Hartz IV: 1-Euro-Jobber als Flutschäden-Beseitiger

Lesedauer 2 Minuten

3000 ältere Hartz-IV-Bezieher sollen als Billigstkräfte Flutschäden in Sachsen-Anhalt beseitigen

19.06.2013

Nachdem sich die Hochwasserlage in vielen Regionen langsam entspannt, werden erste Pläne zur Beseitigung der Flutschäden geschmiedet. Dass die Menschen vielerorts auf Hilfe von außen angewiesen sind, steht bereits fest. Wie diese Hilfe genau aussehen soll, diskutieren Bundesregierung und Länder derzeit noch. In Sachsen-Anhalt hat man jedoch bereits eine Lösung für das Problem gefunden: 3000 ältere Hartz IV-Bezieher sollen die Flutschäden als Ein-Euro-Jobber beseitigen. Diese Regelung hat das Sozialministerium mit der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen Bundesagentur für Arbeit (BA) vereinbart. Wer sich aufgrund von Gefahren weigert, erhält eine Sanktion.

Ältere Hartz IV-Bezieher sollen als Ein-Euro-Jobber „wiedereingegliedert“ werden
Gerade noch haben unzählige Freiwillige Sandsäcke befüllt, um die Deiche gegen die Wassermassen zu sichern. Nun sollen Erwerbslose dafür herhalten, die Flutschäden zu beseitigen. Besonders skandalös: Auch 3000 über 50-jährige Hartz IV-Bezieher sollen die teilweise schwere körperliche Arbeit verrichten. Eigens dafür hat die BA ein Maßnahmenpaket geschaffen, das ältere Hartz IV-Bezieher im Rahmen des Programms „Aktiv zur Rente“ „wiedereingliedern“ soll. Dabei stellt sich nun die Frage, in was die Betroffenen „wiedereingliedert“ werden sollen. Denn letztlich verstecken sich hinter den Plänen des Landes sogenannte Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, Ein-Euro-Jobs, die nur in Ausnahmefällen in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung münden. Bereits im Jahr 2010 zeigte eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsförderung (ZEW), dass Menschen, die einen Ein-Euro-Job annehmen, nach einem Jahr seltener eine sozialversicherungspflichtige Anstellung erreichen als andere Langzeitarbeitslose.

Maximal 160 Euro zusätzlich im Monat für Ein-Euro-Jobber
Letztlich erhalten die betroffenen Hartz IV-Bezieher weiterhin den Regelsatz nach SGB II und unterstehen den Vorgaben der Jobcenter. Durch ihren Einsatz zur Beseitigung der Flutschäden bekämen sie zusätzlich einen Euro pro Arbeitsstunde beziehungsweise maximal 160 Euro pro Monat, erklärte Ministeriumssprecher Holger Paech gegenüber der Zeitung „Junge Welt“. Den „Obolus“ finanziere das Land aus dem Europäischen Sozialfonds mit 2,7 Millionen Euro. „Das Geld kann für Arbeitsmaterial, wie Müllsäcke, Spaten oder Schippen aufgewendet werden“, erläuterte Paech. Von den staatlichen Zuschüssen könnten die Maßnahmenträger zudem Schutzkleidung kaufen oder die Ein-Euro-Jobber einarbeiten. Unklar ist noch, ob die Anfahrtskosten zu den Deichen von den Ein-Euro-Jobbern aus der „Zulage“ finanziert werden müssen. BA-Sprecher Kristian Veil erklärte gegenüber der Zeitung, dass „zum Beispiel Sammeltransporte“ vorstellbar seien.

Auch zu den genauen Tätigkeiten, die die älteren Hartz IV-Bezieher verrichten sollen, machte Veil keine konkreten Angaben. Dies regelten die Träger. Gefährliche Arbeiten seien jedoch nicht darunter, versicherte er. Letztlich können die Betroffen die Tätigkeit ohnehin nur aus einem triftigen Grund ablehnen, wie „einem ärztlichen Attest oder psychologischen Gutachten“. Die letztendliche Entscheidung liebe bei den „Integrationsfachleuten der Jobcenter, denen Fähigkeiten und körperliche Leistungsfähigkeit ihrer Kunden bekannt sind“, so Veil.

Werden Nothilfen doch auf Hartz IV angerechnet?
Ein-Euro-Jobber, die selbst von der Flut betroffen sind, müssen sich offenbar doch darauf einstellen, dass Flut-Hilfen auf die Hartz IV-Leistungen angerechnet werden. BA, Deutscher Städtetag und Landkreistag erklärten zwar, dass „Hilfen, die ausdrücklich dazu dienen, Schäden zu beseitigen, nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden“, jedoch werde eine Erstausstattung der Wohnung nur finanziert, wenn keine Versicherung und kein Nothilfeprogramm die Kosten übernehme. Demnach werden diese Beträge doch angerechnet, zumindest auf das Geld, das beim Jobcenter für neue Möbel beantragt werden kann. Somit könnten Spenden, die den Betrag für die Möbelhilfe übersteigen, als Einkommen gewertet werden, das wiederum mit dem Regelsatz verrechnet werden würde. (ag)

Bild: Lupo / pixelio.de