Lohndrückerei: Zahlreiche Arbeitnehmer im Deutschen Bundestag müssen mit Hartz IV aufstocken
13.11.2012
Nach Recherchen des Magazins „Report Mainz“ müssen viele Arbeitnehmer, die im Deutschen Bundestag beispielsweise als Schreibkräfte oder Sicherheitsbeauftragte arbeiten, ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken, weil sie sonst unter das Existenzminimum rutschen.
Viele der Arbeitnehmer im Bundestag sind Leiharbeiter, deren Gehalt so gering ist, dass sie unter das Hartz IV-Niveau fallen und deshalb ergänzende Sozialleistungen beantragen. Das ARD-Magazin berichtet beispielsweise über den Fall einer alleinerziehenden Mutter, die als Schreibkraft im Bundestag arbeitet. Diese klagte in einem Interview: "Das ist ungerecht, dass ich mit einer Vollzeitstelle nur drei Viertel des Existenzminimums verdiene und noch mit einem Viertel aufstocken muss".
Zeitarbeit um Lohndumping zu betreiben
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, betonte, dass es sich hierbei um keinen Einzelfall handeln würde. Ihr seien mindestens zwei weitere Fälle bekannt. Die Betroffenen seien ebenfalls Schreibkräfte, die von einer Zeitarbeitsfirma entsandt werden. Diese verdienen im Vergleich zu den festangestellten Schreibkräften deutlich weniger. "Natürlich ist das Lohndumping, weil man damit den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst unterlaufen möchte. Deshalb kommen ja Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer zum Einsatz, um hier die Löhne zu drücken und um Tarifverträge zu umgehen. Und das passiert hier ganz systematisch im Deutschen Bundestag", kritisierte Zimmermann.
Neben Zimmermann berichtet auch der SPD-Arbeitsmarktpolitiker Ottmar Schreiner von weiteren Aufstockern. So gebe es viele Beschäftigte im Bundestag, die von ihrem Gehalt nicht leben können. In einer Petition hatte sich ein Beschwerdeführer darüber beklagt, dass Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen so wenig verdienen, dass sie monatlich bis zu 380 Euro aufstockende Hartz IV-Leistungen beantragen müssen. "Gängige Praxis ist, dass in etlichen Bereichen in den letzten Jahren Beschäftigungsverhältnisse, die im Bundestag vorhanden waren, ausgegliedert worden sind zu Drittfirmen. Die Beschäftigten sind die gleichen geblieben. Der entscheidende Unterschied ist, dass die Beschäftigten zu wesentlich niedrigeren Löhnen jetzt arbeiten", berichtet Schreiner.
Der Arbeitsmarktexperte Prof. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz zeigte sich über diese Praxis entsetzt. "In meinen Augen darf es im Bundestag so etwas nicht geben, weil der Bundestag das höchste parlamentarische Gremium ist, das die Gesetze, die Arbeitsgesetze, die Sozialgesetze in diesem Land verabschiedet", sagte Sell gegenüber dem Magazin. Man müsse von dem Bundestag erwarten, dass die Menschen ordentlich bezahlt werden. Die Bundestagsverwaltung teilte auf Anfrage mit, dass derlei Fälle „dem Personalreferat des Bundestages unbekannt" seien. (sb)
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