Hartz IV: Jobcenter-Mitarbeiter schnüffeln bei Facebook und Co

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Obwohl keine Weisung der Bundesagentur für Arbeit hierzu existiert, durchstreifen einige Jobcenter-Sachbearbeiter das Internet, um sich über ihre “Kunden” zu informieren. Aufgrund von Online-Recherchen der Mitarbeiter wurden Hartz IV Bezüge bereits gestrichen.

Angeblicher Ebay-Handel

Karin G. wurde in ihr zuständiges Jobcenter eingeladen. Der Sachbearbeiter warf ihr vor, bei Ebay Sachgegenstände gewinnbringend zu verkaufen. Zwar würde eine “anonyme Anzeige” vorliegen, aber für Karin G. stand fest, dass nur ein Blick auf ihr Profil auf der Socialmedia-Plattform “Facebook” diesen Eindruck hätte entstehen lassen können. Karin G. hatte bei Facebook Links zu ihren Verkäufen gelegt und diese auch auf öffentlich gestellt. “Ich habe lediglich gebrauchte Gegenstände verkauft, die mir zuvor gehörten”, beteuert sie.

Dagegen kann das Jobcenter nichts sagen. Der Fall war damit ersteinmal erledigt. Denn die Behörde konnte daraus keinen Gewerbsmäßigen Handel ableiten. Es hätte aber auch anders kommen können.

Sozialgerichte akzeptieren Beweise aus dem Internet

Es zeigt aber, dass einige Mitarbeiter in den Behörden übereifrig ihren Klienten hinterher schnüffeln. Eine Weisung der Bundesagentur für Arbeit existiert hierzu nicht. Im Gegenteil, die oberste Bundesbehörde verbietet sogar ein solches Vorgehen.

Dennoch: „Bei Missbrauch akzeptiert das Sozialgericht die Recherche in sozialen Netzwerken, obwohl die Bundesagentur für Arbeit dies verbietet“, erklärte schon einmal der Leiter des Jobcenters in Düren, Karl-Josef Cranen gegenüber dem Magazin von “Correctiv”. Auf Nachfrage ruderte der Jobcenterleiter dann wieder zurück: „Der Sachverhalt hat sich doch anders dargestellt: Der späteren Rückforderung von Leistungen lag eine anonyme Anzeige zu Grunde.“

Datenschutzbeauftragter widerspricht Internet-Recherchen

Eine Sprecherin des Datenschutzbeauftragte in NRW betont, dass ein Durchleuchten von Hartz IV Beziehern im Internet oder bei Facebook nicht gerechtfertigt sei. „Das Internet bietet als Informationsquelle nicht unbedingt zuverlässige Auskünfte über Betroffene.“ Denn wer sich beispielsweise mit einem teuren Sportwagen auf seiner Profilseite präsentiert, besitzt nicht automatisch auch einen solchen Wagen. Es ist vielmehr ein “positives und übertriebenes Darstellen” der eigenen Person. Nicht mehr und nicht weniger. Der Datenschutzbeauftragte betonte daher, dass in erster Linie die Leistungsbezieher selbst befragt werden sollten. Nur wenn es einen handfesten Betrugsverdacht gäbe, sei eine Rechereche nachvollziehbar.

Viele Anfragen ob Schnüffeln im Internet erlaubt sei

Das Interesse der Sachbearbeiter in den Behörden ist offenbar groß. Immer wieder wandten sich kommunale Jobcenter an den Datenschutzbeauftragten, um anzufragen, ob gewonnene Daten aus dem Internet in welcher Form verwendet werden können. Teilweise wurden die Anfragen sogar telefonisch gestellt.

Auch in Hartz IV Foren wird mitgelesen

Im Hartz IV Forum berichten User über ihre Erfahrungen. Eine Nutzerin schreibt: „Die Konfrontation mit Wortmeldungen von mir auf anderer Plattform als hier wurde zwei Mal in Gesprächen mit Sachbearbeitern des Jobcenters mündlich vollzogen – mit dem Versuch, die Situation, die zur Rede stand, zu dementieren.“ Ein anderer Forenteilnehmer stellte fest: „Heute kann es passieren, dass einem Hartz4 gestrichen wird, weil der Sachbearbeiter im Internet angebliche Beweise für irgendwas gefunden hat.“

Keine Weisung der Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit betont hingegen, dass keinerlei Weisungen hierfür existiere, dass einzelne Sachbearbeiter den Leistungsbeziehern hinterher schnüffeln sollen. Im Gegenteil: „Soziale Netzwerke sind für unsere Mitarbeiter gesperrt. Es war auch nie möglich, diese zu nutzen. Das ist nicht unsere Geschäftspolitik“, sagte Susanne Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit.

Durchaus legitim bei Verdachtsfällen

Die Pressestelle des Bundes hingegen ließ verlautbaren, es seien „durchaus Fälle von Recherchen in sozialen Netzwerken durch Jobcenter bekannt geworden“. Das sei aber nur aufgrund von Verdachtsfällen geschehen. Wird ein Hinweis an das Jobcenter gegeben, würden auch Recherchen angestellt. Nachforschungen im Internet seien dann angemessen, so die Behörde.

Privates Facebook-Profil und Fantasienamen in Foren

Ein systemantisches Schnüffeln aller Leistungsbezieher findet also nicht statt. Allerdings gibt es in vielen Behörden Mitarbeiter, die aus Unwissen oder Übereifrigkeit ihren Kunden im Internet hinterher forschen. “In Foren sollten Leistungsberechtigte Fantasienamen verwenden und bei Facebook das Profil so einstellen, dass es von außen nicht einsehbar ist”, rät Sebastian Bertram von der Plattform “gegen-hartz.de”. Dadurch würde unnötiger Ärger mit dem Jobcenter vermieden. Denn steht ein ungerechtfertigter Vorwurf ersteinmal im Raum, kann jede Menge Ärger folgen. Und diesen erspart man sich mit einigen Vorkehrungen.

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