Arme können nicht in Würde leben. Dafür sorgt seit 14 Jahren das Unrechtssystem Hartz IV. Doch eine neue Studie des Max-Planck-Instituts zeigt, dass die Auswirkungen von Armut noch viel weiter gehen: Wer arm ist, lebt nicht nur schlechter, sondern stirbt auch früher.
Arme werden in der Regel keine 80 Jahre alt, Reiche dagegen können ihre Rente im Durchschnitt bis 84 genießen. Das ist im Prinzip schon immer so, doch die Situation wird immer schlimmer. Statt Ungleichheiten abzubauen hat die neoliberale Armutspolitik der vergangenen 20 Jahre die Situation von Armen immer weiter verschärft. Besonders betroffen ist Ostdeutschland.
Schere bei der Lebenserwartung von Arm und Reich geht immer weiter auf
Die Schere zwischen Arm und Reich geht in allen Lebensbereichen weiter auseinander, auch bei der Lebenserwartung selbst. Das ist seit langem bekannt. 1997 betrug der Unterschied bei Männern im Durchschnitt drei Jahre. Doch statt kleiner wird der Abstand immer größer. 2005 hatten Reiche schon vier Jahre mehr Lebenszeit zu erwarten als Arme. Wer also 2005 eine sehr hohe Rente bekam, lebte im Schnitt noch 19 Jahre. Wer dagegen im Erwerbsleben schon knapsen musste, hatte auch 2005 durchschnittlich nur noch 15 Jahre vor sich. 2016 ist der Unterschied noch größer geworden: Reiche lebten im Durchschnitt fünf Jahre länger als Arme.
Lebenserwartung von Armen
- 1997: 3 Jahre weniger
- 2005: 4 Jahre weniger
- 2016: 5 Jahre weniger
Große Unterschiede in Ost und West
Laut Max-Planck-Institut stieg die Lebenserwartung insgesamt zwar für alle an, für Reiche aber viel mehr als für Arme. 2016 wurde ein Armer in Westdeutschland 1,8 Jahre älter als noch 1997. Ein Reicher hingegen wurde 2016 ganze 3,5 Jahre älter als noch 1997. Im Osten hat sich die Gesundheit der Menschen seit dem Ende der SED-Diktatur insgesamt verbessert. Das führt dazu, dass die Lebenserwartung dort deutlicher stieg als im Westen – die Menschen leben dort aber im Schnitt immer noch kürzer als in den alten Bundesländern. Zwischen 1997 und 2016 gewann ein Reicher im Osten 4,7 Lebensjahre hinzu, im gleichen Zeitraum gewann ein Armer nur 3 Lebensjahre.
Lebenserwartung seit 1997
Arme | Reiche | |
Westen | + 1,8 Jahre | + 3,5 Jahre |
Osten | + 3 Jahre | + 4,7 Jahre |
Durch die verfehlte Politik nach der Wiedervereinigung rutschten in Ostdeutschland viele Menschen durchs soziale Netz und landeten in Langzeitarbeitslosigkeit oder in Minjobs. Die Auswirkungen des sozialen Kahlschlags der Wendejahre machen sich bis heute bemerkbar: 2005 waren 20 % der Rentner in der untersten Einkommensgruppe. 2016 betraf das fast doppelt so viele: 36 %. Viele der Rentner landeten in der Armutsfalle, weil sie in ihren letzten Jahren vor dem Renteneintritt nur noch wenige Rentenpunkte sammeln konnten.
Chef-Forscher Wenau: „Männer im Osten verlieren ein Lebensjahr.“
Wäre die Bevölkerungsstruktur in Ostdeutschland so geblieben, wie sie vor der Wende war, wären dort heute viel weniger Menschen arm. Diese Menschen wären dann auch nicht vom Risikofaktor Armut betroffen, der eine kürzere Lebenserwartung bedeutet. Georg Wenau, Chef der Forschergruppe beim Max-Planck-Institut drückt es so aus: „Die 65-jährigen Männer im Osten verlieren über die Zeit durchschnittlich ein potenzielles Lebensjahr, das sie hinzugewonnen hätten, wenn die sozioökonomische Struktur der Bevölkerung gleich geblieben wäre.”
Die Rostocker Forscher schauten sich für ihre Untersuchung Daten der Deutschen Rentenversicherung von 2016 näher an. Es wurden also nur Leute berücksichtigt, die auch Bezüge von der Deutschen Rentenversicherung erhielten. Besonders Gutverdienende wie Selbstständige und Beamte blieben demnach außen vor. Der wahre Unterschied ist wohl also noch extremer.
Menschenunwürdige Ergebnisse
Wiedermal zeigt sich die soziale Ungerechtigkeit, die in einem der reichsten Länder der Welt herrscht. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Dass Hartz IV-Betroffene ein schwereres Leben haben als Reiche, war klar. Dass ihr Leben zudem noch kürzer ist, sollte zum Umdenken alamieren.
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors