Die Mütterrente ist keine eigenständige Rente, sondern eine seit 2014 schrittweise ausgebaute Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die erste Stufe („Mütterrente I“) erhöhte die Bewertung jedes vor 1992 geborenen Kindes zum 1. Juli 2014 um ein zusätzliches Erziehungsjahr. 2019 folgte die „Mütterrente II“, die den Zeitraum erneut um sechs Monate verlängerte und damit auf zweieinhalb Jahre beziehungsweise 2,5 Entgeltpunkte pro Kind anwachsen ließ.
Für Kinder, die seit 1992 geboren werden, gelten bereits seit Einführung der Erziehungsjahre 1992 volle drei Jahre bzw. drei Entgeltpunkte. Ziel aller Reformschritte war stets, die unbezahlte Sorgearbeit sichtbarer zu machen und Altersarmut von Frauen zu mindern.
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Welche Verbesserungen verspricht die geplante Mütterrente 3?
Die nun im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbarte dritte Reformstufe will die Lücke endgültig schließen. Mütter (und Väter), deren Kinder vor 1992 geboren wurden, sollen je Kind weitere sechs Monate Kindererziehungszeit und damit insgesamt drei Jahre beziehungsweise einen Gesamtkredit von drei Entgeltpunkten erhalten.
Praktisch bedeutet das einen Zuschlag von 0,5 Entgeltpunkten pro Kind auf die bisherige Bewertung.
Wie viel Geld steckt hinter einem halben Entgeltpunkt?
Der Wert eines Rentenpunkts liegt zum 1. Juli 2024 bei 39,32 Euro. Ein halber Punkt, wie er nun zusätzlich in Aussicht steht, erhöht die Monatsrente demnach um 19,66 Euro – dauerhaft und dynamisch, weil auch spätere Rentenanpassungen darauf wirken.
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Wann könnte die Reform in Kraft treten – und warum herrscht noch Unsicherheit?
Im Koalitionsvertrag ist die Angleichung zwar eindeutig festgeschrieben, doch der Zeitplan hängt vom Fortgang der Regierungsbildung ab. SPD‑Mitglieder votieren noch bis 29. April über das Vertragswerk, die Union hält am 28. April einen kleinen Parteitag ab.
Erst wenn beide Parteigremien zustimmen, kann der Bundestag voraussichtlich am 6. Mai den neuen Kanzler wählen. Dazu kommt politischer Sprengstoff: Der designierte Kanzler Friedrich Merz hat zentrale SPD‑Forderungen wie den gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro öffentlich relativiert, was in der SPD für Unmut sorgt und das Vertrauen belastet.
Sollte der Start der Regierung erneut ins Stocken geraten, dürfte auch das Gesetzgebungsverfahren zur Mütterrente 3 nach hinten rutschen. Fachleute halten deshalb sowohl den 1. Juli 2025 als auch den 1. Januar 2026 als denkbare Stichtage für realistisch – ein späterer Termin ist nicht ausgeschlossen.
Welche Folgen hat die Reform für Bestands‑ und künftige Rentnerinnen?
Bei den vorangegangenen Reformen erhielten Bestandsrentnerinnen einen pauschalen Zuschlag auf ihre persönliche Entgeltpunktzahl; die Deutsche Rentenversicherung rechnete den Betrag automatisch und abschlagsfrei auf die laufende Monatsrente.
Neu in Rente gehende Mütter bekamen die zusätzlichen Erziehungsmonate im Versicherungskonto angerechnet; die daraus resultierenden Punkte unterlagen – wie alle übrigen – möglichen Abschlägen bei einem vorgezogenen Rentenbeginn.
Experten wie der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt erwarten aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine identische Vorgehensweise bei der Mütterrente 3.
Für die große Mehrheit der Betroffenen – Frauen, die bereits eine Alters‑ oder Hinterbliebenenrente beziehen – bedeutete das eine automatische, voll abschlagsfreie Erhöhung.
Kann die Deutsche Rentenversicherung die Mammutaufgabe stemmen?
Schon die Umstellung 2014 und 2019 betraf jeweils fast zehn Millionen Bestandsrenten. Würde die Rentenversicherung diesmal für alle Betroffenen komplett neue Versicherungsverläufe berechnen, käme sie personell an ihre Grenzen.
Deshalb rechnet Anhalt mit einer Pauschal‑Lösung für Bestandsrentnerinnen und lediglich einer Verbuchung von sechs zusätzlichen Erziehungsmonaten bei jenen Müttern, die erst künftig in Rente gehen.
“Auch der Gesetzgeber tendiert erfahrungsgemäß zu diesem Modell, weil es wenige Monate nach Inkrafttreten vollständige Auszahlung garantiert und jahrelange Nachberechnungen vermeidet”, so Anhalt.
Was können betroffene Mütter aktuell tun?
Solange kein Gesetz vorliegt, bleibt Geduld die wichtigste Empfehlung. Ein gesonderter Antrag ist nach bisheriger Erfahrung nicht notwendig, wenn schon eine Rente bezogen wird; die Rentenversicherung erhöht die Beträge rückwirkend und zahlt eventuelle Nachzahlungen automatisch aus.
Wer noch keine Rente erhält, sollte sicherstellen, dass alle Kindererziehungszeiten korrekt im Versicherungskonto vermerkt sind. Sobald die Reform beschlossen ist, kann – etwa über die Auskunfts‑ und Beratungsstellen oder den elektronischen Versicherungsnachweis – geprüft werden, ob der neue Zuschlag verbucht wurde.
Fachanwälte wie der Rentenexperte Peter Knöppel aus Halle verweisen darauf, dass individuelle Abweichungen stets möglich sind und notfalls Widerspruch gegen den Rentenbescheid eingelegt werden kann.
Wie geht es weiter?
Die Abstimmungen in den Parteien, die Wahl des Kanzlers und die anschließende Ressortverteilung entscheiden darüber, wann das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf vorlegt.
Erst nach Kabinettsbeschluss und Bundestagsabstimmung wird klar sein, ab welchem Stichtag die Rentenversicherung die Mütterrente 3 umsetzt. Bis dahin bleiben die in Aussicht gestellten 19,66 Euro pro Kind und Monat ein Versprechen auf dem Papier – aber zugleich ein Signal, dass die Politik die Erziehungsarbeit früherer Generationen weiter aufwerten will.