Mehr Rente durch Einführung der Mindestrente

Viele Rentnerinnen und Rentner haben ein Leben lang gearbeitet. Doch am Ende des Erwerbsleben wartet dann nur eine kleine Rente, von der man kaum leben kann. Deshalb wird der Ruf, eine Mindestrente einzuführen, immer lauter.

Was ist das Äquivalenzprinzip im Rentensystem?

Das deutsche Rentensystem basiert auf dem sogenannten Äquivalenzprinzip. Dieses Prinzip besagt, dass die Höhe der Rentenzahlungen direkt von der Höhe der eingezahlten Beiträge abhängt.

Wer mehr verdient und somit höhere Beiträge in die Rentenkasse einzahlt, erhält später auch eine höhere Rente.

Geringverdiener, die aufgrund von niedrigen Löhnen, Teilzeitarbeit oder unterbrochenen Arbeitsbiografien geringere Rentenbeiträge leisten, bekommen entsprechend weniger Rente.

Dieses System ist zwar aus Sicht der Beitragsgerechtigkeit nachvollziehbar, führt jedoch zu erheblichen Problemen.

Viele Menschen, die über Jahrzehnte gearbeitet haben, können nicht genügend Beiträge ansammeln, um im Alter ein auskömmliches Einkommen zu sichern.

Besonders betroffen sind Menschen, die aufgrund von Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit oder Teilzeitarbeit beeinträchtigt sind und im Alter oft unter Altersarmut leiden.

Einführung einer Mindestrente für Geringverdiener

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat jüngst eine Diskussion angestoßen, die das bisherige Äquivalenzprinzip von Grund auf infrage stellt.

Der Vorschlag: Eine Mindestrente für all diejenigen, die viele Jahre gearbeitet, aber dennoch aufgrund ihres niedrigen Einkommens geringe Rentenansprüche erworben haben.

Die Mindestrente würde durch eine höhere Belastung der Besserverdienenden finanziert werden. Das DIW argumentiert, dass dies die soziale Gerechtigkeit fördern und Altersarmut verhindern könnte.

Ein solcher Vorschlag ist quasi revolutionär, da er einen Bruch mit dem bisherigen Grundgedanken des Rentensystems darstellt. Befürworter sehen in der Mindestrente eine Möglichkeit, die Lebensleistung von Geringverdienern anzuerkennen und ihnen im Alter ein würdiges Leben zu ermöglichen.

Tatsächlich existiert ein ähnliches Modell bereits in Ländern wie den Niederlanden, wo eine Mindestrente unabhängig von den individuellen Beitragszahlungen gewährt wird, wenn die Betroffenen eine bestimmte Anzahl von Arbeitsjahren erreicht haben.

Ein fiktives Beispiel: Wie könnte eine Mindestrente funktionieren?

Betrachten wir das fiktive Beispiel von Frau Müller, einer langjährigen Friseurin:

Frau Müller hat über 40 Jahre als Friseurin gearbeitet, doch trotz ihrer langjährigen Erwerbstätigkeit hat sie aufgrund von Teilzeitarbeit, geringem Stundenlohn und Phasen der Arbeitslosigkeit lediglich 800 Euro monatliche Rente angespart.

Damit liegt sie deutlich unter der Armutsgrenze und könnte im Alter kaum ihre Lebenshaltungskosten decken. Ohne zusätzliche Unterstützung würde Frau Müller im Rentenalter auf staatliche Grundsicherung angewiesen sein, was für viele Menschen eine Stigmatisierung bedeutet.

Mit der Einführung einer Mindestrente würde sich ihre finanzielle Lage jedoch deutlich verbessern.

Der Vorschlag des DIW sieht vor, dass Menschen wie Frau Müller, die 35 bis 40 Jahre gearbeitet haben, eine Mindestrente von 1.200 Euro erhalten, unabhängig von den tatsächlich eingezahlten Beiträgen.

Die Finanzierung einer Mindestrente erfolgt über höhere Abgaben der Besserverdienenden sowie möglicherweise eine umfassende Erwerbstätigenversicherung, bei der auch Beamte und Selbständige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung leisten.

Durch diese Mindestrente hätte Frau Müller nicht nur ein finanziell abgesichertes Leben im Alter, sondern auch die Anerkennung ihrer Lebensleistung. Dies würde viele Menschen vor Altersarmut bewahren und ihnen ein würdiges Leben im Ruhestand ermöglichen.

Welche Hürden stehen der Mindestrente im Weg?

Der Vorschlag des DIW stößt jedoch auf Widerstand. Kritiker, insbesondere aus wirtschaftsliberalen Kreisen, sehen in der Abschaffung des Äquivalenzprinzips “einen Verstoß gegen das Leistungsprinzip”. Sie argumentieren, dass “eine Mindestrente die Motivation, selbst in die Rentenversicherung einzuzahlen, schwächen könnte, da der Zusammenhang zwischen Beitragszahlung und Rentenhöhe aufgeweicht würde.”

Insbesondere Parteien wie die FDP und Teile der CDU/CSU lehnen den Vorschlag ab, da sie darin eine Gefahr für die Stabilität des Rentensystems sehen. Sie sagen, dass der Fokus auf der finanziellen Eigenverantwortung liegen sollte.

Sie vertreten zudem die Ansicht, dass eine Erhöhung des Renteneintrittsalters oder eine Abschaffung der Rente mit 63 notwendig sei, um die langfristige Finanzierbarkeit der Renten zu sichern.

Welche Alternativen zur Mindestrente gibt es?

Neben der Mindestrente wird auch die Einführung einer umfassenden Erwerbstätigenversicherung diskutiert. In einem solchen Modell würden alle Erwerbstätigen, inklusive Beamte und Selbständige, in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.

Dies könnte die finanzielle Basis der Rentenversicherung stärken und die Lasten gerechter verteilen. Eine solche Reform wäre jedoch politisch schwer durchsetzbar, da insbesondere Beamte bisher von Beitragszahlungen in die Rentenkasse befreit sind.

Ein weiterer Diskussionspunkt betrifft die Altersruhegehälter von Politikern. Viele Kritiker fordern, dass auch Politiker in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollten, um eine Gleichstellung mit anderen Berufsgruppen zu erreichen. In der Vergangenheit gab es bereits entsprechende Forderungen, unter anderem von der Partei DIE LINKE, die eine Rentenversicherungspflicht für Politiker befürwortet.

Wäre eine Mindestrente finanzierbar?

Befürworter einer Mindestrente argumentieren, dass durch eine höhere Belastung der Besserverdienenden und durch die Einbeziehung bisher von der Beitragszahlung befreiter Gruppen, wie Beamte und Selbständige, ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten.

Kritiker befürchten jedoch negative Folgen für die Wirtschaft, da höhere Sozialabgaben die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen könnten.

Gesellschaftlich wäre eine Mindestrente ein Schritt in Richtung einer solidarischeren Altersvorsorge, insbesondere in Anbetracht der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Doch die Akzeptanz eines solchen Modells hängt stark davon ab, wie gerecht eine solche Umverteilung empfunden wird.