beispiele:

  • Nรคchtliche Unruhe oder Weglauftendenzen
  • Selbstverletzendes Verhalten oder Aggressivitรคt
  • Wahnvorstellungen, ร„ngste oder andere psychische Beeintrรคchtigungen

Diese Faktoren spielen eine groรŸe Rolle, weil sie oft zu einem erhรถhten Betreuungsaufwand fรผhren, selbst wenn eine Person kรถrperlich noch recht mobil ist.

Modul 4: Selbstversorgung โ€“ โ€žWas kann der Mensch bei Kรถrperpflege und Ernรคhrung noch alleine?โ€œ

Im Mittelpunkt steht hier, inwieweit die pflegebedรผrftige Person sich selbst versorgen kann: Duschen, Waschen, An- und Auskleiden, Essen und Trinken. Auch komplexere PflegemaรŸnahmen kรถnnen dazugehรถren, etwa der Umgang mit einem Stoma oder einer Sondenernรคhrung.

Modul 5: Krankheits- oder therapiebedingte Anforderungen โ€“ โ€žWelche Hilfe braucht es bei medizinischen Behandlungen?โ€œ

Hier erfasst der Gutachter, ob Hilfe bei folgenden Punkten nรถtig ist:

  • Einnahme von Medikamenten oder Messung von Blutzucker bzw. Blutdruck
  • Wundversorgung oder Injektionen (z.B. Insulinspritzen)
  • Organisation und Begleitung zu Arztterminen oder Therapien

Gerade fรผr Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen kann dieser Punkt sehr bedeutsam sein, weil der begleitende Aufwand im Alltag schnell ansteigt.

Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte โ€“ โ€žWie selbstรคndig werden Alltag und soziale Kontakte bewรคltigt?โ€œ

Dieser Bereich beleuchtet, ob und wie die pflegebedรผrftige Person in der Lage ist, den Tagesablauf zu strukturieren oder Kontakte zu pflegen. Typische Fragen:

  • Kann sie ihre Freizeitaktivitรคten planen und sich selbst beschรคftigen?
  • Muss sie bei sozialen Kontakten angeleitet oder begleitet werden?

Wozu dienen Modul 7 und 8?

Die beiden verbleibenden Module flieรŸen nicht in die Bewertung des Pflegegrads ein, liefern jedoch wichtige Hinweise fรผr Vorsorge- und RehabilitationsmaรŸnahmen:

  • Modul 7: AuรŸerhรคusliche Aktivitรคten โ€“ Hier wird geprรผft, ob die Person beispielsweise รถffentliche Verkehrsmittel nutzen, kulturelle Veranstaltungen besuchen oder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.
  • Modul 8: Haushaltsfรผhrung โ€“ Erfasst Fรคhigkeiten wie das Zubereiten von Mahlzeiten, den Einkauf, Behรถrdengรคnge sowie das Waschen und Aufrรคumen.

Hieraus ergeben sich oft Hinweise, welche Unterstรผtzung oder Prรคvention hilfreich wรคre, damit die Person mรถglichst lange weitgehend selbstรคndig bleibt.

Wie sollte man die Fragen beantworten?

Ehrlichkeit steht an erster Stelle: Wer Probleme verharmlost, riskiert einen zu niedrigen Pflegegrad. Wer hingegen maรŸlos รผbertreibt, macht sich unglaubwรผrdig und setzt das Vertrauensverhรคltnis zum Gutachter aufs Spiel.

  • Verharmlosen vermeiden: Gerade รคltere Menschen neigen oft dazu, bestimmte Einschrรคnkungen nicht zugeben zu wollen. Doch nur bei realistischer Darstellung kann der tatsรคchliche Unterstรผtzungsbedarf erfasst werden.
  • Konzentration auf den Alltag: Beschreiben Sie authentisch, was nicht mehr ohne fremde Hilfe gelingt โ€“ sei es das Aufstehen, Zรคhneputzen oder Einkaufen.

Ein Pflegetagebuch ist hier ein wertvolles Instrument: Wenn Sie vor dem Termin รผber ein bis zwei Wochen hinweg alle pflegerischen Tรคtigkeiten und Hilfestellungen notieren, kรถnnen Sie beim Begutachtungsgesprรคch konkret Auskunft geben.

Welche zusรคtzlichen Informationsquellen helfen bei der Vorbereitung?

Um den eigenen Pflegegrad vorab grob zu ermitteln, kรถnnen Sie den sogenannten Pflege-Check nutzen. Dieser bietet eine รœbersicht รผber die typischen Fragen und ermรถglicht es, erste Punkte einzuschรคtzen.

Tipp: Wenn Sie in einer besonderen Situation stecken โ€“ etwa weil der Pflegebedรผrftige den eigenen Pflegebedarf konsequent herunterspielt oder bei seltenen Krankheitsbildern โ€“ kann es helfen, weitere professionelle Beratung einzuholen. Spezifische Fallbeispiele finden Sie in ergรคnzenden Ratgebern oder speziellen Videos, in denen besondere Pflegesituationen erlรคutert werden.

Was tun, wenn das Ergebnis nicht den Erwartungen entspricht?

Sollten Sie nach der Begutachtung oder nach Erhalt des Bescheids den Eindruck haben, dass der Pflegegrad zu niedrig ausfรคllt, besteht die Mรถglichkeit, Widerspruch einzulegen. Auch dabei hilft eine ausfรผhrliche Dokumentation โ€“ etwa durch das Pflegetagebuch.

Gute Vorbereitung ist alles

Der Termin mit dem Medizinischen Dienst (MD) ist ein zentraler Schritt im Prozess der Pflegegrad-Feststellung. Wer sich vorab informiert und strukturiert vorgeht, erhรถht die Wahrscheinlichkeit, den tatsรคchlich benรถtigten Pflegegrad zu erhalten. Dazu gehรถren:

  • Ein Pflegetagebuch mit allen relevanten Pflegeschritten und Hilfestellungen.
  • Das Durchgehen der Module und รœberlegen, inwieweit Unterstรผtzung erforderlich ist.
  • Die Ehrlichkeit im Gesprรคch, um nichts zu beschรถnigen oder zu รผbertreiben.

So sind Sie bestens gerรผstet und stellen sicher, dass Ihnen bzw. Ihren Angehรถrigen alle Leistungen zukommen, die zustehen. Sollte dennoch Unsicherheit bestehen, kann eine ergรคnzende Beratung oder ein Blick in weiterfรผhrende Ratgeber und Videos Klarheit verschaffen.

Weitere Informationen:

  • Pflege-Check zur Selbsteinschรคtzung
  • Pflege-Ratgeber mit detaillierten Informationen zum Antragsverfahren und zu Pflegeleistungen
  • Video zu besonderen Pflegesituationen, wenn der Betroffene den Pflegebedarf abstreitet oder eine seltene Erkrankung vorliegt

Bleiben Sie bei all dem zuversichtlich: Eine kompetente Vorbereitung schafft Klarheit und sichert Unterstรผtzung fรผr den Alltag.