Hartz IV Leistungseinstellung aufgrund vermuteter Arbeitstätigkeit
Trotz des Urteils am Bundesverfassungsgericht, nachdem Sanktionen über 30 Prozent verfassungswidrig sind, können Jobcenter im Verdachtsfall die kompletten Hartz IV Leistungen streichen. Ein aktuelles Beispiel beweist dies.
Leistungen um 100 Prozent gekürzt
Franz G. aus Ergolding (Landkreis Landshut) ist verzweifelt. Das Jobcenter hat ihm die kompletten Hartz IV-Leistungen gestrichen. Gegenüber dem “Wochenblatt” sagt er: „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“
Dem Betroffenen wurden die Leistungen seit einem Monat um 100 Prozent gestrichen. Für den 62jährigen bedeutet dies, dass er sich selbst das Allernötigste nicht mehr leisten kann. „Ich bin aus allen Wolken gefallen”, sagt er.
Gesundheitliche Probleme nach einem Unfall
Nach einem Unfall hatte Franz G. gesundheitliche Probleme. Seit Juli 2018 ist er nun erwerbslos und bekommt Hartz IV Leistungen. Ende Oktober schrieb ihm das Jobcenter, dass er keine Leistungen mehr erhält. In dem Anschreiben heißt es: „Die Zahlung Ihrer Leistungen wurde vorläufig eingestellt, weil Sie eine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben und Sie deshalb Ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen sichern könnten.“
Jobcenter wertet Probearbeit als reguläre Arbeitsstelle?
Unwahr ist das nicht. Im Sommer hatte G. einen Monat bei einer Autowaschanlage gearbeitet. Dabei hatte er das Jobcenter über den kurzzeitigen Job nicht rechtzeitig informiert. “Das war ein Fehler”, wie er heute sagt. Doch dieses Mal habe er keinen Job angenommen, wie er beteuert. Denn er habe nur ein paar Stunden zur Probe bei einem großen Onlineversand gearbeitet. Ein Festangestellung sei dabei aber nicht zustande gekommen.
Ausgerechnet jetzt werden die Leistungen gestrichen. Denn er habe in der Paketabfertigung am Münchener Fughafen ab Dezember einen festen Job in Aussicht gestellt bekommen. Hierfür muss er allerdings an einer Schulung teilnehmen. Ohne Hartz IV Leistungen könne er sich aber die weite Anfahrt zur Schulungsmaßnahme nicht leisten.
Auch die Miete wurde gestrichen
Rücklagen hat der Betroffene nicht. Er kann nur Freunde fragen, damit die ihm ein wenig Geld leihen, damit er sich etwas zu essen kaufen kann. Nur so kommt er irgendwie über die Runden. Dennoch ist die Situation sehr kritisch, da nicht nur die Hartz IV Leistungen gestrichen wurden, sondern auch die Miete.
Er selbst kann die 100 Prozent Kürzung nicht verstehen, schließlich habe doch das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass Sanktionen über 30 Prozent gegen das Grundgesetz verstoßen. Allerdings wurden nicht Sanktionen ausgesprochen, sondern eine Leistungseinstellung aufgrund vermuteter Erwerbstätigkeit und fehlender Mitwirkungspflicht. Diese Hintertür hat das Jobcenter noch immer offen, um Leistungen zu verweigern.
Jobcenter gibt keine Auskünfte
Gegenüber dem “Wochenblatt” wollte sich die Jobcenter-Geschäftsführerin Anett Asztalos nicht konkret äußern. Der Datenschutz verbiete dies. Allerdings beträfe das Urteil nicht junge Leistungsbezieher unter 25 Jahre und Meldeversäumnisse. Das geben die aktuellen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit nicht her. “Derzeit wird von Entscheidungen in diesem Bereich abgesehen. Die ausstehende Klärung wirkt sich somit nicht auf die Praxis aus”, so die Jobcenter-Chefin.
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