Hartz IV: Bundesregierung sparte 50 Millionen bei den Mehrbedarfen

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Die Ampel-Koalition hat in diesem Jahr Hartz-IV-Leistungsbeziehern einen Zuschuss als Inflationsausgleich in Hรถhe von 200 Euro รผberwiesen. Ein tatsรคchlicher Ausgleich fรผr die steigenden Kosten konnte nicht geschaffen werden, aber der Sofortzuschlag hatte noch einen weiteren nachteiligen Effekt, wie Peter Piekarz von “Hartziv.org” vorrechnete.

Wenn die Teuerungsrate hoch ist

Wie vom Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 2014 angemahnte, muss der Gesetzgeber bei galoppierenden Grundhaltungskosten sofort einschreiten und die Regelbedarfe entsprechend anpassen. So urteilte das Gericht:

“Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsรคchlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berรผcksichtigten Entwicklung der Preise fรผr regelbedarfsrelevante Gรผter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren (…) der Gesetzgeber dabei nicht auf die regulรคre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.” (Beschluss des BVerfG 2014 – AZ: 1 BvL10/12, Rn. 144).

Einmalzahlung sparte bei den Mehrbedarfen

Die Bundesregierung wรคhlte den sparenden Effekt der Einmalzahlung. Sparend deshalb, weil die Mehrbedarfe schlicht weg bei der Einmalzahlung nicht bedacht wurden.

Neben dem pauschaliertem Regelbedarf bei Hartz IV mรผssen auch individuelle Bedarfe gezahlt werden, die im Regelbedarf nicht vorgesehen ist. Nach ยง21 SGB II mรผssen beispielsweise folgende Mehrbedarfe gezahlt werden, wenn ein Anspruch darauf besteht:

  • Mehrbedarf fรผr Alleinerziehende
  • Mehrbedarf wรคhrend der Schwangerschaft
  • Mehrbedarf fรผr dezentrale Warmwasseraufbereitung
  • Mehrbedarf fรผr kostenaufwรคndige Ernรคhrung
  • Mehrbedarf fรผr erwerbsfรคhige behinderte Menschen

Diese Mehrbedarfe orientieren sich prozentual an den Regelsรคtzen. Hรคtte also die Bundesregierung den regulรคren Regelsatz an den gestiegenen Verbraucherpreisen angepasst, so wรคren die Mehrbedarfe ebenfalls prozentual im gleichen Verhรคltnis gestiegen.

Weil aber ein pauschaler Sofortzuschlag gezahlt wurde, der die individuellen Bedarfe beispielsweise von Schwangeren nicht beachtete, hatte der Pauschalzuschlag einen nachteiligen Effekt fรผr die Betroffenen, wie Piekarz richtigerweise anmerkt.

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Einmalzuschlag unbรผrokratisch und schnell?

Kritiker werden anmerken, dass die Bundesregierung einen unbรผrokratischen Weg wรคhlte, um schnelle Unterstรผtzung fรผr Bedรผrftige zu leisten.

Eine Anpassung der Regelleistungen hรคtte vermutlich weitere Monate vergehen lassen. Allerdings besteht die Situation der hohen Teuerungsraten nicht erst seit gestern, wie Sebastian Bertram von Gegen-Hartz.de kritisierte. “Die Preise bei den Lebensmitteln und Energie stiegen bereits Ende des letzten Jahres”, so Bertram. Der Gesetzgeber hรคtte bereits dann gegensteuern mรผssen.

Wie sparte die Bundesregierung?

Aber warum hat die Bundesregierung viele Millionen Euro eingespart. Laut derzeitiger Datenlage der Bundesagentur fรผr Arbeit (Mรคrz 2022) erhalten rund 884.360 Bedarfsgemeinschaften eine Mehrbedarfszuschlag. Im Schnitt wurden laut BA 73 Euro zusรคtzlich zum Regelbedarf bewilligt.

Wird nun der Sofortzuschlag in Hรถhe von 200 Euro in ein Jahresverhรคltnis gesetzt, so hรคtte sich der Regelsatz bei Hartz IV um 6,3 Prozent erhรถht. Setzt man nun wieder diese Erhรถhung im Verhรคltnis mit dem durchschnittlichen Mehrbedarfsanspruch, so hรคtten die Berechtigten im Durchschnitt 4,60 Euro monatlich mehr erhalten mรผssen.

Auf das Jahr gerechnet: 50 Millionen Euro bei den Mehrbedarfen gespart

Die Bundesregierung sparte demnach Ausgaben fรผr individuelle Bedarfe, weil er den Weg der Einmalzahlung wรคhlte. Hรคtte die Ampel-Koalition den Regelsatz entsprechend um 6,3 Prozent angepasst, so hรคtten sich die Leistungen allein im Monat Mรคrz um รผber 4 Millionen Euro fรผr die Mehrbedarfe erhรถhen mรผssen (884.360 x 4,60 Euro = 4.068.056 Euro).

Auf das Gesamtjahr gerechnet (12 Monate) ergรคbe sich ein Ausgabeposten fรผr Mehrbedarfe um fast 50 Millionen Euro. Diese Ausgaben sparte der Bund auf Kosten der Mehrbedarfsberechtigten.