Obwohl während der Corona-Pandemie Jobcenter die Angemessenheit der Wohnung nicht prüfen durften, drängten sie oftmals trotzdem Leistungsberechtigte, die Wohnkosten zu senken. Ein Urteil des Bundessozialgerichts bestätigt, dass diese Jobcenter rechtswidrig handelten. (Az: B 4 AS 4/23 R)
Jetzt meldet sich ein Betroffener zu Wort.
Während der Corona-Pandemie war die Vermögensprüfung ausgesetzt
Inhaltsverzeichnis
Er schreibt: “Mit Ausbruch der Corona Pandemie 2020 wurde bekanntlich der Paragraph 67 SGB II eingeführt, der die Aussetzung der Vermögensprüfung u. a. bei selbstgenutztem Wohneigentum regelt.”
Jobcenter verlangt rechtswidrig Wohnungsverkauf
Das für ihn zuständige Jobcenter missachtete jedoch, seinen Worten nach, völlig willkürlich, diese gesetzliche Neuregelung und verlangte, dass er sein Wohneigentum verkaufe. Es verlangte Nachweise für Verkaufsbemühungen und drohte, so der Betroffene, ansonsten die Leistungen komplett zu streichen.
Zudem forderte das Jobcenter Sicherungshypotheken für das Gewähren der Leistungen, die nur über ein Darlehen möglich waren.
Lesen Sie auch:
– Bürgergeld: Jobcenter muss 70 Euro pro Tag für Hostel zahlen
Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht
Der Betroffene legte mehrfach Widerspruch ein zwischen März 2020 und Dezember 2021 und verwies dabei ausdrücklich auf die neue Rechtslage. Das Jobcenter beachtete diese nicht, sondern reagierte erst nach siebzehn Monaten mit einem Widerspruchsbescheid, der zudem immer noch fehlerhaft gewesen sei.
Der Leistungsberechtigte brachte die Angelegenheit vor das zuständige Sozialgericht, wobei die Reaktion auf die Klage weitere zwei Jahre brauchte.
Am Ende lenkt das Jobcenter ein
Am Ende, also nach fast drei Jahren, so der Leistungsberechtigte, lenkte das Jobcenter dann ein und verwies jetzt auf die neue gesetzliche Regelung, änderte diesbezüglich die vorher bezogene Leistung in eine Zuschussleistung und löschte die dinglichen Sicherheiten.
Willkür und beabsichtigter Druck”
Der Betroffene schreibt: “Dieser Vorfall zeigt die Willkür und den beabsichtigten Druck, der durch die Jobcenter rechtswidrig auf Leistungsempfänger ausgeübt wird. Wenn ich als einfacher Leistungsempfänger genauestens über diese Regelung Bescheid wusste, so doch auch die Mitarbeiter des Jobcenters. Spätestens mein erster Widerspruch mit dem entsprechenden Hinweis wäre für das Jobcenter Grund zur näheren Klärung gewesen.”
Keine Konsequnzen für die Verantwortlichen
Der Betroffene schreibt von “eindeutig willkürlichem Verwaltungshandeln”, für dass die Verantwortlichen keinerlei Konsequenzen hätten ziehen müssen, “eine Rüge oder ähnliches.” Die Devise für das Jobcenter leute “weiter so”.
Wieviele Fälle bleiben unbekannt?
Dieser Betroffene wehrte sich gegen das rechtswidrige Verhalten des Jobcenters und schöpfte die rechtlichen Mittel von Widerspruch innerhalb der Behörde bis zur Klage vor dem Sozialgericht aus.
Er schließt aber vollkommen richtig: “Ich möchte mir nicht ausdenken, in wie vielen Fällen die Leistungsempfänger aus Angst oder Unwissenheit keine Gegenwehr aufbauen.”
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.