Wenn Miete aus dem Ruder läuft, die Jahresabrechnung überraschend teuer ist oder ein Umzug ansteht, geht es im Bürgergeld schnell um „einmalige Unterkunftsbedarfe“. Entscheidend ist dann: Zuschuss oder Darlehen? Der Unterschied bestimmt, ob Geld endgültig gezahlt wird – oder später vom Regelsatz zurückfließt.
Der Überblick zeigt, worauf es ab 3. September 2025 rechtlich ankommt, welche Fehler Bescheide oft angreifbar machen und wie Betroffene richtig vorgehen.
Inhaltsverzeichnis
Die Grundlagen in Kurzform
SGB II (§ 22): regelt laufende KdU und einmalige Posten wie Umzugskosten, Kaution/Genossenschaftsanteile und die Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft. Regelfall bei Schulden ist das Darlehen.
SGB XII (§§ 35, 36): inhaltlich weitgehend gleich – mit einem entscheidenden Plus: Bei Schulden können Geldleistungen als Beihilfe (Zuschuss) oder als Darlehen erbracht werden.
Betriebskostennachforderungen (Jahresabrechnung)
Was zählt? Nachforderungen für Betriebskosten/Heizung sind KdU im Monat der Fälligkeit. Wer im Fälligkeitsmonat Bürgergeld bezieht und die Wohnung (zuvor) tatsächlich genutzt hat, bekommt die Nachforderung als Zuschuss, solange die Kosten angemessen sind.
Wichtig: Selbst wenn das Mietverhältnis schon geendet hat, kann die Nachforderung als Bedarf zählen – wenn durchgehend vom Entstehungszeitraum bis zur Fälligkeit Leistungsbezug bestand.
Heizkosten-Deckelung: Jobcenter dürfen Heizkostennachforderungen nicht pauschal kürzen, ohne vorherige, konkrete Kostensenkungsaufforderung/Hinweis.
Praxisfehler:
Ablehnung mit dem Argument „nicht mehr bewohnt“ – oft rechtswidrig, wenn oben genannte Kontinuität vorliegt.
Pauschaler Verweis auf „unangemessen“ bei Heizung ohne vorherige Belehrung.
Belege bereithalten: Abrechnung, Fälligkeitsdatum, Zahlungsbeleg/Offenstand, Mietvertrag/Zeiträume, ggf. frühere KdU-Bescheide.
Mietschulden (Rückstände, Kündigung, Räumungsgefahr)
SGB II: Miet-/Heizungsschulden können zur Sicherung der Unterkunft übernommen werden; sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit droht. Geldleistungen „sollen“ als Darlehen erbracht werden. Das ist die Norm. Zuschuss kommt nur in atypischen Härtefällen in Betracht (enge Ausnahme).
Direktzahlung: Jobcenter können/sollen KdU direkt an den Vermieter zahlen, wenn die zweckentsprechende Verwendung gefährdet ist – oft Bedingung für die Schuldenübernahme.
Was prüfen Jobcenter?
- Droht Wohnungslosigkeit (Kündigung/Räumung/Sperre)?
- Ist die Hilfe gerechtfertigt und notwendig (angemessene Wohnung, Ursachen, Eigenbemühungen, Ratenplan)?
- Tilgungsfähigkeit: Darlehen wird regelmäßig über den Regelsatz getilgt (siehe unten).
SGB XII: Gleiches Schutzziel – aber Beihilfe (Zuschuss) ist ausdrücklich möglich. In der Praxis wird auch hier oft ein Darlehen gewählt; Zuschuss kommt z. B. bei besonderen Härten in Betracht (Dauer-Hilfebedarf, fehlende Tilgungsfähigkeit, Schutz besonders vulnerabler Haushalte).
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Bescheid prüfenUmzugskosten, Kaution & Genossenschaftsanteile
Vor einem Umzug sollte stets eine Zusicherung eingeholt werden. Denn Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten werden in der Regel nur übernommen, wenn der bisherige Träger vorab zugestimmt hat. Kautionen und Genossenschaftsanteile werden üblicherweise als Darlehen gewährt; hierfür ist nach dem Umzug der Träger am neuen Wohnort zuständig.
Doppelmieten gelten nicht als laufende Kosten der Unterkunft, sondern als umzugsbedingter Bedarf. Eine Übernahme kommt meist nur in Betracht, wenn eine Zusicherung vorliegt und die Doppelzahlung unvermeidbar war; Ausnahmen sind möglich.
Grundsätzlich gilt zudem der Vorrang der Selbsthilfe: Ein professioneller Speditionsumzug wird nur bewilligt, wenn er notwendig ist, etwa aus gesundheitlichen Gründen, bei Alleinerziehenden oder wenn ein unterstützendes privates Umfeld fehlt.
Rückzahlung von Darlehen (Bürgergeld)
Darlehen (z. B. für Mietschulden, Kaution) werden seit 1. Juli 2023 grundsätzlich mit 5 % des maßgebenden Regelbedarfs pro Monat aufgerechnet – insgesamt gedeckelt durch die Aufrechnungsregeln. Eine höhere Tilgung darf nicht per Bescheid „durchgewunken“ werden; Aufrechnung ist gesondert als Verwaltungsakt zu erklären.
Tabellen-Überblick: Zuschuss vs. Darlehen
Konstellation | Regel: Zuschuss oder Darlehen? |
BK-/Heiz-Nachforderung (Fälligkeitsmonat, Leistungsbezug, Angemessenheit) | Zuschuss als KdU im Fälligkeitsmonat. |
BK-Nachforderung nach Auszug (durchgehend leistungsberechtigt bis zur Fälligkeit) | Zuschuss möglich (trotz beendetem Mietverhältnis), wenn Voraussetzungen erfüllt. |
Heizkostennachforderung ohne vorherige Kostensenkungsaufforderung | Zuschuss (Kürzung regelmäßig unzulässig). |
Mietschulden zur Abwendung von Wohnungslosigkeit (SGB II) | Regelfall: Darlehen; Zuschuss nur atypisch/härtefallbedingt. |
Mietschulden (SGB XII) | Beihilfe (Zuschuss) oder Darlehen – echtes Ermessen des Sozialamts. |
Mietkaution/Genossenschaftsanteile (SGB II) | Darlehen (sollen als Darlehen). |
Umzugskosten/Wohnungsbeschaffungskosten | Zuschuss, aber nur bei vorheriger Zusicherung und Notwendigkeit. |
Doppelmiete (unvermeidbar, mit Zusicherung) | Einzelfallabhängig; Übernahme möglich, typischerweise im Rahmen der Umzugskosten. |
Praxis-Checkliste für Betroffene
- Fristen & Belege sichern: Abrechnung, Fälligkeit, Mahnungen/Kündigung, Räumungs-/Sperrandrohung, Verträge, Zusicherung(en).
- Richtigen Antrag stellen:
BK-Nachforderung: formlos oder per Änderungsmitteilung als KdU im Fälligkeitsmonat beantragen.
Mietschulden: Antrag auf Schuldenübernahme (mit Begründung „Wohnungslosigkeit droht“); Direktzahlung an Vermieter\in anbieten.
Umzug: vor Vertragsschluss Zusicherung für KdU der neuen Wohnung und separate Zusicherung für Umzugskosten/Kaution einholen. - Angemessenheit prüfen: kommunale Richtwerte (Miete/Heizung); bei Heizung ohne vorherige Belehrung keine Deckelung akzeptieren.
- Bescheide prüfen & fristgerecht widersprechen: bei Pauschalkürzungen, fehlender Zusicherung-Prüfung, falscher Rechtsgrundlage.
- Achtung „SGB-II-Sonderantrag“: Die frühere Monats-Antragsmöglichkeit nur wegen Jahresabrechnung ist ausgelaufen; heute gilt wieder der normale Antrag (rechtzeitig stellen).
Häufige Fehler der Praxis – und Gegenargumente
Die Aussage „Nachforderung nach Auszug = kein Bedarf“ stimmt so nicht, denn entscheidend ist, ob bis zur Fälligkeit durchgehend Leistungsbezug bestand. Heizkosten dürfen zudem nicht pauschal gedeckelt werden, ohne dass zuvor eine konkrete Kostensenkungsaufforderung ergangen ist.
Werden Umzugskosten allein wegen fehlender Zusicherung abgelehnt, liegt zwar ein formaler Fehler vor, in Härtefällen kann die Übernahme dennoch erfolgen – künftig deshalb unbedingt die Zusicherung vorab einholen.
Mietschulden als reinen Zuschuss durchzusetzen, ist im SGB II meist chancenlos, dort gilt der Regelfall Darlehen; sinnvoll ist der Antrag auf Darlehen mit Direktzahlung an den Vermieter. Im SGB XII hingegen sollte die echte Zuschuss-Option geprüft werden.
Zusammenfassung
Betriebskostennachforderungen werden in der Regel im Fälligkeitsmonat als Zuschuss übernommen. Mietschulden sind im Bürgergeld grundsätzlich per Darlehen zu tragen; ein Zuschuss kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht.
Bei Umzügen gilt: Ohne vorherige Zusicherung gibt es keine Kostenübernahme, und Kautionen oder Genossenschaftsanteile werden nahezu immer als Darlehen gewährt. In der Sozialhilfe nach dem SGB XII ist die Zuschussgewährung bei Schulden rechtlich eher angelegt – hier sollte der Ermessensspielraum aktiv genutzt werden.