Hartz IV: Im Zweifel muss das Jobcenter zahlen

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LSG Essen: Jobcenter muss Klärung suchen und vorläufig zahlen
Menschen ohne Einkommen dürfen nicht zwischen die Stühle sozialer Zuständigkeiten geraten. Hat ein Jobcenter Zweifel an der Erwerbsfähigkeit eines Antragstellers, darf es daher nicht einseitig die Leistungen streichen, wie das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem am Donnerstag, 23. Juni 2016, bekanntgegebenen Eilbeschluss entschied (Az.: L 9 SO 427/15 B ER). Danach soll das Jobcenter in Zusammenarbeit mit dem Sozialamt die Zuständigkeit klären.

Damit sprach das LSG einem Italiener in Herne Hartz-IV-Leistungen zu. Er lebt seit vielen Jahren in Deutschland, darf arbeiten und hat damit grundsätzlich auch Anspruch auf Hartz IV. Als er keine Arbeit und kein Geld hatte, beantragte er die Leistung. Das Jobcenter zweifelte an der Erwerbsfähigkeit des Mannes und zog einen medizinischen Gutachter heran. Der kam zu dem Ergebnis, dass der Italiener nicht arbeitsfähig ist.

So verwies ihn das Jobcenter an die Sozialhilfe. Doch auch das Sozialamt der Stadt Herne lehnte existenzsichernde Leistungen ab.

Im Eilverfahren sprach ihm das LSG Essen nun Geld vom Jobcenter zu. Zwar sei es richtig, dass Hartz-IV-Leistungen voraussetzen, dass der Hilfebedürftige erwerbsfähig ist. Doch bis zur abschließenden Feststellung der Erwerbsunfähigkeit müsse das Jobcenter zumindest vorläufig zahlen. „Durch diese gesetzliche Verpflichtung soll verhindert werden, dass ein Antragsteller bei fraglicher Erwerbsfähigkeit zwischen die Stühle gerät und gar keine Leistungen, weder vom Jobcenter noch vom Sozialamt, erhält“, erklärte das LSG zur Begründung.

Danach dürfe das Jobcenter Leistungen nicht einfach ablehnen. Vielmehr müsse es den Sozialhilfeträger einschalten und mit diesem „vertrauensvoll zusammenarbeiten“, betonten die Essener Richter.

Hier hätte das Jobcenter daher ihr Gutachten dem Sozialamt übermitteln und anfragen müssen, wie dieses die Erwerbsfähigkeit einschätzt. Im Zweifel sei das Jobcenter nach den gesetzlichen Vorgaben verpflichtet, ein Gutachten des Rentenversicherungsträgers einzuholen, der verbindlich über die Erwerbsfähigkeit entscheidet. Nur wenn das Sozialamt die Zusammenarbeit verweigert und nicht in angemessener Frist auf die Gutachten reagiert, dürfe das Jobcenter einseitig Leistungen verweigern und auf das Sozialamt verweisen.

Im Streitfall habe das Jobcenter weder die Zusammenarbeit mit dem Sozialamt gesucht noch ein Gutachten der Rentenversicherung angefordert. Daher sei es zumindest vorläufig zur Zahlung von Hartz-IV-Leistungen verpflichtet, entschied das LSG in seinem Eilbeschluss vom 9. Juni 2016. mwo

Bild: dessauer – fotolia