Hartz IV erkennt Wachstum von Kindern nicht an
Stellen Sie sich vor
Sie geben Ihrem Kind bis zum Alter von 13 Jahren nur so viel zu essen und zu trinken, wie es im Säuglingsalter bekommen hat.
Wenn die Presse das erfahren würde, würde sie Ihre Verantwortungslosigkeit anprangern und mehr Kontrollen durch Jugendämter und Ärzte fordern. Was aber, wenn CDU, SPD, FDP und Grüne dasselbe machen?
Diese Parteien haben nämlich 7 bis 13-jährigen Schulkindern aus Hartz IV-Familien keinen höheren Bedarf zugestanden als Säuglingen. Vor Hartz IV bekamen sie noch rund. 20% mehr. 7 bis 13-Jährigen sind erhebliche Mittel für Essen und Trinken entzogen worden. Wenn sich Eltern beklagen, dass sie zu wenig Geld für ihre schulpflichtigen Kinder bekommen, hören
sie von gutverdienenden VertreterInnen der Hartz IV-Parteien, sie müssten sich das Geld eben besser einteilen. CDU, SPD usw. lehnen jede Verantwortung ab.
Weniger Geld besser einteilen?
Kinder im Alter von 7 bis 13 brauchen im Schnitt rd. 2.050 kcal an Energiezufuhr pro Tag, Kinder unter 7 nur 1.250. Die Bundesregierung stellt Kindern unter 14 für den täglichen Ernährungsbedarf aber nur die Einheitssumme von 2,28 Euro pro Tag zur Verfügung. Altersgerechte Förderung? Pustekuchen.
Für gesunde Ernährung brauchen Menschen 2,16 Euro pro 1.000 kcal, wenn sie den Energiewert von Lebensmitteln zu 100% nutzen. Kinder von 7 bis 13 Jahren bräuchten 4,43 Euro. (eigene Berechnung nach Angaben des Forschungsinstituts für Kinderernährung
in Dortmund, Ernährungsumschau 09/2007) Wie sollen Eltern 2,28 Euro einteilen, um den Bedarf an gesunder Ernährung in Höhe von 4,43 Euro zu decken? Merkel, Beck, von der Leyen und Münteferings Nachfolger meinen: Das geht…
Damit behaupten sie:
Auch wenn ein 13-jähriges Kind etwa zehnmal so viel wiegt wie ein Säugling und mehr als drei mal so groß ist, braucht es nicht mehr Geld für Nahrungsmittel als ein Säugling. Wenn Eltern damit nicht auskommen, sind sie selber schuld. Dabei ist den regierenden Parteien wenigstens in Bezug auf Autos klar: Je mehr Gewicht und je länger, desto höher sein Energieverbrauch. Bei Kindern aus Armutsfamilien jedoch wollen sie solche einfachen Zusammenhänge nicht wahrhaben. Sie würden schließlich Geld kosten.
Wachstumsbedarf von Kindern ab 14 gestrichen
Kinder hören bekanntlich erst zwischen 16 und 19 Jahren auf zu wachsen. Deshalb wurde bisher anerkannt, dass Kinder bis 18 einen höheren Bedarf als Erwachsene haben. Die Hartz IV -Parteien haben das abgeschafft. Sie setzen den Bedarf von Heranwachsenden
mit dem von erwachsenen Haushaltsangehörigen gleich und gestehen ihnen nicht mehr 90%, sondern nur noch 80% des Eckregelsatzes zu. Sie meinen also, dass man ab 14 nicht mehr wächst.
Was wird zur Rechtfertigung angeführt?
Es sind zwei dürre Sätze: 1) "(Damit) werden die Leistungen für Familien gerechter verteilt." (Bundesgesundheitsministerium
Pressestelle, 04) Hohles Zeug. Dass Kinder Wachstumsschübe haben, kann nicht ungerecht sein. 2) "Die Einteilung der Altersklassen "bis unter 14 Jahre"… entspricht international anerkannten wissenschaftlichen Verfahren." (Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Antwort vom 2.Juli 2007 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE BT-Drs. 16/5699, Seite 3)
Tatsächlich rechnet die OECD allen Kindern unter 15 dieselbe Höhe von Ausgaben im Verhältnis zum "Haushaltsvorstand" zu. Die OECD ist ein Zusammenschluss von 30 Industrieländern, repräsentiert durch ihre Regierungen. Bloß weil 30 Regierungen es verfügen, sollen Kinder verschiedenen Alters denselben Bedarf haben? Dummes Zeug.
Die wirklichen Gründe für die Kürzung sind:
• die Senkung der Regelsätze von Kindern erhöht den Druck auf die Eltern, zu Armutslöhnen zu arbeiten. Dadurch sollen Unternehmen höhere Profite einfahren können.
• Desinteresse an Kindern aus Armutsfamilien. Sie sollen billiger abgeschrieben werden.
• Die regierenden Parteien sind zu feige, das zuzugeben. Sie reden bei der Senkung von Unterstützungen lieber von Beseitigung von
“Fehlanreizen”, aktivierendem Sozialstaat, Fördern und Fordern, mehr “Eigenverantwortung” und mehr “Freiheit” von staatlicher Bevormundung.
Zurück zur Weimarer Republik
Die Gleichsetzung des Bedarfs von Schulkindern und Säuglingen war die Regel in Weimar, zur Zeit des Faschismus und in der Nachkriegszeit. Erst mit Einführung des Bundessozialhilfegesetzes im Jahre 1962 wurde diese kinderfeindliche Praxis aufgegeben. Die
Nicht-Anerkennung des Wachstumsbedarfs von Schulkindern seit Hartz IV ist ein Schritt zurück in die Vergangenheit. Wir sind für die allgemeine Erhöhung des Eckregelsatzes auf mindestens 500 Euro! Damit würden sich auch die Regelsätze der Kinder deutlich erhöhen. Die Bundesregierung aber, unter dem Druck des Kapitals, ist nicht einmal zu einer Erhöhung um einen Euro bereit. Das Mindeste wäre jedoch, den empörenden Zustand zu beenden, dass der Wachstumsbedarf von Schulkindern aus Armutsfamilien nicht mehr anerkannt wird. Der Text kann per PDF angesehen und ausgedruckt werden. Ein Weiterverteilen ist erwünscht. (12.03.2008, Rhein-Main-Bündnis)
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