Hartz IV: Neue ALG II Verordnung

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Neue ALG II – Verordnung und mögliche Verfassungsbeschwerde

Das Bundeskabinett hat am 07. Dezember 2007 eine neue Arbeitslosengeld II – Verordnung abgesegnet, die am ersten Januar 2008 in Kraft getreten ist und nach dem Referentenentwurf zu Einsparungen bei den ALG II – Leistungen führen soll, insbesondere bei Selbständigen, die ergänzend das Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehen.

Die vergangenen Wochen wurden nunmehr intensiv genutzt, unter Einschaltung verschiedener Anwaltskanzleien, einerseits die verfassungsrechtlich bedenklichen Punkte der neuen Verordnung herauszuarbeiten, andererseits nach Wegen zu suchen, wie Betroffene ohne langen Rechtsweg möglicherweise direkt das Bundesverfassungsgericht anrufen können.

Als verfassungsrechtlich bedenklich dürfen dabei folgende Punkte gelten:
a) die Anrechnung freier Krankenhausverpflegung,
b) die Senkung der Verpflegungsmehraufwendungen auf den einheitlichen Satz von 6 Euro je Tag bei mehr als 12 Stunden Abwesenheit,
c) die Beschränkung der Absetzungsmöglichkeiten für geschäftliche Fahrten mit dem Privat-Pkw auf 0,10 Euro je Kilometer sowie
d) die Ausgabenanerkennung bei Selbständigkeit in pauschalierter und nicht konkret nachzuvollziehender Form durch die Argen SGB II.

Darüber hinaus fehlt auch eine Übergangsregelung zur bisherigen Abschreibungspraxis nach der ESTG für die Betriebseinrichtung und der neuen Regelung.

Konkret ging es um einen Selbständigen, der ergänzend ALG II bezieht, dessen berufliche Tätigkeit überwiegend mit Reisen ins In- und Ausland verbunden ist und der teilweise keinen Einfluss auf die Wahl der Unterkünfte und damit Verpflegungsausgaben nehmen kann, da dies entweder von den Auftraggebern bestimmt wird bzw. in der entsprechenden Region, wo er arbeiten muss, keine Auswahl vorhanden ist sondern auf das zurückgegriffen wird, was vorhanden ist.

Im vorliegenden Fall ergibt sich zwar klar, dass Aufträge, die der selbständige Hilfebedürftige annimmt, bei Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von maximal 6 Euro pro Tag nur mit erheblichen Zuzahlungen aus dem Regelsatz durchgeführt werden könnten, damit unwirtschaftlich wären und langfristig in die Insolvenz führen würden, trotzdem tritt die unmittelbare Betroffenheit erst mit Anwendung der VO durch die Arge SGB II ein!

In diesem Fall wirkt der Staat in seinem Sparwahnsinn arbeitsplatzvernichtend!
Der Gesetzgeber ist bei der Festsetzung der 6 Euro pro Tag von einem Monteur ausgegangen, der abends wieder zu Hause ist. Unterschiede, ob ein oder zwei Hauptmahlzeiten pro Tag anfallen, wurden ebenso nicht gemacht wie auch unterschieden, ob die Tätigkeit im In- oder ggf. teuerem Ausland erfolgt. Schon allein die Beschränkung des deutsches Tagessatzes von 24 Euro bei ganztätiger Abwesenheit auf 6 Euro, also 25% dieses Satzes dürfte einen klaren Verstoß gegen das Grundgesetz darstellen, da hier weder die garantierte Gleichheit vorhanden noch die Berufsausübung überhaupt möglich ist.

Die Anforderungen an eine direkte Verfassungsbeschwerde sind aber sehr hoch.
So muss der Antrag ordnungsgemäß gestellt, der Antragsteller selbst prozessfähig und betroffen sowie eine Beschwerdebefugnis vorhanden sein, was dann der Fall ist, wenn der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist. Während der erste Punkt in der Regel leicht zu erfüllen ist, fehlt die Gegenwärtigkeit schon, wenn der Beschwerdeführer erst zukünftig von den Rechtsfolgen betroffen ist. Die unmittelbare Betroffenheit schließlich ergibt sich jedoch erst dann, wenn die Arge SGB II die Verordnung anwendet wie zuvor schon erläutert wurde.

Somit reicht es auch im zuvor genannten speziellen Fall nicht zu einer direkten Verfassungsbeschwerde, weil die Arge SGB II die neue Verordnung erst anwenden muss. Das ist allerdings bereits der Fall, wenn sie diese bei der Einnahmenprognose des Selbständigen anwendet oder wenn dieser beantragt, das Einkommen aus Selbständigkeit wie bisher nach den Regeln der Einkommensteuergesetzgebung zu ermitteln und die Arge SGB II dies als ausführendes Amt des Gesetzgebers ablehnen muss. Als ausführendes Amt des Gesetzgebers hat die Arge SGB II keine Möglichkeit, die neue VO nicht anzuwenden, denn sie darf die Frage der Gesetzmäßigkeit selbst nicht stellen.

Eine direkte Verfassungsbeschwerde gegen die neue ALG II – Verordnung ist damit nicht möglich!
Dies bedeutet, dass jeder Betroffene, insbesondere die Selbständigen, die ergänzend ALG II beziehen, auf sich allein gestellt sind und den üblichen Rechtsweg, ggf. durch alle Instanzen gehen müssen, bis eventuell eine Verfassungsbeschwerde eingereicht werden kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass auch Sozialgerichte eine Verfassungswidrigkeit feststellen dürfen und Anträge auf Einstweilige Anordnung zur vorläufigen Regelung immens wichtig sind, um zu erwartende langwierige Rechtsverfahren überhaupt finanziell durchstehen zu können. Verantwortlich für den Inhalt dieser Mitteilung: (Michael Schnelle, Agentur für Medien, Touristik und Vertrieb, 16.03.2008)