Faktische Hartz IV-Regelsatzkürzung steht bevor

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Ein viertes Mal in Folge wird es aller Voraussicht nach bei der Regelsatzanpassung zum Jahreswechsel eine faktische Hartz IV-Kürzung geben. Auch die Ankündigung ein Bürgergeld einzuführen, wird daran nicht viel ändern. Davor warnt der Paritätische Gesamtverband.

Die Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbandes hat nämlich ermittelt, wie die Regelbedarfe ausfallen, wenn sich die Festlegung der Regelbedarfe 2023 ausschließlich an der aktuell gültigen Anpassungsformel orientiert.

Regelsätze werden um 4,6 Prozent angepasst?

Auf der Grundlage der mittlerweile vorliegenden Daten wird es dabei eine Anpassung der Regelsätze im SGB II um 4,6 Prozent geben. Fakt ist aber, dass die Preise schneller steigen.

Die Inflation beträgt im Juli 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat bereits 7,5 Prozent. Die Menschen würden ärmer.

Die Ampelregierung stellt mit der angekündigten Bürgergeldreform eine grundlegende Reform der Grundsicherung in Aussicht. In dem bisher vorliegenden Referentenentwurf finden sich aber zu der zentralen Frage, wie hoch die Leistungen in Zukunft ausfallen sollen keine Aussagen. Das Ministerium warte noch auf Daten des Statistischen Bundesamts.

Entwicklung der regelbedarfsspezifischen Preise

2021 Indexwert Veränderung zum
Vorjahresmonat in %
Januar 106,53 0,8
Februar 107,01 0,7
März 107,17 0,6
April 107,82 0,4
Mai 108,19 0,6
Juni 108,17 1
Juli 108,21 3,3
August 108,33 3,3
September 108,61 3,5
Oktober 108,86 3,5
November 109,05 3,7
Dezember 109,65 4,6
2022
Januar 110,69 3,9
Februar 111,39 4,1
März 112,71 5,2
April 114,95 6,6
Mai 116,21 7,4
Juni 115,32 6,6
Juli 115,92 7,1

Quelle: Daten bis Juni 2022: Antwort auf schriftliche Frage der Abg. Tatti, Drucksache 20/2992, S. 58f.

Gleiche Methode bedeutet keine Erhöhung der Regelleistungen

“Die Methode der Fortschreibung ist zunächst gesetzlich in § 28a SGB XII festgelegt. Die konkrete Berechnung wird in der Begründung zur Regelbedarfsfortschreibungsverordnung detailliert ausgeführt”, schreiben die Autoren der Forschungsstelle.  Somit ergibt sich die Fortschreibung der Regelbedarfe aus einem Mischindex, der sich zu 70 Prozent aus der Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Lohnentwicklung zusammensetzt.

Laut den vorliegenden Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle ergibt sich danach eine Preisentwicklung von 4,7 Prozent und eine Nettolohnentwicklung von 4,3 Prozent.

Mit der genannten Gewichtung ergibt sich daraus eine Anpassung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2023 in Höhe von 4,6 Prozent (mehr Details werden weiter unten ausgeführt). Für eine alleinlebende Leistungsberechtigte in der Grundsicherung ergibt sich daraus rechnerisch ein Regelbedarf in Höhe von 470 Euro.

Gleiche Situation wie vor einem Jahr

“Im Grundsatz befinden wir uns damit in derselben Situation wie vor einem Jahr”, kritisiert der Sozialverband.

Auch bei der Regelbedarfsanpassung zu 2022 übertraf die Inflation die Anpassung der Regelbedarfe. Im Auftrag des Paritätischen Gesamtverband hat Prof. Anne Lenze diesen Sachverhalt in einem kurzen Gutachten verfassungsrechtlich bewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass der Bundesgesetzgeber eingreifen muss, wenn eine Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums droht.

Diese Situation ist heute wiederum gegeben: das menschenwürdige Existenzminimum wird nicht mehr gesichert, wenn die Preisentwicklung die reale Kraftkraft der Leistungen schmälert.

Wie wird sich die Bundesregierung verhalten?

Noch ist offen, ob es zu einer faktischen Regelsatzanpassung kommt. Allerdings schweigt sich die Bundesregierung derzeit zu den Anpassungen aus. Einzelne Stimmen lassen allerdings wenig gutes erahnen.