Rostock. Ein Team aus Rechtsanwälten (Legal Team) hat in Rostock seine Arbeit beendet. Hier eine Zusammenfassung der vergangenen anderthalb Wochen aus der Sicht des EA/Legal Team. Eine Sammlung von Ereignissen während der G8 Gipfel Proteste besonders aufgefallen sind:
CS Gas aus nächste Nähe. Willkürliche Festnahmen
Bei fast allen Aktionen wurden immer wieder einzelne Personen scheinbar grundlos raus gegriffen. Greiftrupps sind mit Fotoabzügen herum gelaufen und haben Leute gesucht. So wurden z.B. Leute brutal festgenommen, mit Bilder verglichen und dann wieder gehen gelassen, weil sie der Person auf dem Bild nicht ähnelte. Bei einer Sitzblockade ging ein Polizist einmal entlang und sprühte aus nächster Nähe der ersten Reihe eine Ladung Gas ins Gesicht. Die Durchführung der Festnahmen war insgesamt sehr brutal. Legal Team bzw. Sanitäter hatten keine Chance an die Festgenommenen ran zukommen. So wurden z.B. Pfefferspray eingesetzt, obwohl die Leute schon durch Schläge mit Schlagstöcken verletzt waren, ein anderer Festgenommener wurde mit seinem T- Shirt, das ihm über den Kopf gezogen wurde, gewürgt.
3 Schwerverletzte Demonstranten
Es gab mindestens 3 schwere Augenverletzungen durch Wasserwerfer Einsätze in der Nähe des Zaunes. Obwohl Rettungswagen der Polizei anwesend waren, mussten die Verletzten eine halbe Stunde auf einen zivilen Rettungswagen warten, weil Augenverletzungen nicht lebensbedrohend seien. Einer hatte anschließend eine getrübte Linse, eine andere Person hat aus dem Auge geblutet.
Ohne Hausdurchsuchungsbefehl wollte die Polizei eine Campdurchsuchung durchführen
Die Polizei wollte auf das Camp in Rostock gehen und wollte dieses durchsuchen. Erst nachdem Anwälte da waren, die nach dem Durchsuchungsbeschluss fragten, musste die Polizei eingestehen, dass sie einen solchen zwar beantragt haben, es aber keine Rechtsgrundlage für eine solche Maßnahme gab. Sie sind dann wieder abgezogen.
Im Anschluss daran gab es Kontrollen an der nahen S- Bahn Station, bei denen Frauen in den Schritt gefasst wurde, dabei wurden anzügliche Geräusche gemacht. Auch nahe dem Camp Wichmannsdorf gab es solche sexistische Übergriffe der Polizei. Eine Gruppe von Frauen musste sich am Dienstag (5.6.) auf einem Parkplatz vor allen anwesenden Polizisten ausziehen.
Festnahmen wegen Halstücher und Sonnenbrillen
Festnahmegründe waren meist konstruiert bzw. vorgeschoben. So wurden z.B. Menschen die lediglich ein Halstuch oder eine Sonnenbrille im Rucksack hatten, wegen Vermummung in Gewahrsam genommen. Zeitgleich konnten aber hunderte andere mit Halstuch und Sonnenbrille die Sperren ungehindert passieren. Andere Festnahmegründe waren z.B. Salatöl im PKW mit sich zu führen oder Fahrrad zu fahren.
Trotz Verletzung ins Krankenhaus
Ein Demonstrant wurde von der Polizei verletzt, im Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, am nächsten Morgen um fünf Uhr wieder abgeholt und in Gewahrsam genommen.
Arzt und Sanitäter wurden verhaftet
Sanitäter und ein Arzt wurden festgenommen und konnten deshalb nicht zu den Verletzten. Hier mehr dazu.
Pressezensur durch die Polizei
Die Polizei hat teilweise auf der Straße versucht die Presse zu zensieren. So wurden bei mindestens einem Reporter, der sich mit Presseausweis auswies, unliebsame Fotos gelöscht. Außerdem wurde ein Reporter mit dem Vorwurf der passiv Bewaffnung und Landfriedensbruch in Gewahrsam genommen. Hintergrund war, dass er wie viele andere seiner Kollegen einen Helm trug. Ein anderer Reporter wurde bei einem Wasserwerfer Einsatz verletzt.
Festnahme von völlig Unbeteiligten
Auch vollkommen Unbeteiligte waren Opfer der Repression. So wurde z.B. eine Frau aus dem Ausland, die nicht mal wusste, dass gerade G8-Gipfel in der Region ist, von der Polizei beim Trampen aufgegriffen und in Gewahrsam genommen.
Auch durch die lang andauernden Kontrollen wurden Aktionen behindert. Ein Bus mit Menschen aus Griechenland und Italien ist am Mittwoch (6.6.) auf dem Weg nach Rostock/ Laage aufgehalten worden. Alle Leute aus dem Bus wurden in einem Gefangenenbus in der Gegend herum gefahren bis die Demo vorbei war. Anschließend wurden sie wieder zu ihrem Bus gebracht und durften weiter fahren.
Protestierer die sich als Clowns verkleideten mussten Seifenwasser trinken
Den Clowns wurde insgesamt ziemlich übel mitgespielt. Sie mussten vor den Augen der Polizei Wasser aus ihren Spritzpistolen trinken, weil angeblich Säure drin war. Bei einer ARD Fernsehveranstaltung wurde ein Clown der mit erhobenen Händen auf der 2 Meter hohen Bühne stand und Quatsch machte von einem Polizisten von der Bühne gestoßen und ist auf einen Metallzaun gefallen.
Andere Personen, die einer Blockade Wasserflaschen bringen wollten, wurden vom USK gezwungen die 40 Flaschen Wasser die sie dabei hatten anzutrinken, um damit zu beweisen, dass es sich wirklich um Wasser handelt.
Leute, die am Freitag in der Nähe des offiziellen Mediencenters in Kühlungsborn nackt baden waren, sind von Zivilpolizisten in Badehosen aus dem Meer gezogen worden
Platzverweise durch die Polizei auch gegenüber Anwohnern
Die Polizei hat massenhaft Platzverweise ausgesprochen. Die meisten dürften rechtswidrig gewesen sein. Z.T. waren sie für viel zu große Gebiete oder einen zu langen Zeitraum ausgesprochen oder überhaupt nicht näher bestimmt. Einem Anwohner wurde z.B. ein Platzverweis für den eigenen Wohnort erteilt.
Haftbedingungen: Haft in Käfig und ohne Wasser
Die Haftbedingungen müssen insgesamt als sehr brutal und menschenunwürdig beschrieben werden: So hatten Leuten in den Gefangenensammelstellen z.T. sehr lange mit Kabelbindern die Hände gefesselt. Bei Einigen wurden diese auch beim Toilettengang bzw. Schlafen nicht abgenommen. Einige Gefangene mussten sich bei der Durchsuchung vollständig ausziehen und wurden in mindestens einem Fall nackt fotografiert.
Den Gefangenen wurden z.T. Brillen und Schuhe in der Gefangenen-Sammelstelle (Gesa) abgenommen. Einer Frau, die menstruierte, wurden Tampons verweigert. Anderen Leuten wurden Medikamente verweigert, so wurde z.B. einer Person das Asthma Spray abgenommen. Einer Anderen, deren Hände gefesselt waren und die starken Heuschnupfen hatte, wurde ärztliche Hilfe verweigert. Einer Frau, die bewusstlos wurde, wurde erst nach 3 Stunden der Kontakt zu einem Arzt gewährt.
Die Gefangenen wurden in ca. 5,5 x 5,5 Meter großen Käfigen aus Drahtgitter, die nach allen 4 Seiten offen einsehbar waren, untergebracht. Die Gitter waren nicht entgratet, deshalb gab es Schnittverletzungen an den Händen. Als Decke war ein Netz gespannt. In dem Raum gab es eine Galerie, von der aus in die Käfige gefilmt wurde und die Gefangenen ständig beobachtet wurden. Außerdem war in der Halle ununterbrochen Neonlicht und sehr laute Lüftungspropeller und damit starke Zugluft. Die Gefangenen hatten anfangs keine Decken und keine Unterlage auf dem Boden. Es gab keine Waschmöglichkeit und die Gefangenen waren bis zu neun Stunden ohne Wasser.
Andere Menschen wurden 1,5 Stunden in einem Gefangenenbus in der prallen Sonne ohne Getränke stehen gelassen. Eine Frau vom Roten Kreuz die den Gefangenen Wasser geben wollte, wurde daran von der Polizei gehindert.Viele der Festgenommenen durften nicht mal vor einer Haftprüfung Rechtsanwälte anrufen, andere erst sehr verspätet (nach 15 Stunden). Leute wurden bewusst belogen bezüglich der Dauer der Ingewahrsamnahme. So wurde z.B. angedroht, dass sie mehrere Tage bleiben müssten und kamen dann nach wenigen Stunden wieder raus.
Die Haftdauer war sehr unterschiedlich. Verhältnismäßig wenige Menschen für mehrere Tage in Unterbindungsgewahrsam genommen worden. Z.T. wurde es zwar angeordnet, die Leute wurden aber trotzdem früher wieder entlassen oder die Anordnung des Gewahrsams wurde richterlich aufgehoben. Der Großteil wurde zwischen 6 und 15 Stunden festgehalten.In einigen Fällen gab es zwar einen richterlichen Beschluss, dass die Ingewahrsamnahme nicht fortgeführt werden darf, sie wurden trotzdem erst lange (z.B. 7 Stunden) nach dieser Feststellung wieder raus gelassen. Insgesamt gab es am Dienstag und Mittwoch 8 Schnellverfahren. Die Urteile gingen von 6 Monaten Haft auf Bewährung bis 10 Monate ohne Bewährung. Lest dazu bitte die Berichte die es schon gab. (PM Legal Team und Rechtsanwälte, 13.06.07)
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