Hartz IV Teilhabeleistungen: Das Geld kommt bei den Kindern nicht an

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Teilhabeleistungen kommen wegen absurder bรผrokratischer Hรผrden nicht bei den Familien an, Tacheles fordert das Geld direkt an die Familien auszuzahlen.

Zum 1. August 2019 sind ร„nderungen beim sogenannten Bildungs- und Teilhabepacket (BuT) in Kraft getreten: Kinder und Jugendliche aus einkommensarmen Familien bekommen etwas mehr Geld fรผr Ausgaben im Bereich Schule und fรผr Freizeitaktivitรคten, das Antragsverfahren wurde erleichtert. Doch vielfach kommen die Leistungen wegen absurder bรผrokratischer Hรผrden nicht an. Deshalb fordert Tacheles e.V. zusammen mit anderen Erwerbslosengruppen, -organisationen und der Nationalen Armutskonferenz die Kommunen und Landkreise auf, das Geld direkt an die Familien auszuzahlen.

Die BuT-Leistungen wurden bisher zum grรถรŸten Teil in Form von Gutscheinen angeboten bzw., wie in Wuppertal, direkt mit den Leistungsanbietern โ€“ z.B. Schulen oder Sportvereine โ€“ abgerechnet. Nur der Zuschuss zum Kauf von Schulmaterial wird zweimal im Jahr direkt an die 6- bis 15-jรคhrigen Hartz-IV-berechtigten Schรผler*innen รผberwiesen. Dieses โ€žSach- und Dienstleistungsleistungssystemโ€œ erzeugt viel Unmut bei allen Beteiligten.

โ€žVon den Kindern und Jugendlichen verlangt es, dass sie sich in Schule oder Sportverein zwangslรคufig als โ€šHartz-IVโ€˜ outen mรผssen. Von Schulen, Vereinen und den Behรถrden verlangt es viel รผberflรผssige Bรผrokratie,โ€œ erklรคrt Frank Jรคger, Sozialberater beim Verein Tacheles. โ€žMit dem Wust an Vorschriften und Formularen kommt niemand zurecht โ€“ nicht einmal die ร„mter.โ€œ

So ist es kein Wunder, dass in den vergangenen Jahren nur fรผr einen Bruchteil der berechtigten Kinder die BuT-Leistungen abgerufen wurden. Die Bundesagentur fรผr Arbeit bilanziert, dass im Jahr 2018 lediglich fรผr 670.000 Kinder, die Hartz IV bezogen, eine oder mehrere Leistungen aus dem Bildungspaket beantragt wurden. Das sind gerade mal 28 % von 2,5 Mio. Kindern, die Hartz-IV oder vergleichbare Leistungen bezogen haben โ€“ oder anders herum: 72 % der Berechtigten stellten keinen Antrag und gingen leer aus.

Wuppertal liegt bei den Leistungen zur sozialen und kulturellen Teilhabe mit einer Teilhabequote von 2,5 % an vorletzter Stelle in NRW. Im Ferienmonat Juli 2017 nahmen von 8.597 berechtigten Kindern in Wuppertal ganze 217 Kinder diese Leistung tatsรคchlich in Anspruch.

โ€žZum hohen bรผrokratischen Aufwand, um die seit August auf 15 โ‚ฌ erhรถhte Direktzahlung an Vereine oder andere Anbieter monatlich zu realisieren, kommt die Unwissenheit der Eltern und die restriktive Bewilligungspraxis, die wir hier in Wuppertal feststellen,โ€œ erklรคrt Frank Jรคger das schlechte Abschneiden der Stadt.

Allerdings gibt es bei den BuT-Leistungen ein AusreiรŸer nach oben: Bei den 6- bis 15-jรคhrigen kamen 2018 die Leistungen fรผr den persรถnlichen Schulbedarf in 84 % der Fรคlle an. Dieser Gruppe wird das Geld ohne besonderen Antrag vom Jobcenter direkt auf das Konto รผberwiesen. Insgesamt sei dennoch โ€ždie durchschnittliche Quote bewilligter Antrรคge und festgestellter Ansprรผche โ€ฆ niederschmetternd gering,โ€œ stellte der Paritรคtische Wohlfahrtsverband im September 2018 in seiner Studie fest.

Ab August ist die Gewรคhrung der Leistungen in Form von Gutscheinen oder Zahlung an die Leistungsanbieter im Gesetz nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Jetzt ist es den Stรคdten und Landkreisen, die die BuT-Leistungen bewilligen, auch mรถglich, Geldleistungen direkt an die Eltern zu รผberweisen. Nur dies gewรคhrleistet ein mรถglichst unbรผrokratisches Verfahren, mit dem Kindern und Familien signalisiert wird, dass Politik und Verwaltung sie tatsรคchlich unterstรผtzen und ihnen die Mittel fรผr Bildung und Teilhabe in die Hand geben wollen. โ€žDeshalb hat der Erwerbslosenverein Tacheles diese Kampagne mitangestoรŸen und fordert die Stadt Wuppertal und ihre Sozialverwaltung auf, die Richtlinien umgehend zu รคndern und alle BuT-Leistungen als Geldzahlung direkt an die Eltern zu erbringen,โ€œ schlieรŸt Jรคger. (pm)