Nimm die Rente ohne Abschlag und arbeite weiter – sonst 24 Rentenmonate Verlust

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Wer heute die “magische Marke” von 45 Versicherungsjahren knackt, darf zwei Jahre vor dem regulรคren Rentenalter abschlagsfrei in den Ruhestand.

Die โ€žAltersrente fรผr besonders langjรคhrig Versicherteโ€œ gilt als Privileg โ€“ doch viele, die kรถrperlich fit bleiben oder ihre Arbeit schlicht lieben, mรถchten gar nicht aufhรถren.

Genau hier lauert eine kaum bekannte Kostenfalle: Wird die abschlagsfreie Rente nicht aktiv beantragt, gehen bis zu 24 Monatszahlungen unwiederbringlich verloren.

Die 45-Jahre-Regel

Der Gesetzgeber honoriert extrem lange Erwerbsbiografien, indem er einen vorgezogenen Rentenbeginn ohne dauerhafte Kรผrzungen erlaubt. MaรŸgeblich sind 45 Jahre mit Pflichtbeitrรคgen oder deren ร„quivalenten โ€“ dazu zรคhlen etwa Zeiten der Kindererziehung, des Wehrdienstes oder der Pflege naher Angehรถriger.

Wer die Bedingung erfรผllt, darf exakt 24 Monate vor seiner persรถnlichen Regelaltersgrenze abschlagsfrei in Rente gehen. Bei Jahrgรคngen, fรผr die 67 Jahre gelten, ist das der 65. Geburtstag.

Weiterarbeiten und Rente beziehen โ€“ eine Rechnung, die aufgeht

Die entscheidende Frage lautet: Warum sollte man die Rente beantragen, obwohl man weiterverdient? Die Antwort ist rein rechnerisch. Wird der Rentenantrag aufgeschoben, summieren sich in zwei Jahren ungenutzte Ansprรผche schnell auf fรผnfstellige Betrรคge.

Anders als bei klassischen Abschlรคgen gibt es keine spรคtere Kompensation. Gleichzeitig erlaubt die Rechtslage seit 2023 einen unbegrenzten Hinzuverdienst auch bei vorgezogenen Altersrenten. Das Beschรคftigungseinkommen wird weder auf die Rente angerechnet noch begrenzt โ€“ es unterliegt lediglich Steuern und den รผblichen Sozialabgaben. Damit flieรŸen zwei vollwertige Einkommensstrรถme zusammen.

Ein zusรคtzlicher Pluspunkt: Wer nach dem Erreichen der persรถnlichen Regelaltersgrenze noch erwerbstรคtig bleibt, erhรคlt fรผr jeden hinausgeschobenen Rentenmonat einen Zuschlag von 0,5 Prozent.

Ein ganzes Jahr Arbeit nach 67 erhรถht die lebenslange Rente somit um sechs Prozent โ€“ auf Basis des bereits hรถheren Anfangsniveaus.

Teilrente statt Vollrente: doppelter Schutzschirm

Wird die abschlagsfreie Rente als fast vollstรคndige Teilrente โ€“ juristisch reichen 99,99 Prozent โ€“ beantragt, bleibt der Anspruch auf wichtiges Lohnersatzgeld erhalten. Kommt es nach Beginn der Teilrente zu Arbeitslosigkeit, sind bis zu drei Monate Arbeitslosengeld I mรถglich.

Auch beim Krankengeld greift der Schutz: Nach sechs Wochen Entgeltfortzahlung springt die Krankenkasse ein, obwohl bereits eine Altersrente flieรŸt.

Beide Leistungen entfallen bei einer sofortigen Vollrente. Der minimale Verzicht auf ein paar Cent Rente pro Monat ist daher eine Art Versicherungsprรคmie gegen existenzielle Risiken.

Und was ist mit der Betriebsrente?

Viele langjรคhrige Beschรคftigte erwarten zusรคtzlich eine Werks- oder Pensionskassenzahlung. Hier kann der genaue Rentenbeginn รผber Fรคlligkeit, Fรถrderquoten oder Versorgungsabschlรคge entscheiden.

Wer beabsichtigt, weiterzuarbeiten, sollte die Satzung oder den Pensionsvertrag prรผfen (lassen), bevor er den Rentenantrag stellt. In manchen Modellen lรถst schon die Beantragung der gesetzlichen Rente automatisch den Start der Betriebsrente aus.

Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Folgen

Rente und Arbeitslohn addieren sich zum zu versteuernden Einkommen. Wรคhrend neue Rentenjahrgรคnge zu 100 Prozent steuerpflichtig sind, greift fรผr den Lohn die regulรคre Lohnsteuer.

Der Progressionseffekt lรคsst sich durch gezielte Vorsorgeaufwendungen oder einen Lohnsteuer-Freibetrag mildern. Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrรคge fallen sowohl auf den Arbeitsverdienst als auch โ€“ mit ermรครŸigtem Beitragssatz โ€“ auf die Rente an.

Wer bereits in der Krankenversicherung der Rentner versichert ist, bleibt beitragspflichtig; angestellte Weiterarbeiter entrichten parallel den Arbeitnehmeranteil aus dem Lohn.

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Ein Rechenbeispiel aus der Praxis

Eine 1960 geborene Meisterin erreicht im Mai 2025 das 65. Lebensjahr und erfรผllt die 45-Jahre-Wartezeit. Ihre Bruttorente betrรคgt 1 700 Euro. Wรผrde sie keinen Antrag stellen und erst mit 67 in Rente gehen, gingen ihr 40 800 Euro (24 ร— 1 700 Euro) verloren.

Beantragt sie die Teilrente zu 99,99 Prozent und arbeitet zwei weitere Jahre mit einem Bruttolohn von 3 000 Euro, erzielt sie ein Gesamtbrutto von rund 4 700 Euro monatlich.

Nach 24 Monaten steigen ihre Entgeltpunkte dank weiterer Beitragszahlung nochmals, und ab 67 kommt zusรคtzlich der Verdienstzuschlag von sechs Prozent hinzu.

Fazit: Aktiv werden, statt 24 Monate weniger Rentenanspruch

Wer nach 45 Beitragsjahren noch Lust auf den Beruf hat, muss nicht zwischen Arbeit und Rente wรคhlen โ€“ er kann beides kombinieren. Entscheidend ist, die abschlagsfreie Rente rechtzeitig zu beantragen und als nahezu volle Teilrente zu gestalten.

So flieรŸen sofort die monatlichen Rentenzahlungen, wรคhrend weitere Beitragsjahre das spรคtere Rentenniveau zusรคtzlich steigern. Das Ende der Hinzuverdienstgrenzen erleichtert diese Strategie erheblich.

Nur wer plant, sogar รผber die Regelaltersgrenze hinauszuarbeiten, sollte abwรคgen, ob er fรผr den spรคteren Zuschlag auf zwei Jahreszahlungen verzichten will.

In jedem Fall gilt: Eine individuelle Beratung โ€“ besonders bei vorhandenen Betriebsrenten โ€“ schรผtzt vor teuren Fehlentscheidungen. Wer alle Stellschrauben kennt, kann seinen รœbergang in den Ruhestand flexibel gestalten und sich zugleich die Frรผchte einer langen Lebensarbeitszeit in vollem Umfang sichern.