Urteil: Hundehaftpflichtversicherungen sind bei der Hartz IV Leistungsberechnung zu berücksichtigen
Einen Erfolg konnte eine Hundebesitzerin, die auf Hartz IV Leistungen angewiesen ist, vor Gericht erringen. "Beiträge zu den Hundehaftpflichtversicherungen sind bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben sind", lautet der Tenor des Sozialgerichts Gelsenkirchen Az: S 31 AS 2407/14 (noch nicht rechtsgültig). Wird ein Erwerbseinkommen erzielt, ist Voraussetzung, dass das Bruttoeinkommen über 400 € beträgt und der Grundfreibetrag von 100 € ausgeschöpft wird.
Wortlaut der Entscheidung:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Berücksichtigung der Hundehaftpflichtversicherung bei der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Februar 2014 bis Juli 2014.
Der Klägerin stand für den streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gem. §§ 19 ff, 28 SGB II zu.
Gem. § 11 Abs. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Gem. § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II sind Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherung oder ähnlichen Einrichtungen vom Einkommen abzusetzen, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind.
Zu den gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen i.S.v. § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II zählen Haftpflichtversicherungen. Solche Beiträge sind – soweit der gesetzliche Mindestumfang der Versicherung nicht überschritten wird — unabhängig von ihrer Höhe abzusetzen (Schmidt in Eicher, SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 3. Auflage 2013, § 11b Rz. 16). Die Haftpflichtversicherung für Hundehalter ist für Besitzer von großen Hunden nach § 11 Abs. 2 Landeshundegesetz NRW eine Pflichtversicherung.
Ohne den Nachweis einer entsprechenden Versicherung ist die Haltung der Hunde der Klägerin von Gesetzes wegen nicht gestattet.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sieht die Absetzbarkeit der Versicherungsbeiträge i.S.v. § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II keinen Bezug der Haftpflichtversicherung zur ausgeübten Erwerbstätigkeit vor. Auch muss der Abschluss einer gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtversicherung nicht durch die Erwerbstätigkeit veranlasst worden sein. Eine entsprechende Zweckrichtung ist dem Wortlaut der vorstehenden Norm nicht zu entnehmen. Auch die systematische Auslegung der Vorschrift des § 11b SGB II spricht für das von der erkennenden Kammer vertretene Verständnis der Norm des § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II. So sieht der Gesetzgeber einen konkreten Bezug zur Einkommenserzielung für die Absetzbarkeit von Aufwendungen im Wortlaut des § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II vor. Dass der Gesetzgeber einen solchen Bezug in der Vorschrift des § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II explizit nicht erwähnt, lässt darauf schließen, dass nach dem gesetzgeberischen Willen eine Absetzbarkeit von sämtlichen Pflichtversicherungsbeiträgen – gleich welcher Art — vorgesehen ist.
Letztlich muss auch der Beklagte einräumen, dass der von ihm geforderte Bezug zur Einkommenserzielung für Pflichtversicherungen i.S.v. § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II nicht einheitlich gehandhabt wird. So wären nach Auffassung des Beklagten die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung – auch ohne Bezug zur Einkommenserzielung — von dem Einkommen abzuziehen. Einen sachlichen Grund für eine abweichende Handhabung der Absetzbarkeit der Beiträge anderer Pflichtversicherungen vermag das Gericht nicht zu erkennen.
Der Absetzbarkeit der Beiträge zur Hundehaftpflichtversicherung steht § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II nicht entgegen. Das monatliche Einkommen der Klägerin beträgt mehr als ~400,00 € und sie hat nachgewiesen, dass die Summe der Beträge nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3-5 den Betrag von 100,00 € übersteigt.
Abzugsfähig sind darüber hinaus folgende Beträge:
Allgemeine Werbungskostenpauschale i.H.v. 15,33 € (§ 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II); Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung i.H.v. 33,23 € (§ 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II); Fahrtkosten i.H.v. 21,60 € (§ 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II); geförderte Altersvorsorge i.H.v. 5,00 € (§ 11b Abs. 1 Nr. 4 SGB II).
Die Entscheidung Über die Zulassung der Berufung beruht auf den §§ 143, 144 Abs. 1 und 2 SGG. Die Berufung bedarf der Zulassung. Dies ergibt sich aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG, denn der Beschwerdegegenstand übersteigt für den Beklagten nicht die Berufungssumme von 750,00 €.
Die Klägerin war mit ihrem Begehren erfolgreich, die Berücksichtigung der Hundehaftpflichtversicherungen in Höhe von monatlich 14,61 € über den Zeitraum Februar 2014 bis Juli 2014 zu erreichen. Die Zulassungsentscheidung folgt aus § 144 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG.
Die Rechtssache hat eine grundsätzliche Bedeutung, denn ihre Klärung liegt im allgemeinen lnteresse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage, § 144 Rz. 28). Die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtsfrage der Berücksichtigungsfähigkeit einer Hundehalterversicherung als Pflichtversicherung ist in der Rechtsprechung noch nicht hinreichend geklärt. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Problemkreis existiert, soweit ersichtlich. (Quelle Erwerbslosen Forum Deutschland)
Bild: DoraZett/fotolia
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