Krankengeld: Reha durch Wechsel der Krankenkasse verhindern?

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Wer Krankengeld von der Krankenkasse bezieht, wird damit frรผher oder spรคter konfrontiert sein. Spรคtestens wenn Krankschreibungen sich hรคufen, lรคsst die Kasse ihr ureigenes Kontrollinstrument greifen: ยง 51 SGB V erlaubt ihr, Versicherte aufzufordern, binnen zehn Wochen einen Reha-Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen.

Offiziell soll diese MaรŸnahme die Genesung beschleunigen; praktisch prรผft die Rentenversicherung im Rahmen der Reha aber auch, ob der oder die Betroffene รผberhaupt noch arbeitsfรคhig ist.

Die Krankenkasse kann so ausschlieรŸen, dauerhaft Krankengeld fรผr Personen zu zahlen, deren Erwerbsfรคhigkeit womรถglich dauerhaft gemindert ist.
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Was sagt der Entlassungsbericht der Reha-Klinik aus?

Am Ende jeder medizinischen Reha steht ein Entlassungsbericht. Darin beantworten die ร„rztinnen und ร„rzte ausdrรผcklich, ob die versicherte Person noch mindestens drei Stunden tรคglich arbeiten kann.

Fรคllt diese Einschรคtzung negativ aus, wird aus dem Reha-Antrag automatisch ein Rentenantrag wegen Erwerbsminderung (ยง 116 SGB VI).

Fรผr das Krankengeld bedeutet das: Der Anspruch endet, weil nun die Rentenversicherung zustรคndig wรคre. Dieser nahtlose Zustรคndigkeitswechsel ist einer der Hauptgrรผnde, warum Betroffene die Reha-Aufforderung als Damoklesschwert empfinden.

Kann ein Wechsel der Krankenkasse den Druck mindern?

Rein formal darf jede gesetzlich versicherte Person nach zwรถlf Monaten Mitgliedschaft kรผndigen. Die Kรผndigungsfrist betrรคgt stets zwei volle Kalendermonate zum Monatsende; die Formalitรคten รผbernimmt in der Regel die neue Kasse.

Doch in der Praxis kollidieren diese Fristen mit der Zehn-Wochen-Frist fรผr den Reha-Antrag: Selbst wenn die Kรผndigung sofort ausgesprochen wird, bleibt die bisherige Krankenkasse fรผr einen GroรŸteil des Reha-Verfahrens zustรคndig.

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Warum bleibt das eingeschrรคnkte Gestaltungsrecht auch nach dem Wechsel bestehen?

Fordert die Kasse eine Reha und verbindet dies mit der Einschrรคnkung des sogenannten Gestaltungs- oder Dispositionsrechts, ist der Handlungsspielraum des Versicherten bereits beschnitten. Wird in der Reha eine Erwerbsminderung festgestellt, muss der Rentenantrag gestellt werden โ€“ eine Rรผckzugsoption gibt es nicht mehr.

Diese Einschrรคnkung wird von der Rentenversicherung gespeichert und gilt auch gegenรผber jeder zukรผnftigen Krankenkasse. Ein Kassenwechsel รคndert also nichts an der rechtlichen Ausgangslage.

Bindungs- und Kรผndigungsfristen in der Praxis

Wer beispielsweise Anfang Mai kรผndigt, wรผrde frรผhestens zum 1. August Mitglied der neuen Krankenkasse โ€“ eine Zeitspanne, in der der Reha-Antrag lรคngst gestellt sein muss.

Selbst wenn der Wechsel gelรคnge, bliebe der laufende Antrag davon unberรผhrt, weil die Zustรคndigkeit automatisch auf die neue Kasse รผbergeht. Wรคhrend der Reha trรคgt sie die Kosten, ohne jemals Beitrรคge eingenommen zu haben. Entsprechend gering ist ihr Interesse, strittige Entscheidungen der Vorgรคngerยญkasse zu korrigieren.

Wann kann ein Wechsel dennoch Sinn ergeben?

Ausnahmen bestรคtigen die Regel. Stehen Beitragserhรถhungen an, entfรคllt die zwรถlfmonatige Bindungsfrist; auch ein Arbeitgeber- oder Statuswechsel erรถffnet sofort ein neues Wahlrecht.

Wer also noch nicht im Blickfeld des ยง 51 SGB V steht, kann durch einen Kassenwechsel etwa bessere Zusatzleistungen, digitale Services oder niedrigere Zusatzbeitrรคge sichern.

In laufenden Krankengeld- und Reha-Verfahren hingegen empfehlen Fachleute wie Christian Schultz vom SoVD, zuerst die materielle Rechtslage zu klรคren โ€“ etwa durch Widerspruch gegen die Reha-Aufforderung oder durch sozialrechtliche Beratung โ€“ bevor man an einen Wechsel denkt.

Weshalb ist individuelle Beratung unverzichtbar?

Jeder Krankheits- und Erwerbsverlauf ist ein Unikat. Ob Atteste stichhaltig sind, ob der Medizinische Dienst korrekt begutachtet hat, ob eine psychosomatische oder orthopรคdische Reha wirklich den richtigen Ansatz darstellt: All das lรคsst sich nur in der Tiefe bewerten.

Sozialverbรคnde, Fachanwรคlte fรผr Sozialrecht oder unabhรคngige Patientenberatungen kรถnnen Akten sichten, Fristen รผberwachen und Widersprรผche formulieren.

Wer dagegen allein auf Forenbeitrรคge setzt, riskiert den vollstรคndigen Verlust des Einkommens โ€“ sei es durch eingestelltes Krankengeld oder durch eine zu frรผh beginnende Erwerbsminderungsrente.

Was bleibt unter dem Strich?

Ein taktischer Krankenkassenwechsel wรคhrend eines laufenden Krankengeld- oder Reha-Verfahrens lindert weder den bรผrokratischen Druck noch schafft er neue Gestaltungsspielrรคume. Im Gegenteil: Die Versicherten tragen das Risiko, wertvolle Energie auf formale Schritte zu verwenden, wรคhrend medizinische und sozialrechtliche Fragen ungeklรคrt bleiben.

Wer Post mit einer Reha-Aufforderung erhรคlt, sollte deshalb weniger an einen Kassenwechsel als an eine fundierte Beratung denken โ€“ und zwar sofort. Denn im Krankengeld zรคhlen nicht allein die Wochen, sondern mitunter sogar die Tage.