Hartz IV Ausbeutung Ein-Euro-Jobs

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„Manche haben den Knall einfach nicht gehört."

05.06.2013

Nachdem wir auf einen Bericht in der Online-Ausgabe des „Kölner Stadt-Anzeigers“ aufmerksam gemacht wurden, in dem sich der Autor zu einer wahre Lobhudelei auf Ein-Euro-Jobs hinreißen lässt, möchten wir die sogenannten „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ genauer unter die Lupe nehmen.

Statt Ein-Euro-Jobs Ausbau regulärer Arbeitsplätze fördern
Fakt ist, dass die Zahl der Hartz IV-Bezieher in Ein-Euro-Jobs deutlich zurückgegangen ist. Während in den ersten Jahren nach der Einführung im Jahr 2005 noch rund 300.000 Menschen in Ein-Euro-Jobs beschäftigt waren, sind es mittlerweile weniger als die Hälfte. Hintergrund sind vor allem die reduzierten Bundesmittel für die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen. Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, fordert die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs und stattdessen den Ausbau regulärer Jobs: „Ein-Euro-Jobs gehören abgeschafft: Sie verdrängen und ersetzen reguläre Arbeitsplätze und werden den individuellen Bedürfnissen der Erwerbslosen nicht gerecht. Sinn und Zweck dieser Maßnahmen ist es, prekäre Beschäftigung und den Niedriglohnsektor auszuweiten.“ Auch die FDP spricht sich mittlerweile für die Abschaffung von Ein-Euro-Jobs aus, wobei es der Partei dabei vordergründig um Entlastungen und Einsparungen bei den Sozialausgaben geht. Aber dennoch, immerhin haben auch die Liberalen bemerkt, dass die sog. „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ keine neue Arbeit bringen, sondern reguläre Beschäftigung verdrängt.

Wer profitiert von Ein-Euro-Jobs?
Mit der Einführung der Ein-Euro-Jobs im Jahr 2005 verfolgte die Bundesagentur für Arbeit (BA) das Ziel, sog. langzeitarbeitslose Hartz IV-Bezieher bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Für ihre Tätigkeit erhalten die Leistungsberechtigen nach SGB II eine Mehraufwandsentschädigung, die zwischen einem Euro und 2,50 Euro pro Stunde liegt. Der Gesetzgeber sieht vor, dass Ein-Euro-Jobs lediglich ergänzend und nicht etwa als Ersatz für reguläre Arbeitsplätze vergeben werden dürfen, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sein müssen. Gemeinnützige Organisationen und Verbände wie die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Caritas und die Diakonie profitieren deshalb am stärksten von den zusätzlichen und vor allem billigen Arbeitskräften. Häufige Einsatzgebiete von Ein-Euro-Jobber sind Kindergärten, Garten- und Landschaftspflege, städtische Abfallbeseitigung sowie Kranken- und Altenpflegeeinrichtungen.

Caritas-Mitarbeiter diskriminiert Hartz IV-Bezieher
In einer solchen Pflegeeinrichtung wurde auch die 31-Jährigen Simone W. im Rahmen ihres Ein-Euro-Jobs eingesetzt, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet. In dem Artikel wird die Geschichte eines erfolgreichen Eingliederungsprojekte erzählt – und gelobt. Keine Frage, die Geschichte von Simone W. gehört zu den Erfolgsgeschichten der Arbeitsvermittlung. Dennoch hat der Bericht einen fahlen Beigeschmack. Das liegt vor allem an den Aussagen von Heinz Jürgen Klemm vom Caritas-Verband Rhein-Erft, dem Träger des Pflegeheims, in dem die 31-Jährige arbeitet. Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte er über Hartz IV-Bezieher: „Manche haben den Knall einfach nicht gehört." Der Sozialpädagoge verweist damit offenbar auf Langzeitarbeitslose ohne Ein-Euro-Job und den Willen, wieder in den ersten Arbeitsmarkt einzusteigen. Wie er zu dieser Einschätzung kommt, wird in dem Bericht nicht näher erläutert. Mit der Reduzierung der Ein-Euro-Jobs werde es „immer schwerer, den Weg in den Arbeitsmarkt zurück zu finden“, so Klemm. Vor dem Hintergrund, dass Einrichtungen wie die Caritas eindeutig zu den Nutznießern von Ein-Euro-Jobs gehören, erlangt dieser Satz eine ganz andere Bedeutung. Es stellt sich unweigerlich die Frage, warum ein Vertreter eines gemeinnützigen Verbands mit zahlreichen sozialen Einrichtungen und Projekten, mit denen vor allem Menschen in Not unterstützt werden, ausgerechnet auf denen herum hackt, die ohnehin permanent mit Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen haben. Herr Klemm, ganz schwache Leistung!

Wissenschaftliche Studien belegen, dass sich Ein-Euro-Jobs sogar nachteilig auf den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt auswirken können. Selbst die BA scheint mittlerweile erkannt zu haben, dass Ein-Euro-Jobs keine reguläre Beschäftigung produzieren, sondern vielmehr zu deren Abbau beitragen. An Stelle der Ein-Euro-Jobs sollen zukünftig leistungsberechtigte Erwerbslose in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Dafür sollen Lohnzuschüsse als Anreiz für Arbeitergeber gezahlt werden.

ZEW-Studie belegt: Ein-Euro-Job verbessert nicht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Bereits im Jahr 2010 ermittelte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsförderung (ZEW) im Rahmen einer Auswertung der Erwerbsverläufe von 160.000 Hartz IV-Beziehern, dass Personen, die einen Ein-Euro-Job annehmen, nach einem Jahr seltener eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erreichen als andere Langzeitarbeitslose. Demnach wirke sich der Effekt am stärksten bei Männern ohne Migrationshintergrund und am schwächsten bei Frauen mit ausländischen Wurzeln aus. Eine mögliche Ursache für die Benachteiligung von Ein-Euro-Jobbern könnten zum einen in der Qualifikation zu finden sein, die die Betroffenen bei ihrer Tätigkeit erwerben, aber an den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes vorbeigehen könnte. Zum anderen könnten Ein-Euro-Jobs Langzeitarbeitslose stigmatisieren, da die Tätigkeit als Anzeichen mangelnder Beschäftigungsfähigkeit angesehen werden könnte. Zudem bemühen sich Hartz IV-Bezieher möglicherweise intensiver um eine reguläre Beschäftigung, um einen unattraktiven Ein-Euro-Job zu vermeiden. (ag)