Keine Rechte mehr bei Hartz IV. Bundessozialgericht stellt alle ALG II Empfänger unter den Generalverdacht des Leistungsmissbrauches. Bundessozialgericht urteilte: ALG-II-Empfänger müssen ihre Kontoauszüge offen legen, wenn sie dazu aufgefordert werden.
Wie der 14. Senat des BSG unter Vorsitz von Peter Udsching heute für rechtmäßig erklärte (vom 19.09.2008, Az.: B 14 AS 45/07 R), dürfen die Hartz IV Ämter von jedem Hilfebedürftigen bei Antragstellung ohne Angabe von Gründen Kontoauszüge der letzten 3 Monate fordern. Das diene der Vorbeugung von Leistungsmissbrauch. Eine Schwärzung sei nur bei Buchungstexten von Abbuchungen zulässig, deren Inhalt sehr intim sei, so z.B. bei "rassischer und ethnischer Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit oder Sexualleben". Wie das im Einzelnen dann gegenüber dem Amt zu belegen ist, dass es sich tatsächlich um solche Buchungen handelt, lies Peter Udsching offen.
Wie jedoch die Einsicht in und die Kontrolle der Ausgaben eines Hilfebedürftigen durch die Vorlage seiner Kontoauszügen bei einem Wiederholungsantrag, also während eines ununterbrochenen Leistungsbezuges, zur Aufdeckung von Leistungsmissbrauch führen soll, ist uns aber vollkommen schleierhaft. Auch Peter Udsching äußerte sich dazu nicht – vielleicht wegen Erklärungsnot?
Mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht alle ALG II Empfänger unter den Generalverdacht des Leistungsmissbrauches gestellt und allen Ämtern einen Freibrief in die Einsicht des höchstpersönlichen Lebensbereiches dieser Menschen ausgestellt.
Im Namen aller ALG II Bedürftigen, die genau so denken: danke Herr Udsching.
Ob der Kläger diese Entscheidung des BSG zum Anlass nimmt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, ist nicht bekannt, wäre aber bei dieser offensichtlichen Verletzung der Grundrechte wünschenswert. Zudem widerspricht diese Entscheidung dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 12 Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, in dem es heißt, dass es bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit bei Sozialeistungen nur auf das hier und jetzt ankomme und die Verhältnisse in der Vergangenheit dafür unrelevant sind.
Was bedeutet das nun für ALG II Empfänger?
1. Jeder ALG II Empfänger muss ab sofort damit rechnen, bei jedem ALG II Wiederholungsantrag dem Amt Rechenschaft darüber abzulegen, wofür er in den letzten 3 Monaten sein ALG II ausgegeben hat und ob das wirklich nötige Ausgaben waren – so wie es bereits seit Jahresanfang bei den Betriebsausgaben für Selbstständige ALG II Aufstocker üblich ist.
Auch wenn es das Amt einen feuchten Kehricht angeht, was der Hilfebedürftige mit seinem ALG II macht, denn eine derartige Kontrolle der Mittelverwendung, geschweige den ein, wie auch immer geartetes, Mitsprache- oder Kontrollrecht des Amtes sehen weder das SGB II noch andere Sozialgesetzbücher vor. Auch Missbrauch kann dadurch weder festgestellt noch verhindert werden. Betroffenen solcher angemaßten Mitspracherechte kann man nur raten, sich diese energisch zu verbitten.
2. Jeder ALG II Empfänger muss ab sofort in der Lage sein, bei jedem ALG II Wiederholungsantrag die Herkunft jeder Guthabenbuchung der letzten 3 Monate nachzuweisen, sonst gilt diese automatisch als Einkommen und er/sie als Leistungsbetrüger mit dem Ergebnis, dass er/sie dann wegen des ständigen Verdachtes des Leistungsbetruges ununterbrochen alle seine Kontoauszüge vorlegen muss.
Wenn ein Hilfebedürftiger also z.B. etwas bei Ebay verkauft, das er nicht (mehr) benötigt, so muss er nachweisen, dass er dabei keinen Gewinn erzielt hat, was nur durch Vorlage des Kaufbeleges möglich ist. Fehlt dieser, ist er auf das Wohlwollen des Sachbearbeiters angewiesen, also darauf, dass dieser ihm glaubt.
Auch wenn man eine bestellte und per Vorkasse oder Lastschrift schon bezahlte Ware zurücksendet, sollte man unbedingt darüber alle Unterlagen aufbewahren um zu verhindern, dass einem die Kaufpreiserstattung plötzlich als Einkommen angerechnet wird.
Handelt man im Auftrag und wickelt Buchungen für Dritte über sein Konto ab, sollte man das durch entsprechende schriftliche Verträge, Aufträge oder Quittungen nachweisen können. Hier ist eine Klageflut gegen willkürliche Entscheidungen, d.h. die Anrechnung von Guthabenbuchungen als Einkommen, das eigentlich gar keines ist, vorprogrammiert.
Hier wurde dem Missbrauch von höchstpersönlichen Daten, gerade durch ungeschulte oder unsachgemäß arbeitende Mitarbeiter der Ämter, Tür und Tor geöffnet. Das Einzige was bestehen bleibt, ist die Grundlage, dass vom Amt aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Kopien der Kontoauszüge angefertigt werden dürfen, nur die "Einsicht" ist gestattet. Stichwörter: Bundessozialgericht, Kontoauszüge, Vorlage von Kontoauszügen, Hartz IV, ALG II (19.09.2008)
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors