Wenn Menschen trotz Arbeit Bürgergeld beziehen, geht es oft um knappe Spielräume. Umso größer ist die Verunsicherung, sobald im Spätherbst eine Sonderzahlung ansteht: Weihnachtsgeld, 13. Gehalt oder eine Prämie.
Viele fragen uns, ob das Jobcenter „alles wieder abzieht“, ob es auf den Monat der Auszahlung oder auf den Monat der Arbeitsleistung ankommt – und warum am Ende nicht selten Rückforderungen im Briefkasten landen.
Die kurze Nachricht vorweg: Beim Bürgergeld zählt grundsätzlich der Monat, in dem das Geld tatsächlich zufließt. Beim Weihnachtsgeld ist das fast immer der Monat, in dem es auf dem Konto gutgeschrieben wird. Die längere, wichtigere Erklärung beginnt beim sogenannten Zuflussprinzip.
Warum beim Bürgergeld das Buchungsdatum zählt
Das Bürgergeld folgt bei der Einkommensanrechnung dem Zuflussprinzip. Das bedeutet: Einnahmen werden in dem Monat berücksichtigt, in dem sie zufließen – also in dem Monat, in dem sie tatsächlich verfügbar sind. Genau so steht es im Gesetzestext, wie ihn auch die Bundesagentur für Arbeit in ihren fachlichen Weisungen wiedergibt.
Für Weihnachtsgeld ist das deshalb so, weil Arbeitgeber es sehr unterschiedlich auszahlen. Wird die Sonderzahlung am 30. November überwiesen und im November gutgeschrieben, dann wirkt sie im November.
Kommt sie erst am 2. Dezember an, wirkt sie im Dezember – selbst wenn sie „für Weihnachten“ gedacht ist. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags betonen in ihrer Ausarbeitung ebenfalls, dass es beim Anrechnungszeitpunkt auf den Zufluss ankommt, unabhängig davon, warum die Zahlung später erfolgt.
Weihnachtsgeld ist Arbeitsentgelt – auch wenn es „einmalig“ ist
Für Aufstocker ist entscheidend, dass Weihnachtsgeld in aller Regel Arbeitsentgelt ist. Die Bundesagentur für Arbeit beschreibt Arbeitsentgelt ausdrücklich als alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung – unabhängig davon, wie die Zahlung bezeichnet wird oder in welcher Form sie geleistet wird.
Dass Weihnachtsgeld einmal im Jahr kommt, macht es also nicht „unsichtbar“. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nennt Weihnachtsgeld ausdrücklich als Beispiel für eine einmalige Zahlung und stellt klar: Grundsätzlich wird eine solche Einnahme in dem Monat berücksichtigt, in dem sie zufließt.
Anrechnung heißt nicht: „Ein Euro rein, ein Euro weniger Bürgergeld“
Die Kürzung erfolgt nicht einfach eins zu eins, weil das Jobcenter nicht mit dem Bruttobetrag rechnet, sondern das Einkommen bereinigt. Abgezogen werden zum Beispiel Steuern und Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung sowie bestimmte notwendige Ausgaben, die mit dem Einkommen zusammenhängen.
Diese Absetzbeträge sind in den Regeln zur Einkommensberechnung angelegt und werden auch in den fachlichen Weisungen ausführlich geführt.
Dazu kommen bei Erwerbstätigen die Freibeträge, die dafür sorgen sollen, dass Arbeit sich auch im Leistungsbezug spürbar lohnt. Die Anrechnung funktioniert so:
Die ersten 100 Euro bleiben anrechnungsfrei; danach bleiben vom Brutto zwischen 100 und 520 Euro weitere 20 Prozent frei, zwischen 520 und 1.000 Euro weitere 30 Prozent und zwischen 1.000 und 1.200 Euro (bzw. bis 1.500 Euro bei minderjährigem Kind) weitere 10 Prozent.
Zahlt der Arbeitgeber den Monatslohn und das Weihnachtsgeld im selben Monat aus, wird für die Freibeträge auf die Summe dieses Monats geschaut. Dadurch steigt zwar auch der Freibetrag – gleichzeitig steigt aber eben auch das anzurechnende Einkommen.
Was das Jobcenter „wann“ anrechnet – und warum es trotzdem später Post geben kann
In der Praxis entsteht der Ärger oft nicht durch die Regel selbst, sondern durch den Zeitpunkt der Bescheide. Bürgergeld wird im Regelfall für den laufenden Monat gezahlt, während Einkommen häufig erst im Laufe dieses Monats zufließt.
Kommt dann Weihnachtsgeld hinzu, muss das Jobcenter den Anspruch für diesen Monat neu berechnen. Das kann dazu führen, dass zu viel gezahlt wurde und später zurückgefordert wird.
Gerade Aufstocker haben häufig Entscheidungen, die nicht endgültig sind, weil das Einkommen schwankt oder noch nicht sicher feststeht. Dafür gibt es die „vorläufige Entscheidung“ nach § 41a SGB II.
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Bescheid prüfenDort ist auch geregelt, dass das Jobcenter nach Ablauf des Bewilligungszeitraums abschließend über den monatlichen Anspruch entscheidet und Überzahlungen, die danach noch verbleiben, zu erstatten sind; außerdem nennt die Vorschrift eine Bagatellgrenze von insgesamt mindestens 50 Euro für die Bedarfsgemeinschaft.
Das erklärt, warum Weihnachtsgeld nicht nur im Auszahlungsmonat spürbar wird, sondern manchmal erst Wochen oder Monate später, wenn die abschließende Festsetzung erfolgt und die tatsächlichen Lohnabrechnungen vollständig vorliegen.
Der Sonderfall: Verteilung auf sechs Monate – aber nicht bei normalem Weihnachtsgeld
Rund um Weihnachtsgeld hält sich hartnäckig die Vorstellung, einmalige Einnahmen würden automatisch „auf mehrere Monate verteilt“.
Seit den Änderungen beim Bürgergeld gilt jedoch: Die Verteilung auf sechs Monate ist an eine konkrete Konstellation gebunden, nämlich an eine als Nachzahlung zufließende Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, und die im Zuflussmonat den Leistungsanspruch entfallen ließe. Dann wird diese Nachzahlung auf sechs Monate gleichmäßig aufgeteilt und ab dem Zuflussmonat monatlich berücksichtigt.
Für normales Weihnachtsgeld trifft das oft nicht zu, weil es keine „Nachzahlung für einen früheren Zeitraum“ ist, sondern eine Sonderzahlung, die im Auszahlungsmonat zufließt.
Anders kann es aussehen, wenn der Arbeitgeber rückwirkend Entgeltbestandteile nachzahlt und diese Zahlung nachweisbar frühere Monate betrifft. Dann kann die Sechs-Monats-Regel überhaupt erst auf den Tisch kommen.
Wenn das Weihnachtsgeld auf dem Papier da ist, aber nicht verfügbar: „bereite Mittel“
Ein weiterer Punkt, der in der Praxis selten, aber entscheidend sein kann: Einkommen kann nur berücksichtigt werden, wenn es als „bereites Mittel“ tatsächlich zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht.
Die Wissensdatenbank der Bundesagentur für Arbeit erläutert das am Beispiel gepfändeter Einkommensteile: Was wegen einer Pfändung nicht verfügbar ist, steht nicht als bereites Mittel zur Verfügung und wird grundsätzlich nicht als Einkommen berücksichtigt.
Auf Weihnachtsgeld übertragen heißt das: Nicht die Bezeichnung entscheidet, sondern die reale Verfügbarkeit. Wer hier in eine Sonderlage fällt, braucht allerdings belastbare Nachweise, weil das Jobcenter sonst vom Kontozufluss ausgehen wird.
Ein Beispiel aus der Praxis
Angenommen, eine alleinstehende Person stockt auf und hat einen monatlichen Gesamtbedarf (Regelbedarf plus angemessene Miete) von 1.150 Euro. Normalerweise verdient sie 900 Euro brutto und erhält 720 Euro netto ausgezahlt. Daraus ergibt sich – ohne weitere Besonderheiten und stark vereinfacht – ein Erwerbstätigenfreibetrag von 298 Euro, sodass im Regelfall 422 Euro als anrechenbares Einkommen übrig bleiben. Das Jobcenter zahlt dann 728 Euro Bürgergeld (1.150 Euro Bedarf minus 422 Euro anrechenbares Einkommen).
Im Dezember kommt zusätzlich Weihnachtsgeld: 300 Euro brutto, 210 Euro netto, und zwar mit der Dezember-Abrechnung auf das Konto. In diesem Monat liegen damit 1.200 Euro brutto und 930 Euro netto vor. Der Freibetrag steigt in diesem Monat zwar ebenfalls, in unserem Beispiel auf 348 Euro, dennoch bleibt ein höheres anrechenbares Einkommen von 582 Euro.
Der Bürgergeldanspruch sinkt dadurch für den Dezember auf 568 Euro. Im Vergleich zum „Normalmonat“ sind das 160 Euro weniger – und genau diese Differenz ist häufig der Betrag, den das Jobcenter später zurückfordert, wenn zunächst noch mit dem üblichen Einkommen gerechnet und erst danach die Lohnabrechnung mit Weihnachtsgeld berücksichtigt wurde.
Planen hilft – und der Zuflussmonat ist die entscheidende Stellschraube
Für Aufstocker ist Weihnachtsgeld grundsätzlich Einkommen und mindert den Bürgergeldanspruch in dem Monat, in dem es zufließt.
Die Wirkung fällt meist geringer aus als der Auszahlungsbetrag, weil Absetzbeträge und Erwerbstätigenfreibeträge greifen. Rückforderungen entstehen häufig dann, wenn das Einkommen zunächst nur geschätzt oder vorläufig berücksichtigt wurde und später anhand der tatsächlichen Abrechnungen endgültig festgesetzt wird.
Die Sechs-Monats-Verteilung funktioniert sozialrechtlich nur für bestimmte Nachzahlungen.




