Jobcenter darf Zinsen auf Hartz-IV-Nachzahlung nicht zurückfordern
(jur). Erhalten Leistungsberechtigte für eine verspätete Hartz-IV-Nachzahlung auch Zinsen vom Jobcenter ausgezahlt, können sie diese behalten. Das Jobcenter darf die ausgezahlten Zinsen später nicht als Einkommen wieder mindernd auf die Hartz-IV-Leistung anrechnen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 21. Juni 2016 (Az.: L 9 AS 4918/14). Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließen die Stuttgarter Richter die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.
Geklagt hatte ein Langzeitarbeitsloser, der seit 2005 im Hartz-IV-Bezug stand. Im Zuge eines Rechtsstreits mit seinem Jobcenter kam es vor dem Sozialgericht Karlsruhe zu einem gerichtlichen Vergleich. Danach verpflichtete sich die Behörde, für die Zeit von Januar 2005 bis Februar 2006 insgesamt 5.608 Euro an Hartz-IV-Leistungen nachzuzahlen. Das Jobcenter musste die verspätete Zahlung des Arbeitslosengeldes II auch verzinsen. So erhielt der Mann weitere 280 Euro an Zinsen.
Die Zinseinnahmen wertete das Jobcenter allerdings kurz darauf weitgehend als Einkommen und kürzte das Arbeitslosengeld II einmalig um 262,77 Euro. Der Hartz-IV-Bezieher hielt die Anrechnung der Zinsen als Einkommen für rechtswidrig.
Sowohl das Sozialgericht Karlsruhe als auch das LSG beanstandeten das Vorgehen des Jobcenters. Nach dem Sozialgesetzbuch II seien „Leistungen nach diesem Buch“ nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Bei den von Amts wegen gezahlten Zinsen handele es sich zwar nicht unmittelbar um Arbeitslosengeld-II-Leistungen, mittelbar aber sehr wohl.
Denn die Zinsen sollen den Hilfebedürftigen dafür entschädigen, dass das Jobcenter zu spät dem Hilfebedürftigen die existenzsichernde Leistung vorenthalten hat. Dieser Entschädigungszweck der Verzinsung würde aber unterlaufen, wenn die Zinsen die Hartz-IV-Leistung als Einkommen wieder mindern.
Hartz-IV-Bezieher haben nach dem Gesetz das Recht, „ihnen zustehende Sozialleistungen umfassend und zügig“ zu erhalten. Halte sich das Jobcenter nicht daran und könne die Behörde die fälligen Zinsen für eine Nachzahlung dann auch noch bedarfsmindernd als Einkommen berücksichtigen, werde sie für die rechtswidrige Vorenthaltung der Hilfeleistunge auch noch „belohnt“. Dies sei mit dem Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht zu vereinbaren, urteilte das LSG. fle
Bild: Gina Sanders – fotolia
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