Jobcenter bedroht Hartz IV Bezieher mit dem Jugendamt
Einige Jobcenter lassen nichts unversucht Hartz IV Beziehende zu drangsalieren, zu bedrohen oder gar – wie in diesem Fall – einzuschรผchtern. Das Jobcenter Mรคrkisch-Oderland in Strausberg hat eine Hartz IV Bezieherin in einer schriftlichen Einladung zu einem Meldetermin mit der Hinzuziehung des Jugendamtes gedroht. Ein Einzelfall oder Strategie in einem Gesamtkonzept?
รffentlich wurde der Fall, weil der bundesweit agierende Verein “Trennungsvรคter e.V.” hierauf aufmerksam machte. In dem Schreiben des Jobcenters wird der “Kundin”, die ihre Anonymitรคt gewahrt haben will, im Frรผhjahr 2019 gedroht, das Jugendamt einzuschalten.
Jobcenter droht Jugendamt bei Termin zur Eingliederungsvereinbarung
Ansich sollte bei dem Meldetermin รผber die berufliche Situation gesprochen werden. Die Behรถrde wollte eine Eingliederungsvereinbarung abschlieรen. Darin werden wichtige Punkte festgehalten, die spรคter auch zu enormen Problemen fรผhren kรถnnen. Der Abschluss ist kein Muss, aber die Behรถrden drรคngen regelmรครig zu einer solchen Vereinbarung. Zu diesen Terminen mรผssen Hartz IV Leistungsberechtigte gehen, da sie sonst sanktioniert wรผrden. Negativ fiel dem Verein dieser Satz auf: ““Auch weise ich darauf hin, dass bei Nichtwahrnehmung von Terminen bzw. evtl. drohender Sanktionen das Jugendamt zur Prรผfung evtl. Kindeswohlgefรคhrdung benachrichtigt werden muss.” Die Eltern mรผssten faktisch um ihre Kinder bangen.
Diese Drohkulisse ist vollkommen unangebracht, wie auch dem Vereinsvorsitzenden Thomas Penttilรค bitter auffiel. Dabei wรผrde das Jugendamt als Drohmittel in vollkommen unangebrachter Weise ausgenutzt werden.
Der Verein untersucht derzeit diese Fรคlle. Die Drohung basiert einzig auf der Annahme, die Kundin wรผrde das Kindswohl gefรคhrden, wenn der Meldetermin aus welchen Grรผnden auch immer platzt. Es lagen nรคmlich keine Anzeichen vor, dass das Kindswohl tatsรคchlich gefรคrdet sei.
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“Woher leitet das Jobcenter eine Pflicht ab, bei der Nichtwahrnehmung eines Gesprรคchstermins zur beruflichen Situation das Jugendamt wegen Kindeswohlgefรคhrdung zu kontaktieren?”, kritisiert der Vereinsvorsitzende. Das nicht teilnehmen an einem Termin kรถnnen nicht seitens der Eltern als Kindswohlgefรคhrdung angesehen werden. Ebenso wenig eine Sanktion.
Jobcenter gibt Drohkulisse zu
In einer Stellungnahme des stellvertretenden Geschรคftsfรผhrer des Jobcenters MOL betonte dieser, dass bei Nichtteilnehmen nicht automatisch das Jugendamt informiert wรผrde. Das Hinzuschalten sei eine Ausnahme und erfolge nach “intensiver Prรผfung der Gesamtumstรคnde und nicht pauschal”. Man habe allerdings “auf der Grundlage des Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes und des Artikel 1 des Bundeskinderschutzgesetzes” eine Kooperation mit dem Jugendamt geschlossen. Darin heiรt es: “Pflege und Erziehung der Kinder sind das natรผrliche Recht der Eltern und die zuvรถrderst ihnen obliegende Pflicht. รber ihre Betรคtigung wacht die staatliche Gemeinschaft.”
Demnach ist offenbar die Drohung kein Einzelfall, sondern Teil einer Strategie. Denn weiterhin sagt der Geschรคftsfรผhrer: “Hier ist u. a. das Vorgehen, bei mรถglichen bzw. bestehenden Sanktionen Informationen auszutauschen und im Sinne des Kindeswohls mit Augenmaร zu handeln. Aus dieser Zusammenarbeit konnten in mehreren Fรคllen Kinder geschรผtzt und das Kindeswohl gesichert werden”.