Anbieter ambulanter Pflege-Wohngemeinschaften können nach dem Tod einer mittellosen pflegebedürftigen Bewohnerin auf den ungedeckten Betreuungskosten sitzenbleiben. Hat der Betreiber der anbieterverantworteten WG Betreuung und Unterkunft nicht aus einer Hand angeboten, ist der Sozialhilfeträger nicht zur Übernahme der ungedeckten Betreuungskosten verpflichtet, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in zwei am Freitag, 31. Oktober 2025, bekanntgegebenen Urteilen vom Vortag (Az.: B 8 SO 13/24 R und Az.: B 8 SO 1/25 R). Denn in diesem Fall gilt der WG-Anbieter nicht als „Einrichtung“, vergleichbar einem Pflegeheim, bei denen der Sozialhilfeträger die noch ungedeckten Betreuungskosten übernehmen muss.
Da Pflegeheime oder vergleichbare Einrichtungen wegen der Vorhaltung von Pflegepersonal, Gebäuden und etwa wegen einer möglichen Unterbelegung ein besonderes wirtschaftliches Risiko tragen, wollte der Gesetzgeber „Einrichtungen“ schützen.
Daher gelten sie nach dem Tod eines Pflegebedürftigen als „Sonderrechtsnachfolger“. Bestehende Leistungsansprüche des mittellosen Betroffenen gegenüber dem Sozialhilfeträger gehen nach dem Tod auf die Einrichtung über. Die „Einrichtung“ kann dann sich ungedeckte Betreuungskosten von der Sozialhilfe erstatten lassen.
Ambulante Dienste gelten dagegen nicht als „Einrichtung“. Sie bleiben nach dem Tod des mittellosen Pflegebedürftigen auf offene Pflegekosten sitzen.
Das BSG hatte in den beiden verhandelten Fällen nun zu entschieden, inwieweit auch sogenannte anbieterverantwortete ambulante Pflege-Wohngemeinschaften als „Einrichtung“ gelten können. Im ersten Verfahren ging es um eine WG für demenzkranke Menschen, im zweiten Verfahren um eine WG für die intensivpflegebedürftige Betreuung schwerst kranker Kinder.
Anders als bei selbstverantworteten WGs liegt bei anbieterverantworteten WGs die Organisation und Verwaltung nicht in den Händen der Betroffenen oder ihrer Angehörigen, sondern in Händen des WG-Anbieters.
Sozialhilfe: Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ gestellt
Im ersten Fall lebte eine demenzkranke Frau seit 2019 in einer Demenz-WG im Raum Gelsenkirchen. Sie hatte mit einer GmbH einen Vertrag über die Erbringung von Betreuungsleistungen geschlossen. Mit zwei weiteren juristischen Personen wurde ein ambulanter Pflegevertrag sowie ein Mietvertrag vereinbart. Der Betreuungsvertrag wurde nur wirksam, wenn auch der Mietvertrag für die WG geschlossen wurde.
Um die Kosten decken zu können, beantragte die mittellose Frau bei der Stadt Gelsenkirchen als zuständigen Sozialhilfeträger „Hilfe zur Pflege“. Als sie im August 2020 starb, machte der Betreuungsanbieter ungedeckte Kosten in Höhe von 20.508 Euro bei der Stadt geltend. Da die Demenz-WG als „Einrichtung“ einzustufen sei, müsse die Sozialhilfe nach dem Tod der Frau die ungedeckten Kosten übernehmen.
Die Stadt lehnte dies ab. Ambulante WGs seien keine stationäre oder teilstationäre „Einrichtung“.
Das Landessozialgericht Essen wertete die Demenz-WG jedoch als „Einrichtung“. Denn die Leistungen seien ähnlich wie bei Heimen räumlich an die Unterkunft gebunden. Der Mietvertrag setze die Erbringung von Betreuungsleistungen voraus.
Im zweiten Fall hatte der Anbieter einer WG für intensivpflegebedürftige Kinder einen Kinder-Behandlungspflegevertrag abgeschlossen. Der Mietvertrag lief über eine andere juristische Person. Anders als im ersten Fall war der Pflegevertrag unabhängig vom Mietvertrag. Als das Kind starb, machte der WG-Anbieter beim Sozialhilfeträger ungedeckte Kosten in Höhe von über 41.000 Euro geltend.
BSG lehnt ab: Bei WGs handele es sich nicht um eine „Einrichtung“
Doch das BSG wies beide Klagen ab. Bei den anbieterverantworteten WGs handele es sich nicht um eine „Einrichtung“ im Sinne des Sozialgesetzbuches XII. Der Gesetzgeber habe bewusst bei der Sonderrechtsnachfolge ambulante Dienste nicht begünstigen wollen.
Bei der Demenz-WG sei entscheidend, „dass der Abschluss und der Bestand des Mietvertrags rechtlich von der Erbringung der Pflege- und Betreuungsleistungen unabhängig und die Klägerin für die Vorhaltung des Wohnraums nicht verantwortlich war“, so das BSG. Um als Einrichtung gelten zu können, müssten Unterkunft und Betreuung aber aus einer Hand erfolgen.
BSG: Nach Tod des Bewohners muss Sozialhilfe nicht Kosten übernehmen
Aus demselben Grund liege auch im zweiten Verfahren keine „Einrichtung“ vor. Hier habe die Klägerin zwar noch darauf verwiesen, dass nach landesrechtlichen Heimgesetzen solch eine WG als „Einrichtung“ gelten könne. Bei der Frage nach der Übernahme ungedeckter Betreuungskosten durch den Sozialhilfeträger sei der Begriff „Einrichtung“ aber einheitlich und nicht nach den unterschiedlichen Regelungen des Heimrechts der Bundesländer auszulegen, so das BSG. fle




