Hartz IV-Skandalurteil: Heizkostenzuschüsse zu hoch

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Urteil: Hartz IV-Heizkostenzuschüsse angeblich zu hoch

26.04.2013

Völlig unerwartet kippte heute das Landessozialgericht die Berliner Heizkostenzuschüsse (WAV) für Bezieher von Hartz IV-Leistungen. Unerwartet deshalb, weil diese nicht etwa als zu niedrig sondern zu hoch seitens des Gerichts eingestuft wurden. Die Mietervereine und die Linke protestieren gegen die Entscheidung und nennen diese ein „Skandal-Urteil“.

Wenn dieses Urteil bestätigt wird, müssen Bezieher von Hartz IV-Leistungen in Berlin demnächst in kalten Wohnungen leben. Laut einer Entscheidung des Landessozialgerichts seien die Bestimmungen in Berlin „zu großzügig“. Allerdings wurde eine Revision vor dem Bundessozialgericht zugelassen. Unklar ist, ob Berlin klagen wird, denn schließlich ist das Urteil ein Freifahrtschein für Kürzungen. Bis eine Neuregelung geschaffen wurde, gilt die sogenannte Wohnaufwendungsverordnung (WAV) weiterhin.

Alle Sozialrechtsexperten hätten mit diesem Urteil zu der WAV nicht gerechnet. Geklagt hatten zwei Hartz IV-Bezieher. Diese hatten eine Normenkontrollklage angestrengt. Eigentlich richtete sich die Klage gegen die vom rot-schwarzen Senat eingeführte Verordnung für die Miet- und Heizkosten von Hartz IV-Beziehern. Als der Sozialsenator Mario Czaja (CDU) diese im Frühjahr letzten Jahres vorstellte, kritisierten die Linkspartei, Erwerbslosenverbände und Mietvereine diese als ungenügend. Doch einerseits hatte die Klage Erfolg, weil die WAV tatsächlich gekippt wurde, auf der anderen Seite urteilte das Gericht, dass diese „zu hoch angesetzt“ sei (Az.: L 36 AS 2095/12 NK)

Überrascht zeigte sich dann auch die Linkspartei-Abgeordnete und Sozialexpertin Elke Breitenbach. „Bislang ist mir kein ähnliches Urteil bekannt geworden“. In Berlin gelten viele Besonderheiten wie der Altbau, der aufgrund der hohen Decken und ungenügenden Isolierung intensives Heizen benötige. In energetisch sanierten Häusern leben dafür Hartz IV Bezieher eher selten.

Der Senat ließ verlautbaren, dass eine schnelle Korrektur erst einmal nicht stattfinden werde. So sagte der Sozialsenator gegenüber der TAZ: „Das Gericht hat weder den Mietspiegel, die einheitlichen Richtwerte für ganz Berlin noch dem Grunde nach das Bruttowarmmietenkonzept als Basis für die Wohnaufwendungsverordnung infrage gestellt“. Erst einmal wolle der Senat die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und entscheiden, ob auch ein Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht infrage kommt. Allerdings neige man schon eher zum Weiterverhandeln: „Wir sind daran interessiert, die Verordnung höchstrichterlich prüfen zu lassen.“ Weil dann das Urteil nicht rechtskräftig ist, kann die alte Verordnung weiter bestehen bleiben.

Im SGB II ist festgelegt, dass die Kosten der Unterkunft „soweit diese angemessen sind“, übernommen werden. Die Regeln der Angemessenheit müssen dann die Länder und Kommunen festlegen. In Berlin nimmt der Senat einfach die angemessenen Heizkosten aus dem bundesweiten Heizkostenspiegel. Dort lassen sich dann Vergleichswerte je nach Größe der Wohnung und Art der Heizung finden. Diese sind in niedrig, mittel, erhöht und hoch eingeteilt. Der Senat hat die Zahlen aus der Gruppe „hoch“ genommen. „Verschwendung werde damit zum Grundsatz“, so die Richter. Eine solche Regelung kann nach Meinung des Landessozialgericht „nicht angemessen sein“. „In § 4 WAV hat der Senat von Berlin abstrakt angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung als Summe aus den Werten für Bruttokaltmiete und Heizkosten bestimmt (so genanntes Bruttowarmmietenkonzept). Diese Verfahrensweise führt nur dann zu gesetzeskonformen Ergebnissen, wenn beide Werte richtig hergeleitet sind, d. h. ausgehend von tatsächlichen, nach der gesetzlichen Regelung als angemessen anzuerkennenden Bedarfen bestimmt werden. Dem genügt der herangezogene Heizkostenwert nicht. Denn es wurde eine Missbrauchsgrenze verwandt, die nicht darauf abzielt und nicht dazu geeignet ist, einen angemessenen Heizbedarf darzustellen. Die daraus folgende Verzerrung ist so gravierend, dass der Summenwert – also die in der WAV als Richtwert ausgewiesene angemessene Bruttowarmmiete – keinen Bestand hat.“

Würde aber der Senat die Werte aus der Kategorie „mittel“ nehmen, dann würde nur noch die Hälfte der Heizkosten übernommen werden. Zudem monierte das Gericht, dass in der WAV keine bundesweiten und regionalen Vergleichswerte enthalten sind. (wm)

Bild: Michael Staudinger / pixelio.de

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