Hartz IV: Was taugt das Teilhabechancengesetz?

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Kommentar: Ein Instrument der Wirtschaftsfรถredrung zu Lasten von Hartz IV Beziehern?

Seit dem Jahresbeginn 2019 ist das Teilhabechancengesetz (THCG) in Kraft. Die gesetzliche Grundlage ist im SGB II in den Paragraphen ยง16i sowie ยง16e geregelt.

Das Gesetz sieht vor, dass potentielle Arbeitgeber von Leistungsempfรคnger nach dem SGB II, welche seit mindestens 6 Jahren ohne Beschรคftigung sind, bei Abschluss eines Arbeitsvertrages die ersten zwei Jahre 100 % des Lohnes vom Steuerzahler erstattet bekommen. Diese Fรถrderung des Unternehmens lรคuft รผber 5 Jahre, in den Jahren 3 bis 5 wird die Fรถrderung um jeweils 10 % gesenkt, so dass im fรผnften Jahr noch eine Fรถrderung von 70% des Lohnes durch die Allgemeinheit erfolgt.

Ein betreffendes Unternehmen hat somit einen Mitarbeiter der voll ausgebildet ist, voll arbeitet aber das Unternehmen nichts kostet. Das ist nicht nur eine Marktverzerrung, Unternehmen die sich jahrelang geweigert haben, Arbeitssuchende Langzeitarbeitslose einzustellen, werden nun noch fรผr ihr asoziales Verhalten belohnt.

Nach dem SGB II ist jeder Arbeitssuchende verpflichtet alles zu tun um seine Arbeitslosigkeit zu beenden. Dies wird durch die Jobcenter streng kontrolliert und bei Zuwiderhandlungen auch sanktioniert. Somit mรผssten die Grรผnde fรผr Langzeitarbeitslosigkeit nicht bei den Betroffenen, sondern bei den Arbeitgebern gesucht werden.

Die Umwandlung der Sozialgesetzgebung in ein Wirtschaftsfรถrderungsprogramm durch die Agenda 2010 hat zu massivem Lohndumping und eine extreme Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den Betrieben gefรผhrt. Die Opfer dieser neo-liberalen Politik, nรคmlich die Arbeitssuchenden, wurden fรผr ihre Situation selbst verantwortlich gemacht, wรคhrend die Profiteure und Verursacher immer weitere Mรถglichkeiten zur legalen Ausbeutung erhalten.

Auch dieses Gesetz soll den Eindruck vermitteln, dass die Betroffenen die alleinige Verantwortung an ihrer Situation tragen und zeigt Verstรคndnis fรผr das asoziale Verhalten vieler Arbeitgeber.

Verdeutlicht und Manifestiert wird dies an einem diese MaรŸnahme teilnehmenden verpflichtenden Coaching รผber den kompletten Zeitraum. Der Betroffene befindet sich nรคmlich nicht in einem Arbeitsverhรคltnis, sondern in einer MaรŸnahme. Und das fรผnf Jahre lang.

Das Coaching bietet gleichzeitig wieder diversen โ€žSchulungsunternehmenโ€œ und privaten Coaches die Mรถglichkeit relativ einfach staatliche Gelder zu kassieren. Die meisten dieser Menschen haben vor ihrer Arbeitslosigkeit viele Jahre erfolgreich gearbeitet und brauchen kein Coaching. Zumal es oft gescheiterte Pรคdagogen sind, die als letzten Ausweg um nicht selbst in die Arbeitslosigkeit zu geraten, die geringen Anforderungen welche die Jobcenter aus Kostengrรผnden an die Dozenten stellen, fรผr den eigenen Vorteil ausnutzen.

Ich halte es fรผr vรถllig unverantwortlich, wie hier mit รถffentlichen Geldern umgegangen wird. Dies ist nicht nur unfair gegenรผber den Betrieben die auch in der Vergangenheit Langzeitarbeitslose ohne jede Fรถrderung eingestellt und fair bezahlt haben, es stellt auch eine Diskriminierung der Arbeitskraft der Betroffenen dar.
Viel sinnvoller wรคre es, den teuren Verwaltungsapparat der Jobcenter vรถllig abzuschaffen, die Leistungen รผber die Finanzรคmter an die Betroffenen auszuzahlen.

Stattdessen wird das asoziale Verhalten einiger Arbeitgeber massiv gefรถrdert, und die Vorurteile gegenรผber Hartz IV Betroffenen dadurch weiter geschรผrt. (Dietmar Brach)